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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"

 

Der Herr der Zeit

Dienstag, 26. November 2013

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 49, 6. Dezember 2013

 

Wir sollten uns bloß nicht einbilden, Herr unserer Zeit zu sein. Wir können Herren des Augenblicks sein, den wir gerade erleben, aber die Zeit gehört Gott, und er schenkt uns Hoffnung, um diese Zeit zu leben. Heutzutage herrscht eine große Verwirrung im Hinblick darauf, zu bestimmen, wem die Zeit tatsächlich gehöre, aber wir dürfen uns nicht täuschen lassen, so warnte Papst Franziskus in seiner Predigt bei der Frühmesse in der Kapelle von Santa Marta am Dienstag Morgen, 26. November. Er erläuterte das Warum und das Wie in seiner Meditation über die Schriftlesungen dieses letzten Abschnitts des Kirchenjahres, in dem »die Kirche uns über das Ende nachdenken lässt«.

Der heilige Paulus, so merkte der Papst an, »kommt oft auf dieses Thema zurück, und er sagt es ganz deutlich: ›Die Fassade dieser Erde wird verschwinden.‹ Aber das ist etwas anderes. Die Lesungen sprechen oft von Zerstörung, Ende, großer Not.« Diesen Weg, der zum Ende führt, muss jeder von uns gehen, jeder Mensch, die ganze Menschheit. Aber während wir ihn gehen, »rät uns der Herr zwei Dinge«, führte der Papst aus. »Zwei Dinge, die je nachdem, wie wir leben, verschieden sind. Denn es ist eines, im Augenblick zu leben, und ein anderes ist, in der Zeit zu leben.« Und er hob hervor, dass »der Christ ein Mensch ist, der es versteht, sowohl im Augenblick zu leben als auch in der Zeit«.

Der Augenblick, fügte der Bischof von Rom hinzu, ist das, was wir in einem gelebten Moment in der Hand haben. Aber das dürfe nicht mit der Zeit verwechselt werden, denn der Augenblick gehe vorüber. »Vielleicht fühlen wir uns als Herr des Augenblicks.« Aber, so fügte er hinzu, »die Täuschung besteht darin, dass wir uns für die Herren der Zeit halten. Die Zeit gehört nicht uns.

Die Zeit gehört Gott.« Sicher, wir halten den Augenblick in Händen, und wir sind frei, ihn so zu nehmen, wie es uns am besten gefällt, erklärte der Papst weiter. Ja, »wir können die Beherrscher des Augenblicks werden. Aber die Zeit hat einen einzigen Herrscher: Jesus Christus. Deshalb rät uns der Herr: ›Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es!, und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach!‹ (Lk 21,8). Lasst euch in der Verwirrung nicht täuschen.«

Aber wie können diese Täuschungen überwunden werden? Der Christ, so erklärte der Heilige Vater, muss, um den Augenblick leben zu können, ohne sich täuschen zu lassen, mit Hilfe des Gebets und der Gabe der Unterscheidung Orientierung finden. »Jesus tadelte jene, die den Augenblick nicht zu unterscheiden vermochten«, fügte der Papst hinzu, um sich anschließend auf das Gleichnis vom Feigenbaum zu beziehen (Mk 13,28f.), in dem Christus diejenigen tadelt, die zwar imstande sind, aus dem Treiben des Feigenbaumes das Nahen des Sommers zu erkennen, die hingegen außerstande sind, die Zeichen dieses »Augenblicks, der ein Teil der Zeit Gottes ist«, zu erkennen. Dazu also diene die Gabe der Unterscheidung, erläuterte der Papst: »Um die wahren Zeichen zu erkennen, um den Weg zu erkennen, den wir in diesem Augenblick einschlagen müssen.« Das Gebet sei notwendig, um diesen Augenblick gut zu leben.

Was hingegen die Zeit anbelange, »deren einziger Herr Gott ist«, so können wir, wie der Papst betonte, nichts tun. In der Tat existiere keine einzige menschliche Tugend, die dazu beitragen könnte, irgendeine Macht über die Zeit auszuüben. Die einzige Tugend, mit der es möglich sei, auf die Zeit zu schauen, »muss uns vom Herrn geschenkt werden: es ist die Hoffnung.« Gebet und Unterscheidungsgabe für den Augenblick; Hoffnung für die Zeit: »So bewegt sich der Christ auf diesem Weg des Augenblicks, mit dem Gebet und der Unterscheidung. Aber er überlässt die Zeit der Hoffnung. Der Christ versteht es, jeden Augenblick den Herrn zu erwarten; aber er hofft auf den Herrn am Ende der Zeiten. Männer und Frauen der Augenblicke und der Zeit, des Gebets und der Unterscheidung und der Hoffnung.«

Und die abschließende Bitte des Papstes lautete: »Der Herr möge uns die Gnade schenken, mit Weisheit diesen Weg zu gehen. Auch das ist eine Gabe: die Weisheit, die uns im Augenblick zu Gebet und Unterscheidung führt, und die uns in der Zeit, die ein Bote Gottes ist, mit Hoffnung leben lässt.«

 

 



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