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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE BISCHÖFE VON ARGENTINIEN
ANLÄSSLICH DES "AD-LIMINA"-BESUCHES


Donnerstag, 2. April 2009

 

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

1. Es ist für mich eine große Freude, euch, die Bischöfe des Gottesvolkes in Argentinien, die ihr zum »Ad-limina«-Besuch nach Rom gekommen seid, heute vormittag empfangen zu können. Meine Gedanken gelten auch allen Diözesen, die ihr vertretet, und euren Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen und Gläubigen, die selbstlos und voll Enthusiasmus für den Aufbau des Reiches Gottes in dieser geliebten Nation arbeiten.

An erster Stelle möchte ich für die liebenswürdigen Worte danken, die Erzbischof Alfonso Delgado Evers von San Juan de Cuyo im Namen aller an mich gerichtet hat; er wollte damit eure Gefühle der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri erneuern und so das innere Band stärken, das uns im Glauben, in der brüderlichen Liebe und im Gebet vereint.

2. Wie in vielen anderen Teilen der Welt spürt ihr auch in Argentinien die Dringlichkeit, eine ausgedehnte und wirksame Evangelisierungstätigkeit durchzuführen, die dadurch, daß sie den christlichen Werten, die die Geschichte und Kultur eures Landes geformt haben, Rechnung trägt, zu einer geistigen und moralischen Erneuerung eurer Gemeinden und der ganzen Gesellschaft führt. Dazu veranlaßt euch zudem der starke missionarische Impuls, den die in Aparecida abgehaltene V. Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik in der ganzen Kirche Lateinamerikas wecken wollte (vgl. Schlußdokument, Nr. 213). 

3. Mein verehrter Vorgänger Papst Paul VI. führte im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi aus: »Evangelisieren besagt zuallererst, auf einfache und direkte Weise Zeugnis zu geben von Gott, der sich durch Jesus Christus geoffenbart hat im Heiligen Geist, Zeugnis davon zu geben, daß er in seinem Sohn die Welt geliebt hat« (Nr. 26). Evangelisierung besteht also nicht nur darin, eine Lehre zu vermitteln oder zu lehren, sondern Christus zu verkünden, das Geheimnis seiner Person und seiner Liebe, denn wir sind in der Tat davon überzeugt, daß es »nichts Schöneres gibt, als vom Evangelium, von Christus gefunden zu werden. Es gibt nichts Schöneres, als ihn zu kennen und anderen die Freundschaft mit ihm zu schenken« (Predigt von Benedikt XVI. bei der heiligen Messe zu seiner Amtseinführung, 24. April 2005).

Diese klare und deutliche Verkündigung von Christus als Heiland der Menschen fügt sich ein in die leidenschaftliche Suche nach der Wahrheit, der Schönheit und dem Guten, die zum Wesen des Menschen gehört. Während wir außerdem berücksichtigen, daß »die Wahrheit nicht anders Anspruch erhebt als kraft der Wahrheit selbst« (II. Vat. Konzil, Dignitatis humanae, 1) und daß die von anderen erworbenen oder von der eigenen Kultur vermittelten Erkenntnisse den Menschen mit Wahrheiten bereichern, zu denen er von sich allein nicht gelangen könnte, halten wir fest, daß »die Verkündigung und das Zeugnis des Evangeliums sogar der allererste Dienst sind, den die Christen jedem einzelnen Menschen und dem ganzen Menschengeschlecht leisten können« (Ansprache an den Kongreß der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, 11. März 2006).

4. Jedes Engagement für die Verkündigung entspringt einer dreifachen Liebe: der Liebe zum Wort Gottes, zur Kirche und zur Welt. Da sich Christus durch die Heilige Schrift in seiner Person, in seinem Leben und in seiner Lehre kennenlernen läßt, »besteht die Hauptaufgabe der Kirche am Beginn des neuen Jahrtausends vor allem darin, sich vom Wort Gottes zu ernähren, um den Einsatz in der Neuevangelisierung, der Verkündigung in unserer Zeit wirksam werden zu lassen« (Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der XII. Generalversammlung der Bischofssynode, 26. Oktober 2008). Da das Wort Gottes immer reiche Frucht bringt (vgl. Jes 55,10–11; Mt 13,23) und nur das Wort Gottes das Herz des Menschen in der Tiefe verwandeln kann, ermutige ich euch, liebe Brüder, allen Gläubigen den Zugang zur Heiligen Schrift zu erleichtern (vgl. Dei Verbum, 22 u. 25), damit sie das Wort Gottes in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen, Christus als Erlöser annehmen und sein Licht jeden Bereich des menschlichen Lebens erleuchte (vgl. Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung der XII. Generalversammlung der Bischofssynode, 5. Oktober 2008).

Da das Wort Gottes nicht getrennt von der Kirche oder an ihrem Rand erfaßt werden kann, ist es notwendig, den Geist der Gemeinschaft und der Treue gegenüber dem Lehramt vor allem bei denen zu fördern, deren Sendungsauftrag es ist, die Botschaft des Evangeliums unverkürzt weiterzugeben. Derjenige, der das Evangelium verkündet, muß daher ein treuer Sohn der Kirche und darüber hinaus voller Liebe gegenüber den Menschen sein, um ihnen die große Hoffnung anzubieten, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15).

5. Man muß immer sehr klar vor Augen haben, daß die erste Form der Evangelisierung das Zeugnis des eigenen Lebens ist (vgl. Lumen gentium, 35). Die Heiligkeit des Lebens ist ein kostbares Geschenk, das ihr euren Gemeinden auf ihrem Weg zu einer wahren Erneuerung der Kirche anbieten könnt. Die Heiligkeit ist heute mehr denn je eine Anforderung von immerwährender Aktualität, zumal der Mensch unserer Zeit das dringende Bedürfnis nach dem klaren und anziehenden Zeugnis eines kohärenten und beispielhaften Lebens spürt.

In dieser Hinsicht lege ich euch inständig ans Herz, den Priestern, euren engsten Mitarbeitern, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Herausforderungen unserer Zeit verlangen mehr denn je tugendhafte, von Gebetsgeist und Opfergesinnung erfüllte Priester mit einer soliden Ausbildung, die sich vor allem durch ihre tätige Nächstenliebe dem Dienst an Christus und der Kirche hingeben. Der Priester hat die große Verantwortung, vor den Gläubigen in seinem Verhalten als unbescholten zu erscheinen, indem er Christus aus nächster Nähe folgt, und dies mit der Unterstützung und Ermutigung seitens der Gläubigen, vor allem durch ihr Gebet, ihr Verständnis und ihre geistliche Zuneigung.

6. Die Verkündigung des Evangeliums ist Aufgabe aller in der Kirche; auch der gläubigen Laien, die durch Taufe und Firmung für diesen Sendungsauftrag bestimmt sind (vgl. Lumen gentium, 33). Ich ermutige euch, geliebte Brüder im bischöflichen Dienst, dafür zu sorgen, daß sich die Laien immer mehr ihrer Berufung als lebendige Glieder der Kirche und glaubwürdige Jünger und Missionare Christi in allen Dingen bewußt werden (vgl. Gaudium et spes, 43). Wie viele Wohltaten kann man sich auch für die Zivilgesellschaft vom Wiedererstehen eines reifen Laienstandes erwarten, der in seinen alltäglichen Tätigkeiten die Heiligkeit sucht, in voller Gemeinschaft mit seinen Hirten, und gefestigt ist in seiner apostolischen Berufung, Sauerteig des Evangeliums in der Welt zu sein.

7. Mit besonderer Verehrung vertraue ich der Jungfrau Maria, Unserer Lieben Frau von Luján, alle eure Hirtenaufgaben, eure Sorgen und die Menschen an. Euch, euren Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Gläubigen erteile ich mit Liebe im Herrn einen besonderen Apostolischen Segen.

 

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