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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN
DEN NEUEN BOTSCHAFTER VON ALGERIEN
BEIM HL. STUHL,
 IDRISS JAZAÏRY*

Donnerstag, 1. Dezember 2005

 

Herr Botschafter!

Mit Freude heiße ich Eure Exzellenz willkommen zur Übergabe des Beglaubigungsschreibens, das Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Algerien beim Heiligen Stuhl akkreditiert.

Ich danke Ihnen aufrichtig, Herr Botschafter, für die herzlichen Grußworte, die Sie in Ihrem eigenen Namen, im Namen des Präsidenten der Republik sowie im Namen der algerischen Regierung und des algerischen Volkes an mich gerichtet haben. Ich habe die Zeichen der Anteilnahme, die uns nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. aus Algerien erreichten, sehr geschätzt, insbesondere die Anwesenheit Seiner Exzellenz Herrn Abdelaziz Bouteflika bei den Exequien. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm im Gegenzug auch meine besten Wünsche übermitteln würden, vor allem für seine Gesundheit und für die Ausführung seiner hohen Mission im Dienst seiner Mitbürger. Ich bitte den Allerhöchsten, den Einsatz des algerischen Volkes zum Aufbau einer immer brüderlicheren und solidarischeren Nation zu segnen.

Herr Botschafter, Sie haben vorhin die schweren Gewalttätigkeiten, mit denen Ihr Land im Laufe der letzten Jahre konfrontiert worden ist, in Erinnerung gerufen. Nur eine echte Versöhnung kann es den Menschen ermöglichen, in Eintracht und Frieden miteinander zu leben. Verzicht auf Vergeltung und feste Entschlossenheit, den Weg der Vergebung zu gehen, sind die dem Menschen angemessenen Mittel zur Stärkung der Bande der Brüderlichkeit und Solidarität, wie schon mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. betonte: »Die Fähigkeit zur Vergebung liegt jedem Plan für eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft in der Zukunft zugrunde« (Botschaft zum Weltfriedenstag 2002, 9; in O.R. dt., Nr. 51/52, 21.12.2001, S. 10). Die Vergebung führt den einzelnen zu einer tieferen und reicheren Menschlichkeit, denn sie weckt das Beste in jedem Menschen. Eine solche Haltung, die den Menschen wachsen läßt, kann jedoch nicht von der Forderung nach Gerechtigkeit getrennt werden. Die Vergebung ist kein Zeichen der Schwäche und kann die berechtigten Ansprüche der Opfer von Ungerechtigkeiten mit ihren Forderungen nach Anerkennung ihrer Rechte und Wiedergutmachung der erlittenen Schäden nicht außer acht lassen. Die Vergebung ist gewissermaßen die Vervollkommnung der schwachen und unvollkommenen menschlichen Gerechtigkeit, denn sie ermöglicht eine Heilung der Wunden, die zuweilen tief im Innern der Menschen dauerhafte Spuren hinterlassen haben, und kann destabilisierte zwischenmenschliche Beziehungen bestmöglich wiederherstellen.

Um den heiligen Wert des Menschen zu verteidigen und den Respekt gegenüber anderen Menschen und die Religionsfreiheit zu fördern, ist es daher notwendig, den jungen Generationen den Geist der Versöhnung und Gerechtigkeit zu vermitteln, vor allem in den Familien und Schulen. Auf diese Weise können die Gesellschaften Fortschritte machen in Solidarität und Brüderlichkeit, damit die Gewalt als Mittel zur Lösung für die Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, keine Unterstützung mehr findet und die Religion niemals benutzt wird, um eine derartige Wahl zu rechtfertigen oder Ungleichheiten zwischen den Menschen zu schaffen.

Herr Botschafter, Sie haben die großen Vertreter des Friedens und der Versöhnung zwischen den Gemeinschaften in Erinnerung gerufen, die Ihre Landesgeschichte in Vergangenheit und Gegenwart geprägt haben. Erst kürzlich hat die Kirche Charles de Foucauld besonders geehrt, der in Ihrem Land gelebt hat und als »Bruder aller Menschen« allen nahe sein wollte. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, möchte die katholische Kirche einen offenen und aufrichtigen Dialog mit den Gläubigen der anderen Religionen pflegen, auf der Suche nach dem wahren Wohl des Menschen und der Gesellschaft. Daher freue ich mich zu erfahren, daß es gute Beziehungen zwischen der katholischen und der muslimischen Gemeinschaft in Ihrem Land gibt. Die Begegnung der Gläubigen unterschiedlicher Religionen in der Wahrheit ist eine große Herausforderung für die Zukunft des Friedens in der Welt, und sie erfordert viel Beharrlichkeit. Zur Überwindung von Unwissenheit und gegenseitigen Vorurteilen ist es wichtig, vertrauensvolle zwischenmenschliche Beziehungen zu schaffen, vor allem durch das Miteinander im Alltag und die gemeinsam ausgeführte Arbeit, damit der freie Ausdruck der konfessionellen Unterschiede kein Grund sei, einander gegenseitig auszugrenzen, sondern eher eine Gelegenheit, ein Leben in gegenseitiger Achtung der Identität des anderen zu erlernen.

Es ist mir eine Freude, durch Sie, Herr Botschafter, die um ihre Bischöfe vereinte katholische Gemeinschaft Algeriens herzlich grüßen zu können. Im Laufe der letzten Jahre hat sie die Prüfungen des algerischen Volkes mutig mitgetragen und so ein bedeutsames Zeugnis der weltumspannenden Brüderlichkeit abgelegt. Sie möchte ihre Sendung für das Wohl des ganzen Landes hochherzig fortsetzen.

Herr Botschafter, heute beginnen Sie Ihre hohe Mission als Vertreter Ihrer Nation beim Heiligen Stuhl. Nehmen Sie dazu meine besten Wünsche für ein gutes Gelingen entgegen, und seien Sie versichert, daß Sie bei meinen Mitarbeitern stets Verständnis und die nötige Unterstützung finden werden!

Auf Eure Exzellenz, seine Familie und Mitarbeiter, auf alle seine Landsleute und ihre Obrigkeiten rufe ich von ganzem Herzen die Fülle des göttlichen Segens herab.


*L'Osserevatore Romano 2006 n. 5 p. 10.

 

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