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BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.
ANLÄSSLICH DES INTERNATIONALEN KONGRESSES ZUM THEMA
"DAS ZWEITE VATIKANUM IM PONTIFIKAT JOHANNES PAULS II."

 

An den verehrten Pater Marco Tasca
Generalminister des Ordens der Minderbrüder-Konventualen
und Großkanzler der Päpstlichen Theologischen Fakultät
»San Bonaventura« – Seraphicum

Mit Freude habe ich erfahren, daß diese Päpstliche Theologische Fakultät zusammen mit dem »Institut für Dokumentation und Studium des Pontifikats Johannes Pauls II.« einen Internationalen Kongreß zum Thema »Das Zweite Vatikanum im Pontifikat Johannes Pauls II.« veranstaltet. Durch diese Initiative möchte die Theologische Fakultät unter anderem vertieft über die gegenwärtige Lage der Kirche nachdenken, im Hinblick auf die 800-Jahrfeier der Regel, die der hl. Franziskus Papst Innozenz III. im Jahre 1209 vorlegte und die dieser mündlich approbierte. Das »Institut für Dokumentation und Studium« möchte mit diesem wichtigen wissenschaftlichen Ereignis den 30. Jahrestag der Erhebung Karol Wojtylas auf den Stuhl Petri feiern, mit dem Ziel, die Lehre des großen Papstes und seine Liebe zur Kirche im historischen und theologischen Kontext des Konzils, das ihm so sehr am Herzen lag, besser bekannt zu machen.

Ich richte meinen herzlichen Gruß an Sie, Herr Generalminister, und bitte Sie, den Mitbrüdern im Orden der Minderbrüder-Konventualen, den Professoren der Universität, dem Direktor und den Mitgliedern des Instituts sowie allen Kongreßteilnehmern die väterliche Liebe zu übermitteln, die ich für jeden von ihnen empfinde.

Natürlich freue ich mich darüber, daß ein Thema gewählt wurde, das zwei Punkte verbindet, die für mich von außerordentlichem Interesse sind: einerseits das Zweite Vatikanische Konzil, an dem ich die Ehre hatte, als Experte teilzunehmen, und anderseits die Gestalt meines geliebten Vorgängers Johannes Paul II., der als Konzilsvater zu diesem Konzil einen bedeutenden persönlichen Beitrag leistete und der später, in den Jahren seines Pontifikats, durch göttlichen Willen zum wesentlichen Protagonisten bei seiner Umsetzung wurde. In diesem Zusammenhang scheint es mir geboten, daran zu erinnern, daß das Konzil aus dem großen Herzen Papst Johannes’ XXIII. hervorging. Genau heute, am 28. Oktober, begehen wir den 50. Jahrestag seiner Wahl auf den Stuhl Petri. Ich habe gesagt, daß das Konzil aus dem Herzen Johannes’ XXIII. hervorging, aber genauer gesagt ging es letztlich, wie alle großen Ereignisse der Kirchengeschichte, aus dem Herzen Gottes, aus seinem Heilswillen hervor: »Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Joh 3,16). Dem heutigen Menschen das göttliche Heil zugänglich zu machen, war für Papst Johannes das grundlegende Motiv für die Einberufung des Konzils, und aus dieser Perspektive heraus haben die Konzilsväter gearbeitet. Eben daher haben die Konzilsdokumente »im Laufe der Jahre nicht an Aktualität verloren«, wie ich am 20. April 2005, dem Tag nach meiner Wahl zum Papst, in Erinnerung gerufen habe, sondern »erweisen sich sogar als besonders nützlich im Bezug auf die neuen Anliegen der Kirche und der jetzigen globalisierten Gesellschaft« (in O.R. dt., Nr. 17, 29.4.2005, 3).

Johannes Paul II. hat praktisch in jedem seiner Dokumente und mehr noch in seinen Entscheidungen und in seinem Handeln als Papst die Grundaussagen des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils aufgegriffen. So legte er es maßgebend aus und wurde sein konsequenter Zeuge. Er war ständig darum bemüht, alle erkennen zu lassen, welche Vorteile aus der Annahme der konziliaren Sichtweise entstehen konnten, nicht nur zum Wohl der Kirche, sondern auch der Zivilgesellschaft und der in ihr handelnden Personen. Vor dem Angelusgebet am 6. Oktober 1985 sagte er in bezug auf die Außerordentliche Bischofssynode, die abgehalten werden sollte, um über die Antwort nachzudenken, die die Kirche in den 20 Jahren, die seit dem Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils vergangen waren, gegeben hatte: »Wir sind eine Verpflichtung gegenüber dem Heiligen Geist, gegenüber dem Geist Christi, eingegangen. Denn es ist der Geist, der zu den Kirchen spricht (vgl. Off 2,7): während des Konzils und durch dieses ist sein Wort für die Kirche besonders deutlich und entscheidend geworden« (O.R. dt., Nr. 4, 11.10.1985, S. 2).

Wir sind wirklich alle durch dieses außerordentliche kirchliche Ereignis in die Pflicht genommen. Das mannigfaltige lehramtliche Erbe, das wir in seinen dogmatischen Konstitutionen, in den Erklärungen und in den Dekreten wiederfinden, spornt uns noch immer an, das Wort des Herrn zu vertiefen, um es auf das Heute der Kirche anzuwenden. Dabei müssen wir uns die vielen Nöte der Männer und Frauen der gegenwärtigen Welt, in der ein äußerst großer Bedarf herrscht, das Licht der christlichen Hoffnung kennenzulernen und zu erfahren, stets gut vor Augen halten. Die soeben beendete Bischofssynode hat diese Nöte in den Mittelpunkt ihrer fruchtbaren und reichen Reflexionen gestellt und damit den Wunsch, der in der Konstitution Dei Verbum zum Ausdruck kommt, noch einmal bekräftigt: »So möge durch Lesung und Studium der Heiligen Bücher ›Gottes Wort seinen Lauf nehmen und verherrlicht werden‹ (2 Thess 3,1). Der Schatz der Offenbarung, der Kirche anvertraut, erfülle mehr und mehr die Herzen der Menschen« (Nr. 26). Er bringe ihnen Gottes Heil und damit das wahre Glück.

Diese Verpflichtung möchte ich insbesondere Euch anvertrauen, liebe Professoren der Päpstlichen Theologischen Fakultät, die den hl. Bonaventura, den seraphischen Kirchenlehrer, als ihren himmlischen Schutzpatron verehrt. Im Reichtum seines Denkens kann er Euch immer noch zeitgemäße Interpretationsschlüssel anbieten, durch die ihr Euch den Konzilsdokumenten nähern könnt, um dort befriedigende Antworten auf die vielen Fragen unserer Zeit zu finden. Die Sorge um das Heil der Menschheit, die die Konzilsväter beseelte und die ihre Bemühungen bei der Suche nach Lösungen für die vielen Probleme der heutigen Zeit leitete, war im Herzen des hl. Bonaventura angesichts der Hoffnungen und Ängste der Menschen seiner Zeit nicht weniger lebendig. Andererseits ändern sich die Grundfragen, die der Mensch im Herzen trägt, im Wandel der Zeiten nicht, und so behalten auch die vom seraphischen Kirchenlehrer erarbeiteten Antworten im wesentlichen noch heute ihre Gültigkeit. Insbesondere das Itinerarium mentis in Deum, das der hl. Bonaventura 1259 schrieb, besitzt immer noch Gültigkeit. Dieses kostbare Büchlein, obwohl es zu den Höhen der mystischen Theologie hinführt, spricht gleichzeitig zu allen Christen über das Wesentliche in ihrem Leben. Das endgültige Ziel all unseres Handelns muß unsere Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott sein. Auch für die Konzilsväter des Zweiten Vatikanums war das endgültige Ziel aller einzelnen Elemente der Erneuerung der Kirche die Hinführung zum lebendigen Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat.

Ich bin sicher, daß die Päpstliche Fakultät »San Bonaventura« und das »Institut für Dokumentation und Studium des Pontifikats Johannes Pauls II.« ihre Reflexion über die Konzilstexte fortsetzen und weiter entfalten werden. Dabei werden sie auch von den Beiträgen Gebrauch machen, die im gegenwärtigen Kongreß herangereift sind. In diesem Sinne sichere ich die Unterstützung durch mein Gebet zu, und als Unterpfand des himmlischen Lichts für eine ertragreiche Arbeit erteile ich Ihnen, verehrter Herr Generalminister, den Referenten und allen Teilnehmern des Kongresses ebenso wie der Stiftung »Johannes Paul II.«, die großherzig zu seiner Verwirklichung beigetragen hat, den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 28. Oktober 2008

  



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