Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - ES  - FR  - IT  - PT ]

ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER DER GENERALVERSAMMLUNG DER
CARITAS INTERNATIONALIS  

Clementina-Saal
Freitag
, 27. Mai 2011

 

 

Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs-und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich über diese Gelegenheit, anläßlich eurer Vollversammlung mit euch zusammenzutreffen. Ich danke Kardinal Oscar Rodríguez Maradiaga, Präsident der Caritas Internationalis, für die freundlichen Worte, die er auch in eurem Namen an mich gerichtet hat, und grüße euch alle und die ganze Caritas-Familie herzlich. Außerdem versichere ich euch meiner Dankbarkeit und bringe in mein Gebet die besten Wünsche für die Werke christlicher Nächstenliebe ein, die ihr in Ländern der ganzen Welt verwirklicht.

Der vorrangige Grund für unsere heutige Begegnung ist, Gott für die zahlreichen Gnaden zu danken, die er der Kirche in den 60 Jahren seit der Gründung der Caritas Internationalis geschenkt hat. Nach den Schrecken und Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs wollte der ehrwürdige Pius XII. die Solidarität und die Sorge der ganzen Kirche gegenüber den vielen Konflikt- und Notsituationen sichtbar machen. Und er tat dies, indem er eine Organisation ins Leben rief, die auf der Ebene der Universalkirche größere gegenseitige Kenntnis, Koordination und Zusammenarbeit zwischen den zahlreichen karitativen Organisationen der Kirche auf den verschiedenen Kontinenten fördern sollte (vgl. Johannes Paul II., Schreiben Beim Letzten Abendmahl, 16. September 2004, 1). Der sel. Johannes Paul II. stärkte dann die zwischen den einzelnen nationalen Caritas-Verbänden und zwischen ihnen und dem Heiligen Stuhl bestehenden Verbindungen weiter, indem er der Caritas Internationalis den Status einer öffentlichen juristischen Person gewährte (ebd., Nr. 3). Infolgedessen hat sich die Caritas Internationalis eine besondere Rolle im Herzen der kirchlichen Gemeinschaft und die Berufung erworben, in Zusammenarbeit mit der kirchlichen Hierarchie die Sendung der Kirche zu  teilen, durch gelebte Nächstenliebe jene Liebe zu bekunden, die Gott selbst ist. Auf diese Weise erfüllt die Caritas Internationalis innerhalb der für sie festgelegten Grenzen nach Maßgabe der Rechtsvorschriften im Namen der Kirche eine ihnen im Hinblick auf das Gemeinwohl übertragene eigene Aufgabe (vgl. CIC, can. 116 § 1).

Sich im Herzen der Kirche zu befinden und imstande zu sein, gewissermaßen in ihrem Namen für das Gemeinwohl zu sprechen und zu handeln, schließt besondere Verantwortlichkeiten hinsichtlich des persönlichen und gemeinschaftlichen christlichen Lebens ein. Nur durch ein tägliches Bemühen, die Gottesliebe anzunehmen und voll zu leben, kann man die Würde jedes einzelnen Menschen fördern. In meiner ersten Enzyklika Deus caritas est habe ich erneut die zentrale Stellung des Zeugnisses der Liebe für die Kirche unserer Zeit bekräftigt. Durch dieses Zeugnis, das im täglichen Leben ihrer Glieder sichtbar wird, erreicht die Kirche Millionen Männer und Frauen und ermöglicht ihnen, die Liebe Gottes, der jedem bedürftigen Menschen immer nahe ist, kennenzulernen und wahrzunehmen. Für uns Christen ist Gott selbst die Quelle der Liebe, und die Liebe wird nicht bloß als eine allgemeine Wohltätigkeit verstanden, sondern als Selbsthingabe, ja bis zur Aufopferung des eigenen Lebens für die anderen in Nachahmung des Beispiels Jesu Christi. Die Kirche führt die Heilssendung Christi zeitlich und räumlich fort; sie will jeden Menschen erreichen, da sie von dem Wunsch bewegt ist, daß jeder Mensch erkennen möge, daß ihn nichts von der Liebe Christi scheiden kann (vgl. Röm 8,3).

Die Caritas Internationalis unterscheidet sich von anderen sozialen Einrichtungen, da sie eine kirchliche Institution ist, die die Sendung der Kirche teilt. Das haben die Päpste immer gewollt, und eure Vollversammlung ist dazu aufgerufen, dies kraftvoll zu bestätigen. Mit Rücksicht darauf muß man feststellen, daß sich die Caritas Internationalis grundsätzlich aus den verschiedenen nationalen Caritas-Verbänden zusammensetzt. Im Unterschied zu den vielen kirchlichen Institutionen und Vereinen, die sich dem Einsatz für die Nächstenliebe widmen, haben die Caritas-Verbände einen anderen Wesenszug: trotz der Vielfalt der von den nationalen Caritas-Verbänden angenommenen kirchenrechtlichen Formen stellen alle eine bevorzugte Hilfe für die Bischöfe bei ihrer pastoralen Ausübung der Nächstenliebe dar. Das schließt eine besondere kirchliche Verantwortung ein, nämlich sich von den Bischöfen der Kirche führen zu lassen.

Da die Caritas Internationalis ein universales Erscheinungsbild hat und mit einer öffentlichen kanonischen Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist, hat der Heilige Stuhl die Aufgabe, ihre Aktivität zu verfolgen und darüber zu wachen, daß sowohl ihr humanitäres und karitatives Wirken als auch der Inhalt der von ihr verbreiteten Dokumente in vollem Einklang mit dem Apostolischen Stuhl und mit dem Lehramt der Kirche stehen und daß sie auf kompetente und transparente Weise verwaltet wird. Diese ins Auge fallende Identität ist die Kraft der Caritas Internationalis und das, was ihre Arbeit so besonders wirksam macht.

Ich möchte außerdem hervorheben, daß euer Auftrag euch eine wichtige Rolle auf der internationalen Ebene erfüllen läßt. Die Erfahrung, die ihr in diesen Jahren gesammelt habt, hat euch gelehrt, euch in der internationalen Gemeinschaft zum Sprachrohr einer gesunden anthropologischen Sichtweise zu machen, die von der katholischen Lehre gespeist wird und den Auftrag hat, die Würde jedes Menschenlebens zu verteidigen. Ohne ein transzendentes Fundament, ohne eine Beziehung zum Schöpfergott, ohne die Betrachtung unseres ewigen Schicksals laufen wir Gefahr, zur Beute schädlicher Ideologien zu werden. Alles, was ihr sagt und tut, das Zeugnis eures Lebens und eurer Aktivitäten, ist wichtig und trägt zur Förderung des Gesamtwohls der menschlichen Person bei. Die Caritas Internationalis ist eine Organisation, der die Rolle zukommt, die Gemeinschaft zwischen der Gesamtkirche und den Teilkirchen ebenso wie auch die Gemeinschaft unter allen Gläubigen bei der Umsetzung der Nächstenliebe zu fördern. Gleichzeitig ist sie dazu aufgerufen, ihren Beitrag anzubieten, um die Botschaft der Kirche im politischen und sozialen Leben auf internationaler Ebene einzubringen. Im politischen Umfeld – und in allen Bereichen, die das Leben der Armen direkt betreffen – genießen die Gläubigen, besonders die Laien, eine größere Handlungsfreiheit. Niemand kann bei Themen, die für die freie Diskussion offenstehen, vorgeben, »offiziell« im Namen aller Laien oder aller Katholiken zu sprechen (vgl. II. Vat. Konzil, Gaudium et spes, 43; 88). Anderseits ist jeder Katholik, ja in Wahrheit jeder Mensch dazu aufgerufen, mit geläutertem Gewissen und großzügigem Herzen zu handeln, um jene Werte zu fördern, die ich wiederholt als »nicht verhandelbar« bezeichnet habe. Die Caritas Internationalis ist deshalb aufgerufen, darauf hinzuarbeiten und die Herzen zur Öffnung gegenüber allen unseren Brüdern und Schwestern zu bekehren, damit ein jeder in voller Achtung der eigenen Freiheit und in der vollen Übernahme seiner persönlichen Verantwortung immer und überall zugunsten des Gemeinwohls handeln kann, indem er großzügig sein Bestes gibt und es in den Dienst besonders der bedürftigsten Brüder und Schwestern stellt.

In dieser umfassenden Sicht und in enger Zusammenarbeit mit den Bischöfen der Kirche, den Letztverantwortlichen für das Zeugnis der Liebe (vgl. Deus caritas est, 32), sind die nationalen Caritas-Verbände aufgerufen, ihr grundlegendes Zeugnis vom Geheimnis der in Jesus Christus offenbar gewordenen, lebendig machenden und verwandelnden Liebe Gottes fortzusetzen. Dasselbe gilt auch für Caritas Internationalis, die im Einsatz für die Erfüllung ihrer Sendung auf die Hilfe und Unterstützung des Heiligen Stuhls, besonders durch das zuständige Dikasterium, den Päpstlichen Rat »Cor Unum«, zählen kann.

Liebe Freunde, während ich euch diese Gedanken zur Reflexion anvertraue. Danke ich euch noch einmal für euren hochherzigen Einsatz im Dienst unserer bedürftigen Brüder und Schwestern. Euch, euren Mitarbeitern und allen, die in die umfassende Welt der katholischen Caritaswerke eingebunden sind, erteile ich als Unterpfand der Kraft und des Friedens im Herrn von Herzen meinen Apostolischen Segen.

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana