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BENEDIKT XVI.

Meinem verehrten Bruder
Bischof Franz-Josef Bode, Bischof von Osnabrück,
den Bischöfen, Priestern, Diakonen und Ordensleuten
sowie allen Katholikentagsteilnehmern in Osnabrück

 

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Aus der Weite der Weltkirche grüße ich alle, die sich zur Eröffnungsveranstaltung des 97. Deutschen Katholikentags vor dem Dom St. Peter in Osnabrück versammelt haben. Der Friede unseres gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus, der seiner Kirche immer nahe bleibt, sei mit euch! Mein besonderer Gruß gilt dem Bischof von Osnabrück, den anwesenden Kardinälen und den Mitbrüdern im Bischofsamt sowie dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, das diesen Katholikentag gemeinsam mit dem Bistum Osnabrück veranstaltet. Ebenso grüße ich die Vertreter des öffentlichen Lebens und alle, die über Rundfunk und Fernsehen mit dabei sind.

»Du führst uns hinaus ins Weite« (vgl. Ps 18, 20) ist das Leitwort, unter dem der Katholikentag steht. Was ist diese Weite, in die uns die Begegnung mit Gott, der Glaube hineinführt? Nicht wenige Menschen von heute haben ganz im Gegenteil zu diesem Psalmwort die Furcht, daß der Glaube ihr Leben einengt, daß sie ins Gehäuse der kirchlichen Gebote und Lehren eingezwängt werden und nicht mehr frei sind, sich in der Weite des Lebens und des Denkens von heute bewegen zu können. Sie fühlen sich wie der jüngere Sohn im Gleichnis von den zwei Brüdern (Lk 15, 11-32) gedrängt, auszuziehen, Gott beiseite zu lassen und die ganze Weite der Welt zu verkosten. Aber am Schluß wird diese Weite dann doch eng und leer. Erst wenn unser Leben bis zum Herzen Gottes hinaufreicht, hat es die Weite gefunden, für die wir geschaffen sind. Ein Leben ohne Gott wird nicht freier und weiter. Der Mensch ist für das Unendliche bestimmt. Nichts anderes reicht für ihn. Wer aber Gott wegläßt, beschränkt Leben und Welt auf das Endliche, auf das, was wir selber machen und erdenken können, und das ist immer zu wenig. Ja, das Psalmwort ist wahr: Gott gibt uns die Weite, die wir brauchen. Er weitet vor allem unser Herz, daß wir nicht mehr bloß an uns selber denken und um uns selber sorgen. Das Herz, das für Gott offen geworden ist, ist durch die Weite Gottes selbst großzügig und weit geworden. So ein Mensch braucht nicht mehr ängstlich sich umzusehen nach dem eigenen Glück, nach dem eigenen Erfolg und nach der Meinung der anderen. Er ist frei und großmütig geworden, offen für Gottes Ruf. Er kann sich getrost ganz geben, weil er sich – wohin er auch geht – in Gottes guten Händen geborgen weiß. Wem das Herz geweitet wird, der kann Gott und dem Nächsten in seinem Leben einen Ehrenplatz einräumen, der wird gesund durch die Begegnung mit Gott. Wir alle wissen, wie sehr unsere heutige Welt diese Begegnung braucht, wie sehr die Menschen nach dem lebendigen Wasser dürsten, das nur Gott geben kann und das in ihnen »zur sprudelnden Quelle wird, deren Wasser ewiges Leben schenkt« (Joh 4, 14). Vertrauen wir darauf, daß die Begegnung mit Gott in seinem Wort und in der Feier der Eucharistie unsere Herzen weitet und uns zu sprudelnden Quellen für den Glauben unserer Mitmenschen macht. Vertrauen wir darauf, daß die vielen Begegnungen der kommenden Tage – auch mit den Gästen aus anderen Konfessionen und Religionen – die Liebe wachsen läßt zu Gott, der ein so weites Herz hat für die Menschen und der selbst die Liebe ist.

Doch die Weite, in die Gott uns führt, ist nicht nur die Weite in uns, sondern auch die Weite vor uns, die Weite der Zukunft. Deshalb ruft uns das Leitwort des Katholikentags auf, das Vertrauen zu Gott in uns zu stärken, das Vertrauen, daß Gott uns in eine Zukunft führt, die gut ist. »Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!« ruft Jesus den Jüngern zu, die sich im Gegenwind beim Rudern auf dem See Gennesaret abmühen (Mk 6, 50). Auch wenn die Gegenwart uns manchmal stürmisch ins Gesicht bläst und uns angst und bange wird um die Zukunft: Wir dürfen Vertrauen haben, wir müssen uns nicht fürchten, weil Gott es ist, der uns entgegenkommt. Wenn wir die Zukunft auf diese Weise begreifen, dann können wir die Herausforderungen annehmen, die sie an uns stellt. Dann können wir die Zukunft gestalten und ihre Chancen nutzen. Dazu rufe ich euch, die ihr in Osnabrück versammelt seid, auf: Überlaßt die Gestaltung der Zukunft nicht nur anderen, sondern bringt euch selbst mit Phantasie und Überzeugungskraft in die Debatten der Gegenwart ein! Deshalb ist es gut, daß ihr in Osnabrück zunächst Gott in den Blick nehmt, Gottesdienst feiert und biblische Impulse hört und von daher dann auch über die verschiedenen Felder der Politik und der Gesellschaft diskutiert. Nehmt mit dem Evangelium als Maßstab aktiv am politischen und gesellschaftlichen Geschehen in eurem Land teil! Wagt die Mitgestaltung der Zukunft als katholische Laien in Verbundenheit mit den Priestern und Bischöfen! Mit Gott im Rücken könnt ihr mutig handeln, denn Er ist es, der uns versichert: »Ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben« (Jer 29, 11).

Zum Schluß möchte ich noch ein eigenes Wort des Grußes an die vielen Jugendlichen richten, die zum Katholikentag gekommen sind, auch weil Bischof Bode als Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz euch in besonderer Weise nahesteht und eingeladen hat. Vielen von euch bin ich beim Weltjugendtag 2005 in Köln begegnet, nicht wenige werde ich hoffentlich schon bald beim Weltjugendtag in Sydney in diesem Jahr wiedersehen. Ich freue mich, daß ihr euch nun in Osnabrück versammelt habt, um euch gegenseitig im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu bestärken. Nutzt diese Gelegenheit und laßt euch durch die Botschaft des Katholikentags in die Weite der Möglichkeiten Gottes führen! Gott will euer ganzes Leben durchdringen und euch zeigen, wie groß die Freiheit derjenigen ist, die ihr Leben in seine Hände legen. Wer sein Leben mit Gott lebt, dessen Leben wird weit!

Liebe Brüder und Schwestern, gerne begleite ich eure gemeinsamen Tage in Osnabrück mit meinem Gebet und erteile euch allen von Herzen den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 11. Mai 2008, Pfingstsonntag

 

BENEDICTUS PP. XVI

 



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