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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN
AMITAVA TRIPATHI,
NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK INDIEN*

 Clementina-Saal
Donnerstag, 18. Mai 2006

 

Exzellenz!

Mit Freude begrüße ich Sie im Vatikan zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Indien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen herzlich für die Grüße, die Sie mir von seiten der Regierung Indiens und des indischen Volkes überbracht haben, und bitte Sie höflichst, Präsident Abdul Kalam meine Grüße und die Versicherung meines Gebetes für den Frieden und das Wohlergehen der Nation und ihrer Bewohner zu übermitteln.

Indiens stetes Bemühen um den Aufbau einer demokratischen und freien Gesellschaft gründet auf der Überzeugung der Nation, daß es geboten ist, die Vielfalt der Kulturen, Religionen und ethnischen Gruppen zu achten, aus denen sie sich zusammensetzt und die die Bestrebungen ihrer Söhne und Töchter prägt. Die Menschen Indiens sind mit Recht stolz auf die Stabilität ihrer politischen Institutionen, während sie sich gleichzeitig der beachtlichen Herausforderungen bewußt sind, denen sie gegenüberstehen: der Förderung der Gerechtigkeit, der Bekämpfung jeder Form von Gewalt und Extremismus und der Schaffung einer Atmosphäre des ruhigen und respektvollen Dialogs, der Zusammenarbeit und des Wohlwollens zwischen den verschiedenen Gruppen in dieser sehr großen und vielfältigen Gesellschaft. Während sich die Nation weiterhin eines bedeutenden Wirtschaftswachstums erfreut, sollten diese demokratischen Werte als Anregung und sichere Grundlage für eine gesunde Sozialpolitik dienen, die darauf abzielt, allen Bürgern am Wachstum Anteil zu schenken und seine Vorteile allen zugute kommen zu lassen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen versichern, daß die katholische Gemeinschaft Indiens den Wunsch besitzt, im Geiste der Zusammenarbeit und der Sorge für das Gemeinwohl sich ganz in das Leben der Nation einzubringen. Sie, Herr Botschafter, haben den Beitrag gewürdigt, den die geistlichen Erben des heiligen Apostels Thomas und des hl. Franz Xaver zum Wachstum des modernen Indien geleistet haben, vor allem im Bereich der Erziehung und der menschlichen Entwicklung. Die Kirche betrachtet diese Arbeit als grundlegenden Teil ihres Auftrags, die angeborene Würde und die Rechte jedes Menschen, der als Abbild Gottes, ihm ähnlich, geschaffen ist, zu verkünden, sowie als wichtigen Dienst am Aufbau einer gerechten, friedlichen und pluralistischen Gesellschaft. Wenn die Gaben und Talente aller Bürger, der Männer und Frauen, der Jungen und Alten, der Wohlhabenden ebenso wie der Armen, geschätzt und entwickelt werden, wird der ganzen Nation der Weg in eine Zukunft des Gedeihens und der sozialen Eintracht geebnet.

Ich weiß Ihre Bezugnahme auf das reiche geistliche Erbe Indiens und die Verpflichtung zu religiöser Toleranz und Achtung sehr zu schätzen. In Anbetracht dieser Verpflichtung sollte kein Bürger Indiens, besonders die Schwachen und Unterprivilegierten, jemals aus irgendeinem Grunde Diskriminierung erfahren – vor allem nicht wegen des ethnischen oder religiösen Hintergrundes oder der gesellschaftlichen Stellung. Die vor kurzem erfolgte Wiedererrichtung des Nationalen Integrationsrates und die Schaffung des Ministeriums für Minderheitenfragen in diesem Jahr bieten praktische Mittel für die Aufrechterhaltung der verfassungsmäßig garantierten Gleichheit aller religiösen und sozialen Gruppen. Während sie das Recht jedes Bürgers und jeder Bürgerin auf das Bekenntnis und die Ausübung seines oder ihres Glaubens schützen, unterstützen sie auch die Bemühungen, Brücken zu schlagen zwischen den Minderheiten und der indischen Gesellschaft als ganzer und fördern so die nationale Integration und die Beteiligung aller an der Entwicklung des Landes. Die besorgniserregenden Anzeichen religiöser Intoleranz, die in einigen Regionen der Nation Unruhe gestiftet haben, einschließlich des zu mißbilligenden Versuches, deutlich diskriminierende Einschränkungen bezüglich des Grundrechtes der Religionsfreiheit gesetzlich festzuschreiben, müssen entschieden verworfen werden, da sie nicht nur verfassungswidrig sind, sondern auch im Gegensatz stehen zu den höchsten Idealen der Gründerväter Indiens, die an eine Nation glaubten, in der die verschiedenen Religionen und ethnischen Gruppen in friedlicher Koexistenz und gegenseitiger Toleranz leben.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, wie sehr der Heilige Stuhl den Wunsch Indiens schätzt, auf dem Verhandlungsweg und mit friedlichen Mitteln den langjährigen Konflikt mit dem Nachbarland Pakistan beizulegen. Das Erdbeben in Kaschmir im vergangenen Jahr mit seinen tragischen Verlusten an Menschenleben und der großen materiellen Zerstörung ließ die dringende Notwendigkeit deutlich werden, durch gemeinsame Bemühungen der Notlage entgegenzutreten, Hilfe für die Opfer bereitzustellen und die gewaltigen Wiederaufbauarbeiten in Angriff zu nehmen. Die Verstärkung von Dialog und Zusammenarbeit sollte außerdem dazu beitragen, sich weiteren Herausforderungen in der Region zu stellen, auch der Bedrohung durch die Gewalt, die mit politischem und religiösem Extremismus verbunden ist. Wie die Erfahrung zeigt, läßt sich dieses beunruhigende Phänomen, das häufig die Folge von Armut, fehlender Schulbildung und mangelnder Achtung der Rechte anderer ist, am besten mit vereinten Kräften bekämpfen, um die zugrundeliegenden sozialen Probleme an ihren Wurzeln zu lösen. Dort, wo die angeborene Würde und Freiheit jedes Mannes und jeder Frau auf allen Ebenen der Gesellschaft anerkannt, geachtet und gefördert werden, sind die Grundlagen gelegt für eine Zukunft der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens.

Exzellenz, ich bitte Sie, jetzt, zu Beginn ihrer Sendung als Vertreter der Republik Indien beim Heiligen Stuhl, meine persönlichen guten Wünsche für den Erfolg Ihrer wichtigen Arbeit entgegenzunehmen. Seien Sie versichert, daß Sie stets auf die Ämter der Römischen Kurie zählen können, die sie bei der Ausübung Ihrer hohen Verantwortung unterstützen werden. Auf Sie und Ihre Familie sowie auf das ganze geliebte indische Volk rufe ich von Herzen den reichen Segen des allmächtigen Gottes herab.


*L'Osservatore Romano n. 32-33 p. 9.

 

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