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BOTSCHAFT VON PAPST BENEDIKT XVI.
AN DEN BISCHOF VON REGENSBURG, DR. GERHARD LUDWIG MÜLLER,
ZUM "KÖTZTINGER PFINGSTRITT"

 

Meinem verehrten Bruder
Dr. Gerhard Ludwig Müller
Bischof von Regensburg

Mit Freude habe ich davon Kenntnis erhalten, daß in diesem Jahr zum sechshundertsten Male der Kötztinger Pfingstritt begangen wird. Gerne verbinde ich mich mit Ihnen, Exzellenz, mit dem Klerus, den Vertretern des öffentlichen Lebens sowie mit allen Gläubigen in Ihrer Festfreude über dieses Jubiläum und übermittle Ihnen allen herzliche Segenswünsche.

Seit 600 Jahren zieht dieser festliche Ritt von Bad Kötzting nach Steinbühl und wieder zurück – und doch war der erste Ritt im Jahre 1412 so ganz anders. Ein Priester war zu einem Sterbenden gerufen worden, um ihm zum letzten Mal vor seinem Hinscheiden die heilige Kommunion zu reichen. Einige mutige junge Männer hatten sich bereit erklärt, den Priester auf dem gefahrvollen Ritt durch Nacht und Dunkel zu begleiten. Als sie nach dem Versehgang wohlbehalten wieder nach Hause zurückgekehrt waren, hatten sie das Gelöbnis gemacht, zum dankbaren Gedenken an den Schutz des eucharistischen Herrn diesen Ritt jährlich in feierlicher Form zu begehen. Dieser Tradition sind die Bad Kötztinger und die Gläubigen des Umlandes über Jahrhunderte treu geblieben.

Was hat damals den Priester bewogen, unter Todesgefahr, unter Einsatz seines eigenen Lebens dem Sterbenden den Leib des Herrn zu bringen? War es nicht der tiefe Glaube an das Wort des Herrn, der in der eucharistischen Rede seinen Jüngern verheißen hat: »Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag« (Joh 6,54)? Und als Seelsorger sah er sich verantwortlich für das geistliche Wohl des ihm Anvertrauten. Der Sterbende sollte seinen letzten irdischen Gang nicht alleine antreten, er sollte Weggemeinschaft mit seinem Erlöser und Heiland haben. Immer wieder haben die Gläubigen auf Sterbebildchen ihr Vertrauen an die helfende Gegenwart des Herrn bekundet: »Versehen mit den heiligen Sterbesakramenten« oder »Versehen mit den Tröstungen der heiligen Religion«. So darf uns diese Begebenheit erneut an unsere eigene Verantwortung erinnern, die Priester um die Sakramente für unsere sterbenden Mitchristen zu bitten.

Diese Nacht des ersten Ritts zeigt uns aber auch die Bedeutung der heiligen Eucharistie für die Lebenden, für uns. Damals war wohl für den Priester und seine mutigen Begleiter gerade der in der Gestalt des Brotes wirklich gegenwärtige Herr eine Quelle der Kraft und des Trostes. Sie wußten, wir sind nicht allein. Der Herr ist wirklich bei uns. Gott schützt uns, und wir sind in ihm geborgen. Liebe Brüder und Schwestern! Der Kötztinger Pfingstritt ist daher Ausdruck einer tief in das Herz gelegten Frömmigkeit und ein Zeugnis für den Glauben an Jesus Christus, der uns mit seinem Blut erlöst hat. Der Gang über die Fluren eurer Heimat ist zudem ein leuchtendes Zeichen für die Verbundenheit mit den Menschen, ihrer Arbeit und der ganzen Schöpfung, die sich verwiesen weiß auf den Ursprung und Vollender des Lebens. Indem wir den Herrn begleiten auf seinen Wegen, gestaltet er uns zu seinem Leib, der die Kirche ist, und führt uns heraus aus der Vereinzelung hinein in die alles umgreifende Gemeinschaft der Kinder Gottes. Um so schöner ist es, daß der Kötztinger  Pfingstritt durch bischöfliches Mandat wieder zur eucharistischen Prozession erhoben wurde, um zum Ausdruck zu bringen, daß der im heiligen Altarssakrament gegenwärtige Herr die Mitte unseres Lebens ist. Christus will unser ganzes Leben durch seine Gnade fruchtbar machen. Das geschieht in besonderer Weise durch die sonntägliche Eucharistiefeier. Kein Sonntag ohne heilige Messe! Scheuen wir – wie die ersten Kötztinger Reiter mit ihrem Priester – keinen Aufwand, um bei Christus zu sein. Er muß »Quelle und Höhepunkt unseres ganzen christlichen Lebens « (LG 11) bleiben, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt. Laßt uns immer zuerst Christus und sein Reich suchen, dann wird uns alles andere dazugegeben werden (vgl. Mt 6,32).

Vertrauen wir dem eucharistischen Herrn alle unsere Sorgen und Nöte an. In ihm wird alles zum Guten verwandelt, und wir finden Trost und Frieden. In der konsekrierten Brotsgestalt wissen wir den Auferstandenen gegenwärtig, der uns mit seinem Leben erfüllen will. Er ist die Wahrheit. Er kann uns in aller Zerrissenheit lehren, was gut und richtig ist, was die Liebe ist, das Einzige, was wirklich zählt und glücklich macht und die er selber ist. So finden wir in ihm, dem eucharistischen Herrn, alles Schöne, Wahre und Gute. Mit dem Wunsch, daß wir alle in dieser Freude immer tiefer wachsen, erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 24. Mai 2012

 

BENEDICTUS PP. XVI



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