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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DES
PÄPSTLICHEN RATES FÜR DEN INTERRELIGIÖSEN DIALOG

Samstag, 7. Juni 2008

 

Eminenz,
liebe Brüder im bischöflichen Dienst,
meine Damen und Herren!

Ich freue mich, daß ich die Gelegenheit habe, euch zum Abschluß der zehnten Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog zu begegnen. Euch allen, die ihr an dieser wichtigen Zusammenkunft teilgenommen habt, möchte ich meine herzlichen Grüße aussprechen. Ich danke vor allem Kardinal Jean-Louis Tauran für seine freundlichen Worte.

»Dialog in veritate et caritate (in Wahrheit und Liebe) – Pastorale Orientierungen « lautet das Thema eurer Vollversammlung. Ich freue mich zu erfahren, daß ihr im Laufe dieser Tage versucht habt, zu einem tieferen Verständnis der Begegnung der katholischen Kirche mit Menschen anderer religiöser Überlieferungen zu kommen. Ihr habt die umfassendere Absicht des Dialogs – die Wahrheit zu entdecken – und seinen Beweggrund untersucht, der die Liebe ist, im Gehorsam gegenüber dem göttlichen Auftrag, welcher der Kirche von unserem Herrn Jesus Christus anvertraut ist.

Bei meiner Amtseinführung habe ich erklärt, »daß die Kirche auch weiterhin Brücken der Freundschaft mit den Anhängern aller Religionen bauen will, um das wahre Wohl jedes Menschen und der ganzen Gesellschaft zu suchen« (Begegnung mit Vertretern verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften sowie anderer religiöser Traditionen, in O.R. dt., Nr. 20, 20.5.2005, S. 8). Durch den Dienst der Nachfolger des Petrus, einschließlich der Arbeit des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog sowie der Bemühungen der Ortsbischöfe und des Gottesvolkes auf der ganzen Welt, reicht die Kirche den Anhängern anderer Religionen weiter die Hand. Auf diese Weise verleiht sie diesem Wunsch nach Begegnung und Zusammenarbeit in Wahrheit und Frieden Ausdruck. Nach den Worten meines verehrten Vorgängers Papst Paul VI. hat die Kirche vor allem die Verantwortung, der Wahrheit zu dienen – »Wahrheit über Gott, Wahrheit über den Menschen und seine geheimnisvolle Bestimmung, Wahrheit über die Welt, eine schwierige Wahrheit, die wir im Wort Gottes suchen« (Evangelii nuntiandi, 78).

Menschen suchen Antworten auf einige der grundlegenden existentiellen Fragen: Was ist der Ursprung und die Bestimmung der Menschen? Was ist Gut und Böse? Was erwartet die Menschen nach dem Ende ihres irdischen Daseins? Alle Menschen haben die natürliche Aufgabe und die moralische Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen. Wenn diese einmal erkannt ist, sind sie gebunden, an ihr festzuhalten und ihr ganzes Leben in Übereinstimmung mit ihren Forderungen zu gestalten (vgl. Nostra Aetate, 1; Dignitatis humanae, 2).

Liebe Freunde, »Caritas Christi urget nos« (2 Kor 5,14). Es ist die Liebe Christi, welche die Kirche drängt, jedem Menschen, ohne Unterschiede, über die Grenzen der sichtbaren Kirche hinaus die Hand zu reichen. Die Quelle der kirchlichen Sendung ist die göttliche Liebe. Diese Liebe wird in Christus offenbart und durch das Wirken des Heiligen Geistes gegenwärtig gemacht. Alle Aktivitäten der Kirche müssen von Liebe durchdrungen sein (vgl. Ad gentes, 2–5; Evangelii nuntiandi, 26, Dialog und Mission, 9).

So ist es die Liebe, die jeden Gläubigen drängt, dem anderen zuzuhören und nach Bereichen der Zusammenarbeit zu suchen. Sie ermutigt die christlichen Partner im Dialog mit den Anhängern anderer Religionen, den Glauben an Christus, der »der Weg und die Wahrheit und das Leben « (Joh 14,6) ist, vorzuschlagen, aber nicht aufzuzwingen. Wie ich in meinen jüngsten Enzykliken gesagt habe, hat uns der christliche Glaube gezeigt, »daß Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe nicht bloß Ideale, sondern Wirklichkeit dichtester Art sind« (Spe salvi, 39). »Der Liebesdienst ist für die Kirche nicht eine Art Wohlfahrtsaktivität, die man auch anderen überlassen könnte, sondern er gehört zu ihrem Wesen, ist unverzichtbarer Wesensausdruck ihrer selbst« (Deus caritas est, 25).

Die große Zunahme interreligiöser Treffen überall auf der Welt ruft heute nach Unterscheidung. In dieser Hinsicht freue ich mich festzustellen, daß ihr im Laufe dieser Tage über pastorale Orientierungen für den interreligiösen Dialog nachgedacht habt. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die Aufmerksamkeit auf geistliche Elemente gerichtet worden, welche den verschiedenen religiösen Traditionen gemeinsam sind. Auf vielerlei Weise hat das geholfen, Brücken des Verständnisses über religiöse Grenzen hinweg zu bauen. Während eurer Diskussionen habt ihr einige Punkte von praktischem Interesse in den interreligiösen Beziehungen betrachtet: die Identität der Dialogpartner, die religiöse Erziehung in den Schulen, Bekehrung, Proselytismus, Reziprozität, Religionsfreiheit und die Rolle religiöser Führer in der Gesellschaft. Das sind wichtige Fragen, die von religiösen Führern, die in pluralistischen Gesellschaften leben und arbeiten, genau beachtet werden müssen.

Es ist wichtig, die Notwendigkeit der Ausbildung derjenigen herauszustellen, die den interreligiösen Dialog voranbringen. Wenn der Dialog authentisch sein soll, muß es sich um einen Weg des Glaubens handeln. Wie notwendig ist es daher für die Beförderer des Dialogs, in ihrem eigenen Glauben gut ausgebildet und über den Glauben anderer gut informiert zu sein. Aus diesem Grund ermutige ich die Bemühungen des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog, Ausbildungskurse und -programme zum interreligiösen Dialog für verschiedene christliche Gruppen zu organisieren, vor allem für Seminaristen und junge Menschen in den Hochschulbildungseinrichtungen.

Interreligiöse Zusammenarbeit schafft Möglichkeiten, die höchsten Ideale jeder religiösen Tradition zum Ausdruck zu bringen. Hilfe für die Kranken, Beistand für die Opfer von Naturkatastrophen oder Gewalt, Sorge für die alten und armen Menschen: dies sind einige der Bereiche, in denen Menschen verschiedener Religionen zusammenarbeiten. Ich ermutige alle, die von der Lehre ihrer Religion dazu bewegt werden, den leidenden Mitgliedern der Gesellschaft zu helfen.

Liebe Freunde, zum Ende eurer Vollversammlung danke ich euch für die Arbeit, die ihr geleistet habt. Ich bitte euch, eurer christlichen Herde und allen unseren Freunden anderer Religionen die Botschaft guten Willens des Nachfolgers Petri zu überbringen. Gerne erteile ich euch meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Gnade und des Friedens in Jesus Christus, unserem Herrn und Heiland.

 

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