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ZWEITE SONDERVERSAMMLUNG DER BISCHOFSSYNODE FÜR AFRIKA
(4.-25. OKTOBER 2009)

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
BEI DER ERSTEN GENERALKONGREGATION

Synodenaula
Montag, 5. Oktober 2009

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir haben unsere Synodenversammlung soeben mit der Anrufung des Heiligen Geistes begonnen, im Wissen darum, daß nicht wir es sind, die in diesem Augenblick das verwirklichen können, was für die Kirche und für die Welt zu tun ist: Nur in der Kraft des Heiligen Geistes können wir das finden, was richtig ist, und es dann umsetzen. Und jeden Tag werden wir unsere Arbeit damit beginnen, daß wir den Heiligen Geist anrufen mit dem Gebet der Terz »Nunc sancte nobis Spiritus«. Daher möchte ich jetzt gemeinsam mit euch ein wenig diesen Hymnus betrachten, der die Arbeit eines jeden Tages eröffnet, sowohl jetzt bei der Synode als auch später in unserem täglichen Leben.

»Nunc sancte nobis Spiritus«. Wir beten darum, daß Pfingsten nicht nur ein Ereignis der Vergangenheit sein möge, der erste Anfang der Kirche, sondern daß es heute, jetzt stattfinde: »Nunc sancte nobis Spiritus«. Wir beten darum, daß der Herr jetzt seinen Geist ausgießen und seine Kirche und die Welt neu erschaffen möge. Wir erinnern uns daran, daß die Apostel nach der Himmelfahrt nicht begonnen haben – wie es vielleicht normal gewesen wäre –, die zukünftige Kirche zu organisieren, zu schaffen. Sie haben auf das Handeln Gottes gewartet, haben auf den Heiligen Geist gewartet. Sie haben verstanden, daß man die Kirche nicht machen kann, daß sie nicht das Produkt unserer Organisation ist: Die Kirche muß aus dem Heiligen Geist geboren werden. Wie der Herr selbst durch den Heiligen Geist empfangen und geboren wurde, so muß auch die Kirche stets durch den Heiligen Geist empfangen und geboren werden. Nur durch diesen Schöpfungsakt Gottes können wir am Handeln Gottes, am göttlichen Handeln, teilhaben und mit Gott zusammenarbeiten. In diesem Sinne ist auch all unsere Arbeit auf der Synode ein Zusammenarbeiten mit dem Heiligen Geist, mit der Kraft Gottes, die uns vorausgeht. Und wir müssen immer wieder um diese göttliche Initiative bitten, in der wir dann als Mitarbeiter Gottes dazu beitragen können, daß seine Kirche aufs neue geboren werde und wachsen möge.

Die zweite Strophe dieses Hymnus – »Os, lingua, mens, sensus, vigor, / Confessionem personent: / Flammescat igne caritas, / accendat ardor proximos« – ist das Herzstück dieses Gebets. Wir bitten Gott um drei Gaben, um die wesentlichen Pfingstgaben des Heiligen Geistes: »confessio«, »caritas«, »proximos«. »Confessio«: Die Zunge von Feuer, die »vernünftig « ist, schenkt das rechte Wort und läßt an die Überwindung Babels am Pfingstfest denken. Die Verwirrung, die aus dem Egoismus und dem Hochmut des Menschen entstanden ist und infolge derer wir einander nicht mehr verstehen können, muß durch die Kraft des Geistes überwunden werden, die vereint, ohne gleichzumachen, die Einheit in der Vielfalt schenkt: Jeder kann den anderen verstehen, auch in der Verschiedenheit der Sprachen. »Confessio«: das Wort, die Zunge von Feuer, die der Herr uns schenkt, das gemeinsame Wort, in dem wir alle vereint sind, der Gottesstaat, die Heilige Kirche, in der der ganze Reichtum der verschiedenen Kulturen gegenwärtig ist. »Flammescat igne caritas«. Diese »confessio«, dieses Bekenntnis, ist keine Theorie, sondern es ist Leben, es ist Liebe. Das Herz der Heiligen Kirche ist die Liebe, Gott ist die Liebe, und er teilt sich mit, indem er uns an der Liebe teilhaben läßt. Und schließlich der »Nächste«: Die Kirche ist niemals eine in sich geschlossene Gruppe, die für sich lebt als eine der vielen Gruppen, die es in der Welt gibt, sondern sie zeichnet sich aus durch die Universalität der Liebe, der Verantwortung für den Nächsten.

Betrachten wir jede dieser drei Gaben einzeln für sich. »Confessio«: In der Sprache der Bibel und der Alten Kirche hat dieses Wort zwei grundlegende Bedeutungen, die scheinbar im Gegensatz zueinander stehen, in Wirklichkeit aber eine einzige Realität darstellen. »Confessio« ist vor allem das Bekenntnis der Sünden: Wir erkennen unsere Schuld an und erkennen, daß wir vor Gott unzulänglich, schuldig sind, daß wir nicht in der rechten Beziehung zu ihm stehen. Das ist der erste Punkt: sich selbst erkennen im Licht Gottes. Nur in diesem Licht können wir uns selbst erkennen, können wir auch verstehen, wieviel Böses in uns ist. So können wir sehen, wie viel erneuert, verändert werden muß. Nur im Licht Gottes lernen wir einander kennen und sehen wirklich die ganze Realität.

All das, so scheint mir, müssen wir uns bei unseren Überlegungen zu Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden vor Augen halten. Empirische Untersuchungen sind wichtig; es ist wichtig, daß man die Realität dieser Welt genau kennenlernt. Dennoch sind solche horizontalen Analysen, die mit großer Genauigkeit und Kompetenz durchgeführt werden, unzulänglich. Sie zeigen nicht die wahren Probleme auf, weil sie sie nicht in das Licht Gottes stellen. Wenn wir nicht sehen, daß an der Wurzel das Geheimnis Gottes liegt, funktionieren die Dinge der Welt nicht, weil die Beziehung zu Gott nicht geordnet ist. Und wenn die erste, grundlegende Beziehung nicht in Ordnung ist, dann funktionieren im Grunde auch alle anderen Beziehungen zu all dem Guten, das es gibt, nicht. Alle unsere Analysen der Welt sind daher unzulänglich, wenn wir nicht bis zu diesem Punkt gehen, wenn wir die Welt nicht im Licht Gottes betrachten, wenn wir nicht entdecken, daß an der Wurzel von Ungerechtigkeit und Korruption ein unlauteres Herz liegt, eine Verschlossenheit gegenüber Gott und somit eine Entstellung der wesentlichen Beziehung, die die Grundlage aller anderen Beziehungen ist.

»Confessio« bedeutet, die Realitäten der Welt, den Primat Gottes und letztendlich den ganzen Menschen und die menschlichen Realitäten, die auf unsere Beziehung mit Gott ausgerichtet sind, im Licht Gottes zu sehen. Und wenn diese Beziehung zu Gott nicht in Ordnung ist, nicht an den von Gott gewollten Punkt gelangt, nicht in seine Wahrheit eintritt, dann ist auch alles andere nicht korrigierbar, weil alle Untugenden wieder entstehen, die das soziale Netz, den Frieden in der Welt zerstören.

»Confessio« bedeutet, die Realität im Licht Gottes zu sehen, zu verstehen, daß unsere Realitäten im Grunde von unserer Beziehung mit unserem Schöpfer und Erlöser abhängen, und so zur Wahrheit zu gelangen, zur rettenden Wahrheit. Der hl. Augustinus umschreibt mit Blick auf das 3. Kapitel des Johannesevangeliums den christlichen Bekenntnisakt als »die Wahrheit tun, zum Licht gehen«. Nur wenn wir unsere Schuld, die Unzulänglichkeit unserer Beziehung zu Gott im Licht Gottes sehen, wandeln wir im Licht der Wahrheit. Und nur die Wahrheit rettet. Handeln wir schließlich in der Wahrheit: In dieser Tiefe von Gottes Licht wirklich unsere Schuld zu bekennen, heißt, die Wahrheit zu tun.

Das ist die erste Bedeutung des Wortes »confessio«: Bekenntnis der Sünden, Anerkennung der Schuldhaftigkeit, die unserer verfehlten Beziehung zu Gott entspringt. Aber Bekenntnis hat noch eine zweite Bedeutung: Es bedeutet auch, Gott zu danken, Gott zu verherrlichen, Gott zu bezeugen. Wir können die Wahrheit unseres Seins erkennen, weil es die göttliche Antwort gibt. Gott hat uns nicht allein gelassen mit unseren Sünden; auch wenn unserer Beziehung zu seiner Majestät etwas im Wege steht, zieht er sich nicht zurück, sondern er kommt und nimmt uns an der Hand. Daher ist »confessio« ein Zeugnis von der Güte Gottes; sie ist Evangelisierung. Man könnte sagen, daß die zweite Dimension des Wortes »confessio« mit der Evangelisierung identisch ist. Das sehen wir am Pfingsttag, als der hl. Petrus in seiner Predigt einerseits die Schuld der Menschen anklagt: Ihr habt den Heiligen und den Gerechten umgebracht. Gleichzeitig aber sagt er: Dieser Heilige ist auferstanden und liebt euch, er umarmt euch, er ruft euch zu sich, damit ihr zu ihm gehört in der Buße und in der Taufe sowie in der Gemeinschaft seines Leibes. Im Licht Gottes bedeutet bekennen immer auch, Gott zu verkündigen, zu evangelisieren und so die Welt zu erneuern.

Das Wort »confessio« ruft uns jedoch noch ein weiteres Element ins Gedächtnis. Im 10. Kapitel des Briefes an die Römer legt der hl. Paulus das Bekenntnis des 30. Kapitels des Buches Deuteronomium aus. In diesem letztgenannten Text scheint es, daß die Juden, als sie in die endgültige Form des Bundes, in das Heilige Land, eintreten, Angst haben und in Wirklichkeit Gott nicht so antworten können, wie sie es sollten. Der Herr sagt zu ihnen: Habt keine Angst, Gott ist nicht fern. Um zu Gott zu gelangen, muß man keinen unbekannten Ozean überqueren, sind keine Raumfahrten in den Himmel, keine schwierigen oder unmöglichen Dinge nötig. Gott ist nicht fern, er befindet sich nicht auf der anderen Seite des Ozeans, in den unendlichen Räumen des Universums. Gott ist nahe. Er ist in deinem Herzen und in deinem Mund, mit dem Wort der Torah, das in dein Herz eindringt und durch deinen Mund verkündet wird. Gott ist in dir und bei dir; er ist nahe.

In seiner Auslegung ersetzt der hl. Paulus das Wort »Torah« durch »Bekenntnis« und »Glauben«. Er sagt: Gott ist wirklich nahe, es bedarf keiner schwierigen Unternehmungen, um zu ihm zu gelangen, und auch keiner spirituellen oder materiellen Abenteuer. Gott ist mit dem Glauben nahe, er ist in deinem Herzen, und durch das Bekenntnis ist er in deinem Mund. Er ist in dir und bei dir. Jesus Christus schenkt uns in seiner Anwesenheit wirklich das Wort des Lebens. So tritt er im Glauben in unser Herz ein. Er wohnt in unserem Herzen, und im Bekenntnis tragen wir die Wirklichkeit des Herrn in die Welt, in unsere Zeit. Das scheint mir ein sehr wichtiges Element zu sein: der nahe Gott. Wissenschaft und Technik verlangen große Investitionen; spirituelle und materielle Abenteuer sind kostspielig und schwierig. Aber Gott schenkt sich unentgeltlich hin. Die größten Dinge des Lebens – Gott, Liebe, Wahrheit – sind unentgeltlich. Gott schenkt sich in unserem Herzen hin. Ich würde sagen, daß wir oft über diese Unentgeltlichkeit Gottes nachdenken müssen: Es bedarf keiner großen materiellen oder auch intellektuellen Gaben, um Gott nahe zu sein. Gott schenkt sich unentgeltlich hin in seiner Liebe; er ist in mir im Herzen und auf den Lippen. Das ist der Mut, die Freude unseres Lebens. Es ist auch der Mut, der in dieser Synode gegenwärtig ist, denn Gott ist nicht fern: Er ist bei uns mit dem Wort des Glaubens. Ich denke, daß auch diese Dualität wichtig ist: das Wort im Herzen und auf den Lippen. Diese Tiefe des persönlichen Glaubens, der mich wirklich eng mit Gott verbindet, muß man auch bekennen: Glaube und Bekenntnis, Innerlichkeit in der Gemeinschaft mit Gott und Glaubenszeugnis, das durch meinen Mund zum Ausdruck kommt und so in der Welt spürbar und gegenwärtig wird. Das sind zwei wichtige Dinge, die immer zusammengehören.

Der Hymnus, über den wir sprechen, verweist auch auf die Orte, in denen das Bekenntnis liegt: »Os, lingua, mens, sensus, vigor«. All unsere Fähigkeiten zu denken, zu sprechen, zu hören, zu handeln müssen das Wort Gottes wiedergeben – das Lateinische gebraucht das Verb »personare «. Unser Sein sollte in all seinen Dimensionen erfüllt sein von diesem Wort, das so in der Welt wirklich spürbar wird, das durch unser Leben in der Welt zu hören ist: das Wort des Heiligen Geistes.

Und dann kurz zwei andere Gaben. Die Liebe: Es ist wichtig, daß das Christentum keine Summe von Ideen ist, keine Philosophie oder Theologie, sondern ein Lebensstil. Das Christentum ist Liebe. Nur so werden wir zu Christen: Wenn der Glaube sich in Liebe verwandelt, wenn er Liebe ist. Man kann sagen, daß auch »lógos« und »caritas« zusammengehören. Unser Gott ist einerseits »lógos«, ewige Vernunft. Aber diese Vernunft ist auch Liebe; sie ist keine kalte Mathematik, die das Universum konstruiert, sie ist kein Demiurg. Diese ewige Vernunft ist Feuer; sie ist Liebe. In uns selbst müßte diese Einheit von Vernunft und Liebe, von Glauben und Liebe verwirklicht werden. So werden wir durch die Liebe verwandelt und somit »vergöttlicht«, wie die griechischen Kirchenväter sagen. Ich würde sagen, daß in der Entwicklung der Welt dieser Aufstieg vorhanden ist, von den zuerst geschaffenen Realitäten bis hin zum Menschengeschöpf. Aber dieser Aufstieg ist noch nicht beendet. Der Mensch soll vergöttlicht werden und sich so verwirklichen. Die Einheit des Geschöpfes mit dem Schöpfer: Das ist die wahre Entwicklung, durch die Gnade Gottes zu dieser Öffnung zu gelangen. Unser Wesen wird in der Liebe verwandelt. Wenn wir von dieser Entwicklung sprechen, denken wir immer auch an dieses Endziel, das Gott mit uns erreichen will.

Und schließlich: der Nächste. Die Liebe ist nichts Individuelles, sondern sie ist universal und konkret. Heute haben wir in der Messe den Evangeliumsabschnitt vom barmherzigen Samariter verkündet, in dem wir die zweifache Realität der christlichen Liebe sehen, die universal und konkret ist. Dieser Samariter begegnet einem Juden, also jemandem, der außerhalb seines Volkes und seiner Religion steht. Aber die Liebe ist universal, und daher ist dieser Fremde für ihn in jedem Sinn der Nächste. Die Universalität öffnet die Grenzen, die die Welt verschließen und Gegensätze und Konflikte schaffen. Gleichzeitig ist die Tatsache, daß man für die Universalität etwas tun muß, keine Philosophie, sondern konkretes Handeln. Wir müssen nach dieser Vereinigung von Universalität und Konkretheit streben; wir müssen die Grenzen zwischen Völkern, Ethnien, Religionen zur Universalität der Liebe Gottes hin öffnen – und zwar nicht theoretisch, sondern an allen Orten unseres Lebens, mit aller notwendigen Konkretheit. Bitten wir den Herrn, daß er uns all dies schenken möge, in der Kraft des Heiligen Geistes. Letztendlich ist der Hymnus eine Verherrlichung des dreieinigen Gottes und eine Bitte um Erkenntnis und Glauben. So kehrt das Ende zum Anfang zurück. Beten wir darum, daß wir erkennen können und daß das Erkennen zum Glauben wird und das Glauben zum Lieben, zum Handeln. Bitten wir den Herrn, daß er uns den Heiligen Geist schenken, ein neues Pfingsten erwecken und uns helfen möge, seine Diener zu sein in dieser Stunde der Welt. Amen.

 

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