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GEBET AN DER MARIENSÄULE AUF DEM SPANISCHEN PLATZ

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.

Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der Sel. Jungfrau Maria
Dienstag, 8. Dezember 2008

 (Video)

Bilder von der Feier

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Im Herzen der christlichen Städte ist die sanfte und tröstliche Gegenwart Marias zu spüren. Einfühlsam schenkt sie Frieden und Hoffnung in den heiteren und traurigen Augenblicken des Lebens. In Kirchen, in Kapellen, an Häuserwänden ruft ein Gemälde, ein Mosaik, eine Statue die Gegenwart der Mutter in Erinnerung, die stets über ihre Kinder wacht. Auch hier auf dem Spanischen Platz steht Maria hoch oben, gleichsam als wache sie über Rom.

Was sagt Maria der Stadt? Was ruft ihre Gegenwart allen in Erinnerung? Sie erinnert daran, daß dort, »wo […] die Sünde mächtig wurde, […] die Gnade übergroß geworden« ist (Röm 5,20), wie der Apostel Paulus schreibt. Sie ist die Unbefleckte Mutter, die auch den Menschen unserer Zeit sagt: Habt keine Angst, Jesus hat das Böse besiegt; er hat es an der Wurzel besiegt und uns von dessen Herrschaft befreit.

Wie sehr brauchen wir doch diese schöne Nachricht! Jeden Tag nämlich ist in den Zeitungen, im Fernsehen und im Radio vom Bösen die Rede, es wird wiederholt, aufgebauscht, so daß wir an die schrecklichsten Dinge gewöhnt sind. Dadurch werden wir unempfindlich und in gewisser Weise vergiftet, da das Negative nicht ganz bewältigt wird und sich Tag für Tag ansammelt. Das Herz verhärtet, und die Gedanken werden düster. Deshalb braucht die Stadt Maria, die mit ihrer Gegenwart zu uns von Gott spricht, uns den Sieg der Gnade über die Sünde in Erinnerung ruft und uns dazu führt, auch in den menschlich gesehen schwierigsten Lagen die Hoffnung zu bewahren.

In der Stadt leben – oder überleben – Menschen unbemerkt, bis sie mitunter auf die Titelseiten der Zeitungen oder die Bildschirme geraten und bis zum letzten ausgenutzt werden, solange die Nachricht und das Bild die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dies ist ein perverser Mechanismus, dem man sich nur schwer widersetzen kann. Zuerst verdeckt die Stadt, um dann die Dinge vor einem Publikum zur Schau zu stellen – ohne Mitleid oder mit falschem Mitleid. Dagegen hat jeder Mensch den Wunsch, als Person angenommen und als eine heilige Wirklichkeit betrachtet zu werden, da die Geschichte jedes Menschen eine heilige Geschichte ist und größte Achtung erfordert.

Die Stadt, liebe Brüder und Schwestern, sind wir alle! Ein jeder trägt zu ihrem Leben und zu ihrer moralischen Atmosphäre bei, im Guten wie im Bösen. Die Grenze zwischen Gut und Böse durchzieht das Herz eines jeden von uns, und keiner von uns darf sich berechtigt fühlen, die anderen zu verurteilen. Vielmehr muß jeder die Pflicht verspüren, sich selbst zu bessern! Die Massenmedien haben die Tendenz, daß wir uns immer als »Zuschauer« fühlen, als beträfe das Böse nur die anderen und als könnten gewisse Dinge uns nie geschehen. Dagegen sind wir alle »Mitwirkende «, und unser Verhalten beeinflußt die anderen im Guten wie im Bösen.

Oft klagen wir über die Verschmutzung der Luft, die man an gewissen Orten der Stadt fast nicht atmen kann. Es ist richtig, daß der Einsatz aller notwendig ist, damit die Stadt sauberer wird. Und dennoch gibt es da eine andere Art der Verschmutzung, die mit den Sinnen weniger wahrnehmbar, jedoch ebenso gefährlich ist. Es ist die Verschmutzung des Geistes; es ist das, was unsere Gesichter weniger lächeln läßt und finsterer macht, was uns dahin bringt, daß wir uns nicht grüßen, nicht ins Gesicht schauen… Die Stadt besteht aus Gesichtern, leider aber können die kollektiven Dynamiken bewirken, daß wir sie nicht mehr in ihrer Tiefe wahrnehmen. Wir sehen alles nur oberflächlich. Die Menschen werden zu Körpern, und diese Körper verlieren die Seele, sie werden zu Sachen, zu Gegenständen ohne Gesicht, austauschbar und konsumierbar.

Maria, die Unbefleckte Empfängnis, hilft uns, die Tiefe der Menschen neu zu entdecken und zu verteidigen, da in ihr das vollkommene Durchscheinen der Seele im Leib gegeben ist. Sie ist die Reinheit in Person, in dem Sinn, daß in ihr Geist, Seele und Leib in vollkommenem Einklang untereinander und mit dem Willen Gottes stehen. Die Gottesmutter lehrt uns, uns dem Wirken Gottes zu öffnen, um auf die anderen so zu blicken, wie Gott es tut: ausgehend vom Herzen. Und mit Barmherzigkeit, Liebe, unendlicher Milde auf sie zu blicken, besonders auf die Einsamsten, die Verachteten, die Ausgebeuteten. »Wo die Sünde mächtig wurde, ist die Gnade übergroß geworden.«

Ich möchte öffentlich all denen meine Hochachtung bezeugen, die sich in der Stille, nicht mit Worten, sondern mit Taten bemühen, dieses dem Evangelium entstammende Gesetz der Liebe zu praktizieren, das die Welt weiterbringt. Ihre Zahl ist groß, auch hier in Rom, und selten machen sie Schlagzeilen. Männer und Frauen jeden Alters, die verstanden haben, daß es nichts nützt, zu verurteilen, sich zu beklagen, zu beschuldigen, sondern daß es wertvoller ist, mit dem Guten auf das Böse zu antworten. Das ändert die Dinge, oder besser: es ändert die Menschen und verbessert folglich die Gesellschaft.

Liebe Freunde, liebe Römer und ihr alle, die ihr in dieser Stadt lebt! Laßt uns, während wir mit den Dingen des Alltags beschäftigt sind, auf die Stimme Mariens hören. Wir wollen ihren stillen, aber dringlichen Anruf vernehmen. Sie sagt zu einem jeden von uns: Wo die Sünde mächtig wurde, soll die Gnade übergroß werden, angefangen bei deinem Herzen und deinem Leben! Und die Stadt wird schöner, christlicher, menschlicher sein.

Danke, Heilige Mutter, für diese Botschaft der Hoffnung. Danke für deine stille, aber vielsagende Gegenwart im Herzen unserer Stadt. Unbefleckte Jungfrau, Salus Populi Romani, bitte für uns!

 

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