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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN PAVEL VOSALÍK,
NEUER BOTSCHAFTER DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK
BEIM HL. STUHL

Apostolischer Palast von Castelgandolfo - Saal der Päpste
Samstag, 27. September
2008

 

Herr Botschafter!

Es ist mir eine Freude, Sie heute anläßlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens zu empfangen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Tschechischen Republik beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke für Ihre freundlichen Worte beim Antritt der Ihnen von Ihrer Regierung übertragenen Mission. Bitte übermitteln Sie Seiner Exzellenz Herrn Václav Klaus, Präsident der Republik, meine respektvollen Grüße, während ich ihn meiner Gebete für das Wohlergehen aller Menschen in Ihrem Land versichere.

Herr Botschafter, ich weiß es zu schätzen, daß Sie den Einfluß des Christentums auf das reiche kulturelle Erbe Ihrer Nation hervorgehoben haben wie auch die wichtige Rolle, die das Evangelium spielte, wenn es darum ging, dem tschechischen Volk in Zeiten der Unterdrückung Hoffnung zu bringen. Hoffnung ist in der Tat die zeitlose Botschaft, die die Kirche jeder Generation anbietet und sie dazu motiviert, an der globalen Aufgabe mitzuwirken, Bande des Friedens und des guten Willens unter allen Völkern zu knüpfen. Das tut sie in besonderer Wese mittels ihrer diplomatischen Tätigkeit, durch die sie die Würde der Menschen herausstellt, die zu einem Leben der Gemeinschaft mit Gott und miteinander bestimmt sind.

Gestärkt durch das Solidaritätsgefühl, das sie befähigte, mutig aus dem Zusammenbruch des Totalitarismus herauszufinden, hat Ihre Nation auch den Wunsch, durch Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen Gewalt, Hunger, Armut und andere soziale Übel zum Wohl der Menschheitsfamilie beizutragen. Schon bald werden sich für Ihr Land neue Wege der Einflußnahme eröffnen, wenn es sich auf die Übernahme des Ratsvorsitzes der Europäischen Union im nächsten Jahr vorbereitet. Ich bin zuversichtlich, daß durch klare Zielsetzungen und durch die Förderung des Engagements aller Mitgliedsstaaten die herausragende Ehre des sechsmonatigen Ratsvorsitzes der Tschechischen Republik die Ausübung einer starken Führung erlauben wird, in dem gemeinsamen Bemühen, Einheit und Verschiedenheit, nationale Souveränität und gemeinsames Handeln, wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit auf dem ganzen Kontinent in Einklang zu bringen.

Die Kirche ist sich sehr wohl der vielen Herausforderungen bewußt, vor denen Europa gerade zu einem Zeitpunkt steht, wo seine Nationen bestrebt sind, eine stabilere internationale Gemeinschaft für künftige Generationen aufzubauen. Um voranzukommen, sind die politischen Verantwortungsträger Europas aufgerufen zu erkennen, daß menschliches Glück und Wohlergehen nicht durch Strukturen allein oder durch eine einzige Kraft im sozialen und politischen Leben gewährleistet werden kann (vgl. Enzyklika Spe salvi, 24). Die Verwirklichung einer authentischen, der edlen Berufung des Menschen würdigen Kultur erfordert die harmonische Zusammenarbeit von Familien, Kirchengemeinden, Schulen, Unternehmen, Gemeindeorganisationen und staatlichen Einrichtungen. Weit davon entfernt, ein Selbstzweck zu sein, dienen diese organisierten Einrichtungen dem Dienst an der Allgemeinheit und sind im Hinblick auf das Gemeinwohl vollkommen miteinander verbunden (vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, 13).

Aus diesem Grund kommt es der gesamten Gesellschaft zugute, wenn der Kirche das Recht gewährt wird, die für die Ausübung ihres Amtes benötigten materiellen und geistlichen Güter zu verwalten (vgl. Gaudium et spes, 88). Es gibt in Ihrer Nation Anzeichen eines Fortschritts auf diesem Gebiet, aber es muß noch mehr geschehen. Ich bin zuversichtlich, daß die Sonderkommissionen, die von der Regierung und dem Parlament Ihres Landes zur Lösung des leidigen Problems des kirchlichen Eigentums eingesetzt wurden, mit Ehrlichkeit, Fairneß und einer echten Anerkennung der Fähigkeit der Kirche, zum Wohl der Republik beizutragen, vorgehen werden. Im besonderen hoffe ich, daß man solche Überlegungen klar im Auge haben wird, wenn eine Lösung für die Zukunft der Kathedrale in Prag gesucht wird: Sie ist ein lebendiges Zeugnis für das reiche kulturelle und religiöse Erbe Ihres Landes und zeugt von dem harmonischen Miteinander von Kirche und Staat.

Wie es seinem Wesen entspricht, fordert das Evangelium die Gläubigen auf, sich in liebevollem Dienst ihren Brüdern und Schwestern zu widmen, ohne Unterschied und ohne nach den Kosten zu fragen (vgl. Lk 10,25–7). Die Liebe ist die Bekundung des Glaubens nach außen, die die Gemeinschaft der Gläubigen trägt und sie befähigt, Zeichen der Hoffnung für die Welt zu sein (vgl. Joh 13,35). Ein leuchtendes Beispiel dieser sichtbaren Liebe ist das Wirken der »Caritas«, deren Mitglieder sich tagtäglich in einem breiten Spektrum sozialer Dienste in Ihrem Land engagieren. Das zeigt sich besonders in dem Dienst, den sie den Frauen, die ein Kind erwarten, den Obdachlosen, Behinderten und Strafgefangenen anbietet. Die Zusammenarbeit zwischen der Tschechischen Caritas und den staatlichen Ministerien für Gesundheit, Arbeit und Soziale Angelegenheiten ist ein Beweis dafür, welche potentiellen Früchte aus der engen Zusammenarbeit zwischen staatlichen und kirchlichen Organen erwachsen können (vgl. Enzyklika Deus Caritas est, 30).

Ich möchte hier das enorme Bildungspotential für junge Leute hervorheben, deren Teilnahme an derartigen Initiativen sie lehrt, daß echte Solidarität nicht nur in der Bereitstellung materieller Güter, sondern in der Selbsthingabe besteht (vgl. Lk 17,33). Während die Tschechische Republik die Formen der Beteiligung an der Aufgabe, eine verbindlichere und kooperativere internationale Gemeinschaft zu bilden, auszuweiten versucht, sollten wir die zahlreichen tschechischen Staatsbürger nicht vergessen, die bereits im Ausland in der Langzeitentwicklung und in Hilfsprojekten unter der Schirmherrschaft der Caritas und anderer humanitärer Organisationen arbeiten. Ich ermutige sie herzlich in ihren Bemühungen und anerkenne lobend die Hochherzigkeit aller Ihrer Landsleute, die auf kreative Weise nach Wegen suchen, um dem Gemeinwohl sowohl in Ihrer Nation wie auf dem ganzen Erdball zu dienen.

Bevor ich schließe, Exzellenz, erlaube ich mir, zum tragischen Tod von Herrn Ivo Zdárek, Botschafter der Tschechischen Republik in Pakistan, der sich unter den beim jüngsten Anschlag in Islamabad getöteten Opfern befand, Ihnen und Ihren Mitbürgern mein aufrichtiges Beileid zum Ausdruck zu bringen. Ich bete täglich für ein Ende derartiger aggressiver Aktionen und ermutige alle im diplomatischen Dienst tätigen Personen, sich immer eifriger für die Förderung von Frieden und Sicherheit überall auf der Welt einzusetzen. Zum Antritt Ihres Dienstes, Herr Botschafter, spreche ich Ihnen meine herzlichen Wünsche dafür aus, daß die Ihnen anvertraute wichtige Mission fruchtbar sein möge. Sie sollen wissen, daß die Ämter der Römischen Kurie Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben gern behilflich sind.

Während ich Sie freundlich bitte, die Menschen in der Tschechischen Republik meiner Gebete und Wertschätzung zu versichern, rufe ich auf sie die Fülle des göttlichen Segens herab und vertraue sie der liebenden Vorsehung des allmächtigen Gottes an.


*L'Osservatore Romano n. 42 p. 10.

 

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