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BENEDIKT XVI.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 25. Januar 2006

 

Lesung: Psalm 144,9–15

9 Ein neues Lied will ich, o Gott, dir singen, auf der zehnsaitigen Harfe will ich dir spielen,
10 der du den Königen den Sieg verleihst und David, deinen Knecht, errettest. Vor dem bösen Schwert
11 errette mich, entreiß mich der Hand der Fremden! Alles, was ihr Mund sagt, ist Lüge, Meineide schwört ihre Rechte.
12 Unsre Söhne seien wie junge Bäume, hochgewachsen in ihrer Jugend, unsre Töchter wie schlanke Säulen, die geschnitzt sind für den Tempel.
13 Unsre Speicher seien gefüllt, überquellend von vielerlei Vorrat; unsre Herden mögen sich tausendfach mehren, vieltausendfach auf unsren Fluren.
14 Unsre Kühe mögen tragen, ohne zu verwerfen und ohne Unfall; kein Wehgeschrei werde laut auf unsern Straßen.
15 Wohl dem Volk, dem es so ergeht, glücklich das Volk, dessen Gott der Herr ist!

 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Heute geht die Gebetswoche für die Einheit der Christen zu Ende, in der wir über die Notwendigkeit nachgedacht haben, beständig vom Herrn das große Geschenk der vollen Einheit unter allen Jüngern Christi zu erflehen. Denn das Gebet trägt entscheidend dazu bei, daß der gemeinsame ökumenische Einsatz der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften aufrichtiger und reich an Früchten ist.

Bei dieser unserer Begegnung wollen wir die Betrachtung von Psalm 144 wiederaufnehmen, den die Liturgie der Vesper uns in zwei Teilen vorstellt (vgl. V. 1–8 und V. 9–15). Der hymnische Ton wird beibehalten und auch in diesem zweiten Teil des Psalms tritt die Person des »Gesalbten« schlechthin in Erscheinung, Jesus, der alle an sich zieht, damit alle eins sind (vgl. Joh 17, 11.21). Nicht umsonst ist die das Lied beherrschende Szene gekennzeichnet von Wohlergehen und Frieden, den untrüglichen Zeichen der messianischen Zeiten.

2. Deshalb wird das Lied als »neu« bezeichnet, ein Begriff, der in der Bibel nicht so sehr an die äußerliche Neuheit der Worte denken läßt, sondern an die letzte Fülle, mit der die Hoffnung besiegelt wird (vgl. V. 9). Es wird also das Ziel der Geschichte besungen, wenn schließlich die Stimme des Bösen zum Schweigen gebracht wird, die der Psalmist mit der »Lüge« und dem »Meineid« beschreibt, Ausdrücke, die auf den Götzendienst hinweisen (vgl. V. 11).

Aber auf diesen negativen Aspekt folgt, sehr viel mehr Raum einnehmend, die positive Seite der neuen, von Freude erfüllten Welt, die sich durchsetzen wird. Das ist der wahre »shalom«, das heißt der messianische »Frieden«, ein lichtvoller Ausblick, der sich zusammensetzt aus einer Abfolge von verschiedenen Facetten des sozialen Lebens: Sie können auch für uns zum Wunsch nach dem Entstehen einer gerechteren Gesellschaft werden.

3. Da ist vor allem die Familie (vgl. V. 12), die auf die Lebenskraft der Nachkommen gegründet ist. Die Söhne, die Hoffnung der Zukunft, werden mit hochgewachsenen Bäumen verglichen; die Töchter werden dargestellt als starke Säulen, die den Bau des Hauses tragen, ähnlich wie die Säulen eines Tempels. Nach der Familie folgt das wirtschaftliche Leben, das Land mit seinen in den Speichern gesammelten Erträgen, mit den Fluren, auf denen die Herden weiden, und den Arbeitstieren, die auf den fruchtbaren Feldern dahinziehen (vgl. V. 13–14a).

Der Blick richtet sich dann auf die Stadt, das heißt auf die gesamte bürgerliche Gemeinschaft, die endlich das wertvolle Geschenk des Friedens und der öffentlichen Ruhe genießt. Nie wieder wird es Breschen geben, die die eindringenden Feinde bei einem Angriff auf die Stadt in die Mauern schlagen; vorbei sind die Überfälle, die Plünderung und Verschleppung mit sich bringen, und schließlich gibt es kein »Wehgeschrei« der Verzweifelten, Verletzten, der Opfer und Waisen mehr, jene traurige Hinterlassenschaft des Krieges (vgl. V. 14b).

4. Diese Schilderung einer anderen, jedoch im Bereich des Möglichen liegenden Welt wird dem Werk des Messias anvertraut und auch dem seines Volkes. Wir müssen alle gemeinsam unter der Führung Christi, des Messias, für diesen Plan der Eintracht und des Friedens arbeiten, indem wir dem zerstörerischen Wirken des Hasses, der Gewalt und des Krieges Einhalt gebieten. Dafür ist es aber nötig, eine Entscheidung zu treffen und sich auf die Seite des Gottes der Liebe und der Gerechtigkeit zu stellen.

Deshalb schließt der Psalm mit den Worten: »Glücklich das Volk, dessen Gott der Herr ist!« Gott ist das Gut der Güter, das höchste Gut, die Voraussetzung für alle anderen Güter. Nur ein Volk, das Gott kennt und die spirituellen und sittlichen Werte verteidigt, kann wirklich zu einem tiefen Frieden gelangen und auch zu einer Kraft des Friedens für die Welt, für andere Völker werden. Dann kann es mit dem Psalmisten das »neue Lied« anstimmen, voll Vertrauen und Hoffnung. Wir denken dabei spontan an den Neuen Bund, an die Neuheit, die Christus und sein Evangelium ist.

Daran erinnert uns der hl. Augustinus. Bei der Deutung dieses Psalms legt er auch die Worte aus: »auf der zehnsaitigen Harfe will ich dir spielen«. Die zehnsaitige Harfe ist für ihn das in den Zehn Geboten zusammengefaßte Gesetz. Aber mit diesen zehn Saiten, diesen Zehn Geboten müssen wir richtig umzugehen verstehen. Und nur wenn diese zehn Saiten der Zehn Gebote – so sagt der hl. Augustinus – von der Liebe des Herzens zum Klingen gebracht werden, klingen sie gut. Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes. Wer die Gebote als einen Aspekt der einen und einzigen Liebe lebt, singt in Wahrheit das »neue Lied«. Die Liebe, die uns mit der Gesinnung Christi vereint, ist das wahre »neue Lied« des »neuen Menschen«, der in der Lage ist, auch eine »neue Welt« zu schaffen. Dieser Psalm lädt uns ein, »auf der zehnsaitigen Harfe« zu spielen, mit einem neuen Herzen, mit der Gesinnung Christi, die zehn Gebote in der Haltung der Liebe zu leben und so zu Frieden und Eintracht der Welt beizutragen (vgl. Psalmenkommentar 143,16; Nuova Biblioteca Agostiniana, XXVIII, Rom 1977, S. 677).


„Ein neues Lied will ich, o Gott, dir singen" (Ps 144, 9). Mit diesen Wort beginnt der Psalmabschnitt, der der heutigen Katechese zugrunde liegt. Die beglückende Neuheit zeigt sich für den Psalmisten im Sieg über die Feinde, in gesund heranwachsenden Kindern und im Wohlergehen der Stadt. Der tiefere Grund dieser wichtigen Güter kommt im letzten Vers zum Ausdruck: „Glücklich das Volk, dessen Gott der Herr ist!" (V. 15).

Auch wir sind eingeladen, unser Leben ganz auf Gott auszurichten, ihn als unseren wahren Herrn anzuerkennen und so die heilbringende Kraft der Gnade Christi zu erfahren. Seine Liebe soll alles durchdringen und das Leben der Kirche und der Gesellschaft erneuern. Der heilige Augustinus ruft uns dazu in Erinnerung: „Glaube nicht, daß die Gnade vom Gesetz kommt; denn in Wirklichkeit können wir nur mit der Kraft der Gnade das Gesetz erfüllen. [...] Die Erfüllung des Gesetzes ist die Liebe".

***

Mit diesen Gedanken heiße ich euch, liebe Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, herzlich willkommen. Mit besonderer Freude begrüße ich die Dechanten und die Mitarbeiter der Bischöflichen Kurie der Diözese Gurk-Klagenfurt in Begleitung ihres Bischofs sowie die Pilgergruppe der Hauptabteilung „Seelsorge" im Kölner Generalvikariat. Das heutige Fest der Bekehrung des heiligen Paulus sei euch allen ein Ansporn, in das „neue Lied" der Jünger Christi einzustimmen und Gott für die guten Gaben zu danken, die wir aus seiner Güte und Liebe empfangen haben. Euch allen wünsche ich von Herzen einen gesegneten Tag!

 

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