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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

  

Wenn man das Gedächtnis verliert

 Dienstag, 7. Oktober 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 42, 17. Oktober 2014

 

Was bedeutet Beten? »Es bedeutet, vor Gott unserer Geschichte zu gedenken. Denn unsere Geschichte ist »die Geschichte seiner Liebe zu uns«. Papst Franziskus wählte das Gedenken als Leitidee für die Predigt, die er am Dienstag, 7. Oktober, bei der Frühmesse hielt. In der Einleitung zu seiner Reflexion erläuterte er zunächst, dass die Bibel oft daran erinnere, »dass der Herr sein Volk auserwählt und es auf dem Weg durch die Wüste begleitet hat, dessen ganzes Leben lang.« Er sei ihm praktisch »zur Seite gestanden«, nachdem er es auserwählt und ihm verheißen habe, »es in ein Land der Freude, des Glücks zu geleiten«; er sei mit diesem Volk gegangen und habe mit ihm einen Bund geschlossen.

Überdies, so fügte der Papst mit Bezug auf die Gegenwart hinzu, habe Gott »das, was er mit seinem Volk getan hat, in der Vergangenheit wie auch jetzt in der Gegenwart, auch mit jedem Einzelnen von uns getan.« In der Tat, so fuhr er fort, »sind wir auserwählt worden«. Und dass es sich dabei um »eine Gnade« handle, sei so offenkundig, dass es genüge, sich die Frage zu stellen: »Warum bin ich ein Christ und der dort nicht, der in der Ferne ist und nicht einmal über Jesus hat reden hören?« Dies sei »eine Liebes-Gnade«, so betonte Franziskus, wobei er daran erinnerte, dass der Herr »auf dem Lebensweg mit uns geht«, dass er »an unserer Seite« sei, da er uns »die Freude versprochen« und einen Bund mit uns geschlossen habe. Hieraus leite sich die Aufforderung ab, »dieser Wirklichkeit« im alltäglichen Gebet »zu gedenken «. Eine Erinnerung, die nicht abstrakt sein dürfe, sondern die »in aller Konkretheit« erfolgen müsse, wie es auch der heilige Paulus in der ersten Tageslesung tue (Gal 1,13-24), wo er sage: »Brüder, ihr habt doch gehört, wie ich früher als gesetzestreuer Jude gelebt habe, und wisst, wie maßlos ich die Kirche Gottes verfolgte und zu vernichten suchte.«

Der Papst machte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass der Apostel seine Geschichte nicht etwa damit beginne zu sagen: »Ich bin gut, ich bin der Sohn von diesem und jenem, mir eignet ein gewisser Adel…« Vielmehr zeige er offen, was er sei: »Ich bin ein Verfolger gewesen, ich bin böse gewesen.« Und auf diese Weise »gedenkt Paulus seines Weges, und so beginnt er damit, an seine Anfänge zu erinnern«, wie es diese Worte bezeugen: »Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat…« Dasselbe, so erklärte der Bischof von Rom, treffe auch auf uns zu, »die wir Christen sind«, auf »einen jeden von uns, denn er hat uns auserwählt, und die Wahl hat er getroffen. Es ist nicht unsere Wahl. Das geschah durch seine Gnade, es ist ein Geschenk.«

Die Aufforderung zum »Gedenken« leite sich Papst Franziskus zufolge aus der Feststellung ab, dass diese Verhaltensweise eine »Gewohnheit« sei, »die nicht weit unter uns verbreitet ist. Wir vergessen die Dinge, wir leben im Augenblick, und dann vergessen wir die Geschichte.« Dagegen habe, so betonte er, »jeder von uns eine Geschichte: eine Geschichte der Gnade, eine Geschichte der Sünde, eine Geschichte des Weges.« Eben deshalb »tut es gut, unserer Geschichte eingedenk zu beten.« Gerade so, wie es »Paulus tut, der ein Stück seiner Geschichte erzählt«, indem er sage: »Er hat mich auserwählt. Er hat mich berufen. Er hat mich gerettet. Er ist mein Weggefährte gewesen.« Er gehe in seinem Bericht so weit, dass auch die Zuhörer, die wussten, was für ein Leben er geführt habe, diese Worte wiederholt hätten: »Er, der uns einst verfolgte, verkündigt jetzt den Glauben, den er früher vernichten wollte.«

Also »heißt des eigenen Lebens zu gedenken, Gott zu ehren.« Und auch »unserer Sünden zu gedenken, vor denen uns der Herr gerettet hat, heißt Gott zu ehren.« Im Übrigen sage auch Paulus, »dass er sich nur zweier Dinge rühmt: der eigenen Sünden und der Gnade des gekreuzigten Gottes, Seiner Gnade.« Kurz, der Apostel »gedachte seiner Sünden«, indem er sich dessen gerühmt habe, ein Sünder zu sein, eben aus dem Grund, weil ihn der gekreuzigte Christus gerettet habe. Das, so betonte der Papst, »war das Gedenken des Paulus.« Und »das ist das Gedenken, das zu tun wir alle von Jesus selber aufgerufen sind.« Man denke nur an das, was der Herr zu Marta sage: »Du machst dir viele Sorgen und Mühen, aber nur eines ist notwendig«, während »Maria das Bessere gewählt hat«. Was? »Den Herrn hören und dessen gedenken.« Das sei der Grund dafür, dass »man nicht jeden Tag so beten kann, als hätten wir keine Geschichte. Ein jeder von uns hat seine eigene. Und mit dieser Geschichte im Herzen gehen wir zum Gebet.« Im vorliegenden Fall ist Maria das Vorbild; und doch hätten wir mehr Ähnlichkeit mit Marta, denn geradeso wie sie »sind wir oft abgelenkt durch die Arbeiten, durch den Tagesablauf, dadurch, dass wir die Dinge erledigen müssen, die wir tun müssen«, und dabei vergäßen wir unsere Geschichte.

Eine Geschichte, jene »unserer Beziehung zu Gott«, die, wie Papst Franziskus erinnerte, »nicht mit dem Tag der Taufe beginnt: an jenem Tag wird sie nur besiegelt.« In Wirklichkeit beginne sie in jenem Augenblick, »in dem Gott uns aus der Ewigkeit angeschaut und auserwählt hat.« Kurz, es sei eine Geschichte, die »im Herzen Gottes ihren Anfang nimmt.« Und folglich heiße beten soviel wie »der Wahl gedenken, die Gott im Hinblick auf uns getroffen hat; unseres Weges des Bundes gedenken.« Das bedeute, dass man sich die Frage stelle, ob »dieser Bund respektiert worden ist« oder nicht. Und da wir vor allem »Sünder sind«, heiße beten vor allem »der Verheißung gedenken, die Gott« uns gemacht habe und die »niemals enttäuscht«, jene Verheißung , »die unsere Hoffnung ist.«

Zum Abschluss betonte Papst Franziskus, dass »dies das wahre Gebet« sei, wobei er empfahl, dass man »unser Gebet mit dem schönen Psalm 139 demütig beginnen« könne, der im Wortgottesdienst gelesen worden war: »Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken. Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit all meinen Wegen. Denn du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter. Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast!« Denn, so kommentierte er: »Das heißt beten!«

 



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