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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN WESLEY MOMO JOHNSON,
NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK LIBERIA
BEIM HL. STUHL*

Donnerstag, 29. Mai 2008

 

Exzellenz!

Ich freue mich, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, das Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Liberia beim Heiligen Stuhl akkreditiert. Ich danke Ihnen für die Übermittlung der guten Wünsche von seiten Ihrer Präsidentin, Frau Ellen Johnson-Sirleaf. Bitte überbringen Sie Ihrer Exzellenz meine herzlichen Grüße und versichern Sie sie meines ständigen Gebets für das ganze Volk Ihrer Nation.

Seien Sie versichert, Herr Botschafter, daß der Heilige Stuhl seinen diplomatischen Beziehungen zu Ihrem Land großen Wert beimißt und ihrer Weiterentwicklung in den kommenden Jahren erwartungsvoll entgegensieht. Die internationale Gemeinschaft strebt danach, ihre humanitären Verpflichtungen gegenüber den Menschen in Afrika zu erfüllen und der Heilige Stuhl blickt mit besonderer Sorge auf die vielen Bürger Liberias, die verarmt sind aufgrund des blutigen Konflikts, der über so viele Jahre hinweg Ihr Land verwüstet hat. Seit zwei Jahren gibt es eine stabile gewählte Regierung, und seitdem wurden bedeutende Fortschritte beim Wiederaufbau gemacht, einer sehr schwierigen Aufgabe. Mit Freude habe ich die Entscheidung des Internationalen Währungsfonds im vergangenen November aufgenommen, Schritte zu unternehmen, um Liberias Schulden zu tilgen. Das ist wirklich eine gute Nachricht, und es ist sehr zu hoffen, daß die Anzeichen für das wirtschaftliche Wachstum, die in letzter Zeit erkennbar sind, sich in den kommenden Jahren festigen werden. Nach Jahrzehnten des Krieges und der Instabilität haben die Menschen Ihres Landes einen Anspruch darauf, von der Armut, der Nahrungsmittelunsicherheit und der Arbeitslosigkeit, die so lange auf ihnen gelastet haben, befreit zu werden. Ich bin sicher, daß Ihr Volk sich bewußt ist, daß man nur dann zu einer friedlichen und gedeihlichen Zukunft gelangen kann, wenn man ernsthaft versucht, die Versäumnisse der Vergangenheit anzuerkennen und die im Bürgerkrieg zugefügten Wunden zu heilen. Der »Wahrheits- und Versöhnungsprozeß« ist in Liberia ebenso wie in anderen afrikanischen Ländern ein mutiger und notwendiger Schritt auf dem Weg zur nationalen Erneuerung, und wenn er mit Rechtschaffenheit und Entschlossenheit verfolgt wird, kann er nur zu einer Stärkung der Werte führen, von denen die zivilisierte Gesellschaft abhängt. Wenn die Menschen einer Nation Zeugen der Gewalt, der Mißwirtschaft und der Korruption geworden sind, die auf den höchsten Ebenen der Gesellschaft ungestraft praktiziert wurden, dann ist es nicht leicht, wieder Vertrauen in den Regierungsapparat zu gewinnen. Es ist freilich verlockend, sich ganz aus dem nationalen Leben zurückzuziehen und nur nach der Förderung der eigenen Interessen oder derer der eigenen Region oder ethnischen Gruppe zu trachten. Eine solche Cliquenwirtschaft muß überwunden werden durch einen erneuerten Einsatz für die Förderung des Gemeinwohls aller Bürger, durch tiefen Respekt gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft, ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Bindungen, und durch die Bereitschaft, die eigenen Talente und Mittel so einzubringen, daß sie dem größeren Wohlergehen und Gedeihen anderer dienen.

In meiner Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages zu Beginn dieses Jahres habe ich die Bedeutung der Familie als Grundbaustein der Gesellschaft hervorgehoben, denn hier können die wesentlichen Werte für das friedliche Zusammenleben erlernt und dann an zukünftige Generationen weitergegeben werden. Durch das verantwortungsvolle und definitive Ja eines Mannes und einer Frau und das bewußte Ja der Kinder, die nach und nach zur Familie dazukommen, geben ihre Mitglieder ihre Zustimmung zum Aufbau des Gemeinwohls. Dadurch kann die ganze Gemeinschaft auf lokaler, nationaler und auch auf internationaler Ebene gedeihen (vgl. Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2008, 6). Ich weiß, daß die Menschen in Afrika dem Erhalt der familiären Bindungen großen Wert beimessen, und ich möchte Ihre Regierung ermutigen, die allseitige Unterstützung und Stärkung der Familie durch die Politik auch weiterhin zu gewährleisten. Nur so schafft man feste Grundlagen für die Erneuerung der sozialen Infrastruktur, die durch Jahrzehnte blutiger Auseinandersetzungen so großen Schaden erlitten hat.

Sie können sicher sein, Herr Botschafter, daß die Kirche in Liberia eifrig danach strebt, ihren Beitrag zu leisten zum Aufbau des Familienlebens sowie zum Angebot von Erziehung, Bildung und Gesundheitsfürsorge, die im ganzen Land so sehr gebraucht werden. Ich bin sehr dankbar für die anerkennenden Worte von Frau Präsidentin Johnson-Sirleaf über die Arbeit der Kirche auf diesem Gebiet in der Geschichte Liberias und auch über das mutige Zeugnis der Märtyrer, die sich dem Dienst am Land verschrieben haben, auch wenn sie das mit dem Leben bezahlen mußten. Die vielen Männer und Frauen – Priester, Ordensleute und gläubige Laien –, die heute in Ihrem Land mit Hingabe ihr Apostolat ausüben, engagieren sich nicht weniger für die Menschen, denen sie dienen, wie auch für die Förderung der Gerechtigkeit, des friedlichen Zusammenlebens und der Versöhnung zwischen den kriegführenden Parteien der jüngeren Vergangenheit.

Das Apostolat der Erziehung ist vielleicht ihre bedeutendste Investition in die Zukunft Liberias. Viele der Kinder und jungen Menschen Ihres Landes wurden durch die Kriegserfahrung traumatisiert, einige von ihnen waren gezwungen, Soldaten zu werden und ihre Ausbildung abzubrechen, was zu einem niedrigen Bildungsniveau in der Bevölkerung geführt hat. Unter diesen Umständen möchte die Kirche den Menschen Hoffnung bieten, ihnen Vertrauen in die Zukunft geben und ihnen zeigen, daß sie geliebt werden und daß für sie Sorge getragen wird – mit anderen Worten, sie möchte die Menschen zur Begegnung mit Christus, dem Erlöser der Menschheit, führen. Ich bin zuversichtlich, Exzellenz, daß die herzlichen Beziehungen zwischen Liberia und dem Heiligen Stuhl auf diese Weise reiche Frucht tragen werden für ein dauerhaftes Wachstum und Gedeihen Ihres geliebten Landes.

Mit meinen besten Wünschen für den Erfolg Ihrer Mission möchte ich Sie versichern, daß die verschiedenen Abteilungen der Römischen Kurie bereit sind, Ihnen Hilfe und Unterstützung bei der Erfüllung Ihrer Pflichten zu geben. Auf Eure Exzellenz, Ihre Familie und das ganze Volk von Liberia rufe ich von Herzen den reichen Segen Gottes herab.


*L'Osservatore Romano n. 26 p.15.

 

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