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ABSCHLUSS DES MARIENMONATS MAI

WORTE VON BENEDIKT XVI.

Petersplatz
Samstag, 3. Mai 2008

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir beenden den Monat Mai mit dieser eindrucksvollen Marienandacht. Ich grüße euch herzlich und danke euch für eure Teilnahme. An erster Stelle grüße ich Herrn Kardinal Angelo Comastri; mit ihm grüße ich alle weiteren Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Priester, die an dieser abendlichen Andacht teilgenommen haben. Mein Gruß gilt auch den geweihten Personen und euch allen, liebe gläubige Laien, die ihr die selige Jungfrau Maria durch eure Anwesenheit habt ehren wollen.

Wir feiern heute das Fest der Heimsuchung Marias und den Gedenktag des Unbefleckten Herzens Mariä. Das alles lädt uns ein, vertrauensvoll auf Maria zu schauen. Wir haben uns heute abend mit dem alten und immer aktuellen Rosenkranzgebet an sie gewandt. Wenn er nicht eine bloße mechanische Wiederholung der traditionellen Formeln ist, dann ist der Rosenkranz eine biblische Meditation, die uns in Begleitung der seligen Jungfrau die Geschehnisse des Lebens des Herrn vor Augen führt, wobei wir sie wie Maria in unserem Herzen bewahren. Im Monat Mai gibt es in vielen christlichen Gemeinschaften den schönen Brauch, den Rosenkranz im Familienkreis und in den Pfarreien in noch feierlicherer Weise zu beten. Jetzt, am Monatsende, soll aber diese gute Gewohnheit nicht nachlassen, sondern mit noch größerem Eifer fortgesetzt werden, damit das Licht des Glaubens in der Schule Marias noch heller in den Herzen der Christen und in ihren Häusern erstrahle.

Am heutigen Fest der Heimsuchung hören wir in der Liturgie erneut den Abschnitt des Lukasevangeliums, der Marias Weg von Nazaret zum Haus der älteren Kusine Elisabet erzählt. Wir können uns den Seelenzustand der Jungfrau nach der Verkündigung, als der Engel von ihr gegangen war, vorstellen. Maria trägt jetzt, geborgen in ihrem Schoß, ein großes Geheimnis in sich; sie weiß, daß etwas ganz Einzigartiges geschehen ist; sie ist sich bewußt, daß das letzte Kapitel der Heilsgeschichte der Welt begonnen hat. Aber um sie herum hat sich nichts verändert, und das Dorf Nazaret weiß nichts von dem, was ihr geschehen war.

Maria denkt aber zuerst nicht an sich selbst, sondern an die ältere Elisabet, die, wie sie erfahren hatte, hochschwanger war. Gedrängt vom Geheimnis der Liebe, das sie soeben in sich empfangen hat, macht sich Maria »eilends« auf den Weg, um ihr beizustehen. Das ist die einfache und zugleich erhabene Größe Marias! Als sie das Haus von Elisabet betritt, geschieht etwas, dessen Schönheit und tiefe Wirklichkeit kein Maler je wiedergeben könnte. Das innere Licht des Heiligen Geistes umstrahlt ihre Personen. Und Elisabet, vom Heiligen Geist erfüllt, ruft aus: »Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ« (Lk 1,42–45).

Diese Worte könnten uns angesichts der konkreten Wirklichkeit übertrieben erscheinen. Elisabet ist eine von vielen älteren Frauen Israels, und Maria ist ein unbekanntes Mädchen aus einem abgelegenen Dorf in Galiläa. Was können sie sein, und was können sie tun in einer Welt, in der andere Menschen zählen und andere Mächte Gewicht haben? Aber Maria erstaunt uns von neuem; ihr Herz ist rein, ganz offen für das Licht Gottes; ihre Seele ist ohne Sünde, nicht vom Stolz und Egoismus beschwert. Elisabets Worte entfachen in ihrem Innern einen Lobpreis, der eine wahre und tiefe »theologische« Sicht der Geschichte ist: eine Vision, die wir von ihr ständig lernen sollen, denn ihr Glaube ist ohne Schatten und ohne Brüche. »Meine Seele preist die Größe des Herrn!« Maria erkennt die Größe Gottes. Das ist das erste unerläßliche Gefühl des Glaubens; das Gefühl, das dem Menschen Sicherheit gibt und ihn von der Angst befreit, auch inmitten der Stürme der Geschichte.

Indem sie die Oberfläche durchbricht, »sieht« Maria mit den Augen des Glaubens das Wirken Gottes in der Geschichte. Deshalb ist sie gesegnet, weil sie geglaubt hat: Denn durch den Glauben hat sie das Wort des Herrn aufgenommen und das menschgewordene Wort empfangen. Ihr Glaube hat sie sehen lassen, daß alle Throne der Mächtigen dieser Welt vorläufig sind, während Gottes Thron der einzige Fels ist, der sich nicht verändert und nicht einstürzt. Ihr Magnificat bleibt auch nach Jahrhunderten und Jahrtausenden die wahrste und tiefste Auslegung der Geschichte, während die von vielen Weisen dieser Welt vorgelegten Sichtweisen durch die Tatsachen im Laufe der Jahrhunderte dementiert wurden.

Liebe Schwestern und Brüder! Gehen wir nun mit dem Magnificat im Herzen nach Hause. Hegen wir in uns die gleichen Gefühle des Lobes und Dankes, die Maria dem Herrn entgegenbrachte, ihren Glauben und ihre Hoffnung, ihre Fügsamkeit in den Händen der göttlichen Vorsehung. Ahmen wir ihr Beispiel der Bereitschaft und Hochherzigkeit im Dienst an den Nächsten nach. Denn nur wenn wir die Liebe Gottes aufnehmen und unser Leben zu einem selbstlosen und hochherzigen Dienst am Nächsten machen, werden wir mit Freude den Herrn lobpreisen. Diese Gnade erwirke uns die Gottesmutter, die uns heute abend einlädt, in ihrem Unbefleckten Herzen Zuflucht zu finden. Euch allen erteile ich meinen Segen.

 

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