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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI. 
AN DIE ZWEITE GRUPPE POLNISCHER BISCHÖFE
ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Samstag, 3. Dezember 2005

  

Liebe Brüder im Bischofsamt!

Ich heiße euch alle herzlich willkommen. Es ist mir eine Freude, die zweite Gruppe polnischer Bischöfe, die zu ihrem »Ad-limina«-Besuch hierhergekommen sind, zu Gast zu haben.

1. Die Neuevangelisierung

Bei seiner ersten Pilgerreise nach Polen sagte Johannes Paul II.: »Vom Kreuz in Nowa Huta nahm eine neue Mission des Evangeliums ihren Ausgang: die Evangelisierung des zweiten Milleniums. Ihr Zeuge und Zeichen ist auch diese Kirche. Sie ist aus lebendigem, bewußtem und verantwortlichem Glauben hervorgewachsen – und muß ihm weiter dienen. Die Mission des Evangeliums für das neue Jahrtausend muß an der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils anknüpfen. Sie muß, wie das Konzil lehrt, ein gemeinsames Werk von Bischöfen und Priestern, von Ordensleuten und Laien sein: ein Werk der Eltern und der Jugend« (9. Juni 1979; O.R. dt., Nr. 26, 29.6.1979, S. 8).

Das war damals, wenn auch nicht der erste, so doch einer der ersten Beiträge meines großen Vorgängers zum Thema Neuevangelisierung. Er sprach vom zweiten Jahrtausend, aber es besteht kein Zweifel, daß er bereits an das dritte dachte. Unter seiner Führung sind wir in dieses neue Jahrtausend des Christentums eingetreten, während wir uns die ständige Aktualität seiner Aufforderung zu einer Neuevangelisierung bewußt machen. Das Ziel legte er mit den kurzen Worten fest: Weckung eines »lebendigen, bewußten und verantwortlichen Glaubens«. In der Folge betonte er immer wieder, daß dies das gemeinsame Werk der Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien sein müsse.

Diesem Thema möchte ich mich heute zusammen mit euch, liebe Brüder, widmen. Wir wissen sehr wohl, daß der Hauptverantwortliche für die Glaubensverkündigung der Bischof ist, dem »tria munera« auf die Schultern gelegt sind: die Aufgabe des Propheten, des Priesters und des Hirten. In seinem Buch Auf, laßt uns gehen! – besonders in den Kapiteln »Hirt«, »Ich kenne meine Schafe« und »Die Ausspendung der Sakramente« – hat Johannes Paul II. in Erinnerung an seine eigene Erfahrung die Zielsetzung des Weges des Bischofsamtes umrissen, damit es gute Früchte bringe. Es ist nicht notwendig, jetzt die einzelnen Schritte seiner Überlegungen wiederzugeben. Wir können alle auf das Erbe zurückgreifen, das er uns hinterlassen hat, und reichlich aus seinem Zeugnis schöpfen. Sein Verantwortungsbewußtsein für die Kirche und für die der Sorge des Bischofs anvertrauten Gläubigen sei für uns Vorbild und Ansporn.

2. Die Diözesanpriester

Die ersten Mitarbeiter des Bischofs bei der Erfüllung seiner Aufgaben sind die Priester; ihnen sollte daher noch vor allen anderen die Sorge des Bischofs gelten. Johannes Paul II. schrieb: »Mit seinem eigenen Lebensstil zeigt der Bischof, daß ›das Vorbild Christus‹ nicht überholt ist; auch unter den gegenwärtigen Bedingungen bleibt es stets aktuell. Man kann sagen, daß eine Diözese die Seinsweise ihres Bischofs widerspiegelt. Seine Tugend – seine Keuschheit, die Verwirklichung der Armut, der Geist des Gebetes, die Einfachheit, das feine Gewissen – schreiben sich in gewissem Sinne in die Herzen der Priester ein, die dann ihrerseits diese Werte auf die ihnen anvertrauten Gläubigen übertragen: Auf diese Weise werden die Jugendlichen angezogen, auf den Ruf Christi eine großherzige Antwort zu geben« (Auf, laßt uns gehen!, S. 136).

Das Vorbild des Bischofs ist äußerst wichtig: Dabei geht es nicht allein um einen einwandfreien Lebensstil, sondern auch um die aufmerksame Sorge, damit die christlichen Tugenden, von denen Johannes Paul II. schrieb, tief in die Seele der Priester seiner Diözese eindringen. Deshalb sollte der Bischof auf die Qualität der Ausbildung im Priesterseminar sein besonderes Augenmerk richten. Dabei gilt es nicht nur die intellektuelle Vorbereitung der künftigen Priester auf ihre späteren Aufgaben zu berücksichtigen, sondern auch ihre spirituelle und emotionale Formung. Bei der Synode im Jahr 1991 baten die Bischöfe um eine größere Anzahl von Spiritualen in den Seminaren, die gut auf die anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet sein sollten, den Geist der Seminaristen zu formen und ihre affektive Eignung für die Übernahme der priesterlichen Aufgaben zu prüfen. Es ist der Mühe wert, auf dieses bischöfliche Ersuchen zurückzukommen. Kürzlich ist das Dokument der Kongregation für das katholische Bildungswesen über die Zulassung der Kandidaten zu den heiligen Weihen veröffentlicht worden. Ich bitte euch, liebe Brüder, alles darin Gesagte umzusetzen.

Wichtig ist, daß der intellektuelle und geistliche Ausbildungsprozeß nicht mit dem Seminar endet. Eine ständige priesterliche Weiterbildung ist unbedingt notwendig. Ich weiß, daß man diesem Umstand in den polnischen Diözesen große Bedeutung beimißt. Es werden Kurse, Einkehrtage, Exerzitien und andere Begegnungen organisiert, wo sich die Priester über ihre Probleme und ihre pastoralen Erfolge miteinander austauschen und sich gegenseitig im Glauben und in der Begeisterung für die Seelsorge bestärken können. Ich bitte euch, diese Praxis fortzusetzen.

Der Bischof als Hirt ist seinerseits gerufen, seine Priester mit väterlicher Sorge zu umgeben. Er sollte seine Verpflichtungen so regeln, daß er Zeit für die Priester hat, um ihnen aufmerksam zuzuhören und ihnen bei Schwierigkeiten zu helfen. Im Fall einer Berufungskrise, für die die Priester anfällig sein können, sollte der Bischof alles ihm Mögliche tun, um ihnen beizustehen und ihnen ihren ursprünglichen Elan und die Liebe zu Christus und zur Kirche wiederzugeben. Selbst wenn mahnende Worte notwendig sind, darf die väterliche Liebe nicht fehlen.

Ich danke Gott dafür, daß er Polen nach wie vor die Gnade zahlreicher Berufungen schenkt. Besonders die Region im Süden des Landes, die ihr, liebe Brüder, repräsentiert, ist in dieser Hinsicht reich. Während ich die enormen Bedürfnisse der Universalkirche vor Augen habe, bitte ich euch: Ermutigt eure Priester dazu, den missionarischen Dienst zu ergreifen oder in Ländern, in denen Priestermangel herrscht, die Seelsorgearbeit zu übernehmen. Das scheint heute nämlich eine besondere Aufgabe, ja in gewissem Sinn sogar eine Pflicht der Kirche in Polen zu sein. Wenn ihr die Priester allerdings ins Ausland, besonders in die Missionen, schickt, vergeßt nicht, die geistliche Unterstützung und eine ausreichende materielle Hilfe für sie sicherzustellen.

3. Die Ordensgemeinschaften

Johannes Paul II. schrieb: »Die Orden haben mir nie das Leben schwer gemacht. Zu allen hatte ich gute Beziehungen und erkannte in ihnen eine große Hilfe für die Sendung des Bischofs. Ich denke auch an jene großen Reserven an geistlicher Energie, die die kontemplativen Orden darstellen« (ebd., S. 128).

Die Vielfalt der Charismen und Dienste, die die Ordensmänner und Ordensfrauen oder die Mitglieder der Laieninstitute für das geweihte Leben erfüllen, ist ein großer Reichtum der Kirche. Der Bischof kann und soll sie ermutigen, sich in das Evangelisierungsprogramm der Diözese einzubringen und in Zusammenarbeit mit den Priestern und mit den Laiengemeinschaften ihrem Charisma entsprechend pastorale Aufgaben zu übernehmen. Die Ordensgemeinschaften und die einzelnen Ordensleute unterstehen von Rechts wegen zwar den eigenen Oberen, aber »in dem, was die Seelsorge, die öffentliche Abhaltung des Gottesdienstes und andere Apostolatswerke betrifft, unterstehen sie der Gewalt der Bischöfe«, wie es der Codex des kanonischen Rechtes formuliert (CIC, can. 678 §1). Außerdem fordert der Codex die Diözesanbischöfe und die Ordensoberen auf, »bei der Regelung der Apostolatswerke der Ordensleute […] im gegenseitigen Meinungsaustausch vorzugehen« (can. 678, § 3).

Ich ermutige euch sehr, liebe Brüder, die weiblichen Ordensgemeinschaften in eurer Diözese mit eurer Sorge zu umgeben. Die Schwestern, die verschiedene Dienste in der Kirche wahrnehmen, verdienen Hochachtung, und ihre Arbeit soll anerkannt und entsprechend geschätzt werden. Sie dürfen nicht ohne angemessene geistliche Unterstützung und ohne Möglichkeit zu intellektueller Entfaltung und Wachstum im Glauben bleiben.

Besonders lege ich euch das Schicksal der kontemplativen Orden ans Herz. Mögen ihre Anwesenheit in der Diözese, ihr Gebet und ihr Verzicht stets Stütze und Hilfe für euch sein. Versucht eurerseits, ihren Bedürfnissen, auch den materiellen, entgegenzukommen.

In den letzten Jahren ist leider ein Rückgang von Ordensberufungen, besonders bei Frauen, zu beobachten. Man wird also zusammen mit den verantwortlichen Ordensoberen über die Ursachen dieses Umstandes nachdenken und sich überlegen müssen, wie man neue Berufungen von Frauen wecken und tatkräftig unterstützen könnte.

4. Die Laien

In die Betrachtung über die Rolle der Laien in der Evangelisierungsarbeit sollen uns die Worte meines großen Vorgängers einführen: »Die Laien können die eigene Berufung in der Welt verwirklichen und zur Heiligkeit gelangen, nicht nur, indem sie sich aktiv zugunsten der Armen und Notleidenden einsetzen, sondern auch, indem sie durch die Erfüllung ihrer beruflichen Pflichten und das Zeugnis eines beispielhaften Familienlebens die Gesellschaft mit christlichem Geist beleben « (ebd., S. 123).

In Zeiten, in denen – wie Johannes Paul II. schrieb – »die europäische Kultur den Eindruck einer ›schweigenden Apostasie‹ seitens des satten Menschen erweckt, der lebt, als ob es Gott nicht gäbe« (Ecclesia in Europa, Nr. 9), hört die Kirche nicht auf, der Welt zu verkünden, daß Jesus Christus die Hoffnung ist. In diesem Tun ist die Rolle der Laien unersetzlich. Ihr Glaubenszeugnis ist besonders vielsagend und wirksam, weil es in der Alltagswirklichkeit und in den Bereichen abgelegt wird, zu denen ein Priester kaum Zugang hat.

Eines der Hauptziele der Tätigkeit der Laien ist die moralische Erneuerung der Gesellschaft. Sie darf nicht oberflächlich, bruchstückhaft und vorläufig sein. Sie sollte sich durch eine tiefgreifende Wandlung im Ethos der Menschen auszeichnen, das heißt durch die Annahme einer konstruktiven Hierarchie der Werte, nach der sich das Verhalten herausbildet.

Die besondere Aufgabe der Laien ist die Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben. In dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Christifideles laici erwähnte Johannes Paul II., daß »alle und jeder einzelne das Recht und die Pflicht haben, sich an der Politik zu beteiligen« (Nr. 42). Die Kirche identifiziert sich mit keiner Partei, mit keiner politischen Gemeinschaft und mit keinem politischen System. Sie erinnert hingegen immer daran, daß die im politischen Leben engagierten Laien ein mutiges und deutliches Zeugnis von den christlichen Werten ablegen sollen, die im Fall ihrer Bedrohung bekräftigt und verteidigt werden müssen. Das sollen sie in der Öffentlichkeit tun, sowohl in den politischen Debatten wie in den Massenmedien. Eine der wichtigen Aufgaben, die aus dem europäischen Integrationsprozeß herrühren, ist das mutige und eifrige Bemühen um die Bewahrung der katholischen und nationalen Identität der Polen. Der von den katholischen Laien geführte Dialog über politische Fragen wird sich als wirksam erweisen und dem Gemeinwohl dienen, wenn ihm die Liebe zur Wahrheit, der Geist des Dienens und die Solidarität im Einsatz für das Gemeinwohl zugrunde liegen. Ich ermuntere euch, liebe Brüder, diesen Dienst der Laien in der Achtung für eine richtig verstandene politische Autonomie zu unterstützen.

Ich habe nur einige Formen des Engagements der Laien in der Evangelisierungsarbeit genannt. Die anderen, wie die Familienpastoral, die Jugendpastoral oder die karitative Arbeit, werden Thema einer weiteren Betrachtung bei der Begegnung mit der dritten Gruppe der polnischen Bischöfe sein. Nun wünsche ich euch, daß eine harmonische Zusammenarbeit der Angehörigen aller Lebensstände in der Kirche unter eurer erleuchteten Führung Früchte der Veränderung der Welt im Geist des Evangeliums Christi hervorbringe.

Während ich euren bischöflichen Dienst der Muttergottes anvertraue, segne ich euch alle herzlich. Gelobt sei Jesus Christus!

    

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