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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
NACH DER EUCHARISTIEFEIER FÜR DIE KIRCHLICHEN UNIVERSITÄTEN ROMS ANLÄSSLICH DER ERÖFFNUNG DES AKADEMISCHEN JAHRES 2008/2009

Petersdom
Donnerstag
, 30. Oktober 2008

   

Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Diese traditionelle Begegnung mit den kirchlichen Universitäten Roms zu Beginn des akademischen Jahres ist für mich stets ein Anlaß zur Freude. Ich begrüße euch alle herzlich, angefangen bei Herrn Kardinal Zenon Grocholewski, dem Präfekten der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, der der heiligen Messe vorgestanden hat und dem ich für die Worte danke, mit denen er mir eure Gefühle zum Ausdruck gebracht hat. Ich freue mich, die anderen hier anwesenden Kardinäle und Bischöfe zu begrüßen, so wie auch die Rektoren, die Professoren, die Verantwortlichen und die Oberen der Seminare und Kollegien, und natürlich euch, liebe Studenten, die ihr aus verschiedenen Ländern zum Studium nach Rom gekommen seid.

In diesem Jahr, in dem wir den zweitausendsten Jahrestag der Geburt des Apostels Paulus feiern, möchte ich kurz gemeinsam mit euch über einen Aspekt seiner Botschaft nachdenken, der mir besonders auf euch Wissenschaftler und Studenten zu passen scheint, und über den ich auch gestern bei der Katechese während der Generalaudienz gesprochen habe. Ich möchte mich also auf das beziehen, was der hl. Paulus über die christliche Weisheit schreibt, besonders in seinem ersten Brief an die Korinther, jener Gemeinde, in der Rivalitäten unter den Jüngern ausgebrochen waren. Der Apostel geht das Problem dieser Spaltungen innerhalb der Gemeinde an, indem er in ihnen ein Zeichen falscher Weisheit aufdeckt, also einer noch unreifen Mentalität, insofern sie fleischlich und nicht geistlich ist (vgl. 1 Kor 3,1–3). Indem er sich dann auf die eigenen Erfahrungen bezieht, erinnert Paulus die Korinther daran, daß Christus ihn gesandt hat, das Evangelium zu verkünden, »aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird« (1,17).

Hier hebt eine Überlegung über die »Weisheit des Kreuzes« an, das heißt über die Weisheit Gottes, die der Weisheit dieser Welt entgegensteht. Der Apostel betont die Verschiedenheit zwischen diesen beiden Formen der Weisheit, von denen nur eine, die göttliche, wahr ist, während die andere in Wirklichkeit »Torheit« ist. Nun, die erstaunliche Neuheit, die immer wieder neu entdeckt und gehört werden muß, besteht in der Tatsache, daß die göttliche Weisheit uns in Christus geschenkt worden ist, daß sie uns in ihm mitgeteilt worden sind. Am Ende des zweiten Kapitels des erwähnten Briefes faßt ein Begriff diese Neuheit zusammen, die uns immer wieder überrascht. Der hl. Paulus schreibt: »Wir aber haben den Geist Christi« – »ημεĩς δε νουν Хριστου έχομεν« (2,16). Diese Gegenüberstellung der beiden Formen der Weisheit kann nicht mit dem Unterschied zwischen der Theologie auf der einen und der Philosophie und den Wissenschaften auf der anderen Seite gleichgesetzt werden. Es handelt sich vielmehr um zwei grundsätzliche Einstellungen. Die »Weisheit dieser Welt« bedeutet eine Art zu leben und die Dinge zu sehen, die auf Gott keine Rücksicht nimmt und den Maßstäben des Erfolgs und der Macht gehorchend der herrschenden Meinung folgt. Die »göttliche Weisheit« besteht darin, dem Geist Christi zu folgen – Christus öffnet uns die Augen des Herzens, um dem Weg der Wahrheit und der Liebe zu folgen.

Liebe Studenten, ihr seid nach Rom gekommen, um eure Kenntnisse im theologischen Bereich zu vertiefen, und auch wenn ihr ein anderes Fach als Theologie studiert, zum Beispiel Jura, Geschichte, Geisteswissenschaften, Kunst usw., so bleibt doch die geistliche Ausbildung entsprechend dem Geist Christi grundlegend für euch und ist die Perspektive eures Studiums. Daher sind die erwähnten Worte des Apostels Paulus für euch wichtig, sowie auch diejenigen, die wir gleich anschließend, ebenfalls im ersten Brief an die Korinther lesen: »Wer von den Menschen kennt den Menschen, wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott – nur der Geist Gottes. Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist« (2,11–12). Hier haben wir noch einmal das Schema der Gegenüberstellung von menschlicher und göttlicher Weisheit. Um die geistlichen Dinge zu erkennen und zu verstehen, müssen wir geistliche Männer und Frauen sein, denn wenn man fleischlich ist, fällt man unvermeidlich in die Torheit zurück, auch wenn man viel studiert und »ein Weiser« und »Wortführer in dieser Welt« (1,20) wird.

Wir können in diesem paulinischen Text eine besonders vielsagende Annäherung an die Verse aus dem Evangelium sehen, die den Dank Jesu an Gott Vater wiedergeben, »weil – so sagt der Herr – du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast« (Mt 11,25). Die »Weisen« von denen Jesus spricht, sind diejenigen, die Paulus als »Wortführer in dieser Welt« bezeichnet. Während die »Unmündigen« diejenigen sind, die der Apostel »töricht«, »schwach«, »niedrig in der Welt« und »verachtet« nennt (1,27–28), die jedoch in Wirklichkeit, wenn sie »das Wort vom Kreuz« (1,18) annehmen, die wahren Weisen werden. Das geht so weit, daß Paulus diejenigen, die sich für weise in der Welt halten, dazu auffordert, »töricht« zu werden, um wirklich weise zu werden vor Gott (3,18). Das ist keine anti-intellektuelle Einstellung, kein Widerspruch zur »recta ratio«. Paulus widersetzt sich – indem er Jesus folgt – jeder Form von intellektuellem Hochmut, in dem der Mensch, auch wenn er viel weiß, das Gefühl für die Wahrheit verliert sowie die Bereitschaft, sich der Neuheit des göttlichen Handelns zu öffnen.

Liebe Freunde, diese paulinische Überlegung will folglich sicher nicht dazu führen, das menschliche Bemühen um Erkenntnis abzuwerten, sondern sie steht auf einer anderen Ebene: Paulus will herausstellen – und das bringt er klar und deutlich zum Ausdruck –, was wirklich für das Heil wichtig ist und was hingegen Uneinigkeit und Verderben verursachen kann. Der Apostel weist also auf das Gift der falschen Weisheit hin, das der menschliche Hochmut ist. So ist es nicht die Erkenntnis selbst, die schlecht ist, sondern die Anmaßung, das »Angeben« mit dem, was man an Erkenntnis erreichtt hat – oder meint, geschafft zu haben. Gerade hieraus ergeben sich dann die Parteilichkeiten und die Zwietracht in der Kirche und auf analoge Weise in der Gesellschaft. Es geht also darum, nicht die Weisheit nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist zu pflegen. Wir wissen, daß der hl. Paulus sich mit den Worten »Fleisch, fleischlich« nicht auf den Leib bezieht, sondern auf eine Art und Weise, nur für sich selbst und nach den Maßstäben der Welt zu leben. Daher ist es nach Paulus stets notwendig, das eigene Herz vom Gift des Hochmuts zu reinigen, das in jedem von uns steckt. Auch wir müssen also mit dem heiligen Paulus ausrufen: »Wer wird mich erretten?« (Röm 7,24). Und auch wir müssen mit ihm die Antwort empfangen: die Gnade Jesu Christi, die der Vater uns durch den Heiligen Geist geschenkt hat (vgl. Röm 7,25). Der »Geist Christi«, den wir durch Gnade empfangen haben, reinigt uns von der falschen Weisheit. Und diesen »Geist Christi« empfangen wir durch die Kirche und in der Kirche, indem wir uns vom Fluß ihrer lebendigen Tradition tragen lassen. Das bringt die Ikonographie sehr schön zum Ausdruck, die Jesus/die Weisheit im Schoß der Mutter Maria, dem Symbol der Kirche, darstellt: »In gremio Matris sedet Sapientia Patris«: im Schoß der Mutter sitzt die Weisheit des Vaters, das heißt Christus. Indem wir jenem Jesus treu bleiben, den die Mutter uns schenkt, dem Christus, den die Kirche uns zeigt, können wir uns intensiv unserer intellektuellen Arbeit widmen, innerlich frei von der Versuchung des Hochmuts sowie immer und ausschließlich im Herrn uns rühmend.

Liebe Brüder und Schwestern, diesen Wunsch richte ich zu Beginn des neuen akademischen Jahres an euch und erbitte dabei für euch alle den mütterlichen Beistand Mariens, »Sedes Sapientiae«, und des Apostels Paulus. Möge euch auch von Herzen mein Segen begleiten.

    

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