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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Verführerische Schattentöne

Freitag, 16. Oktober  2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 6. November 2015

 

Es gibt einen sehr wirkungsvollen und gefährlichen »Virus«, der auf uns lauert, aber es gibt auch einen Vater, »der uns sehr liebt« und uns beschützt. Im Mittelpunkt der Predigt, die Papst Franziskus im Lauf der Frühmesse hielt, die er am Freitag, 16. Oktober, in Santa Marta feierte, stand die arglistige Verlockung der Heuchelei. Den biblischen Bezugstext stellte das Tagesevangelium bereit (Lk 12,1-7): »Jesus stand inmitten Tausender von Menschen« – eine Menschenmenge, die sich so dicht um ihn drängte, »dass sie sich gegenseitig drückten und traten« –, und bevor »er zum Volk spricht, um zu lehren«, wie er zu tun pflegte, wandte er sich »an die Jünger, die dabei waren«. Inmitten so vieler Menschen »redet er zu ihnen über eine winzig kleine Sache: über den Sauerteig«.

Die Warnung des Herrn – »Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer« – ähnele, so sagte der Papst, jenem »eines Arztes, der zu seinen Mitarbeitern, zu seinen Sprechstundenhilfen sagt: ›Passt gut auf, dass all diese Menschen sich nicht mit dem Virus anstecken>‹«. Und der »Sauerteig der Pharisäer«, so fügte Franziskus hinzu, sei »die Heuchelei«. Jene Heuchelei, die Jesus ihnen immer in völliger Offenheit vorgeworfen habe, indem er ihnen »ins Gesicht« gesagt habe: »Heuchler. Heuchler: Ihr seid Heuchler!« Was aber sei im Grunde dieser Virus, über den Jesus »mitten in dieser Menschenmenge« spreche? Der Papst erklärte es: »Die Heuchelei ist jene Art zu leben, zu handeln, zu sprechen, die nicht eindeutig ist«, die sich auf eine zweideutige Art und Weise präsentiere: »Vielleicht lächelt er, vielleicht ist er ernst … es ist weder Licht noch Finsternis«. Es sei ein bisschen so wie die Schlange: »Sie bewegt sich in einer Art und Weise, dass es den Anschein hat, als stelle sie für niemanden eine Bedrohung dar«, und sie verfüge über den »Charme der Schattentöne«. Die Heuchelei fasziniere also dadurch, »dass sie die Dinge nicht klar und deutlich sagt; den Charme der Lüge, des Scheins«. Jesus selbst füge in den Evangelien noch einige Bemerkungen über das Verhalten der »heuchlerischen Pharisäer« hinzu, indem er sage, dass sie »eingebildet und eitel« seien und dass sie gerne »auf den Plätzen spazierengehen«, um vorzuführen, wie wichtig sie seien.

Jesus warne vor ihnen und sage, indem er wieder das Wort ergreife, zu allen: »Erschreckt nicht, fürchtet euch nicht: Aber hütet euch vor dem Sauerteig dieser Leute, denn alles, was verborgen ist, wird bekannt. Nichts ist verhüllt, das nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Deshalb wird man alles, was ihr im Dunkel redet, am hellen Tag hören, und was ihr einander hinter verschlossenen Türen ins Ohr flüstert, das wird man auf den Dächern verkünden.« Als wolle er sagen: Es nützt nichts, sich zu verstecken, denn letztlich »kommt alles ans Licht«. Und das habe er gesagt, so setzte der Papst auseinander, »weil der Sauerteig der Pharisäer die Menschen dazu brachte, das Dunkel mehr zu lieben als das Licht«. Der Apostel Johannes habe das selbst betont, als er geschrieben habe: »Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht«.

An diesem Punkt, so fügte Franziskus in der Fortsetzung seiner Reflexion fort, lenke Jesus »die Aufmerksamkeit auf das Vertrauen auf Gott«. Denn wenn es wahr sei, dass »dieser Sauerteig ein Krankheit erregender Virus ist« und zum Tode führe – und Jesus warne: »Hütet euch! Dieser Sauerteig führt dich in die Finsternis. Hütet euch!« –, dann sei auch wahr, dass es jemand »größeren« gebe, und das sei »der Vater im Himmel«. Um diese hilfreiche Gegenwart des Vaters zu erläutern, sage Jesus: »Verkauft man nicht fünf Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch vergisst Gott nicht einen von ihnen. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.« Daraus leite sich »die abschließende Mahnung ab: Fürchtet euch nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.‹«

Der Papst vertiefte gerade diesen Aspekt. »Angesichts all dieser Ängste«, so sagte er, die von dem »Virus«, vom »Sauerteig der pharisäischen Heuchelei« erregt würden, sollten wir durch das getröstet werden, was uns Jesus sage: »Es gibt einen Vater. Es gibt einen Vater, der euch liebt. Es gibt einen Vater, der sich eurer annimmt.« Angesichts der »Verführung durch die Schattentöne, der Verführung durch die Schlange« beruhige uns Jesus: »Seid ruhig, der Vater liebt euch, er verteidigt euch. Habt Vertrauen in ihn. Fürchtet euch nicht vor diesen Dingen.«

Auf diese Art und Weise, so erläuterte der Papst, gehe Jesus »vom Allerkleinsten inmitten einer großen Menschenmasse aus, und schlägt von da aus einen Bogen zum Allergrößten, zum Vater, der sich um alles kümmert, auch um die Allerkleinsten, damit sie nicht erkranken, damit sie sich nicht mit dieser Krankheit anstecken«. Und, so betonte Franziskus: »Wenn Jesus das zu uns sagt, dann fordert er uns zum Gebet auf«, er fordere uns zum Gebet auf, damit wir nicht »in diese pharisäische Einstellung verfallen, der zufolge es weder Licht noch Finsternis gibt«, die immer auf halbem Wege stehenbleibe und »niemals das Licht Gottes erreichen wird«. Also, so schloss er, »müssen wir viel beten«. Wir sollten den Herrn bitten: »Behüte deine Kirche, die wir alle zusammen sind: behüte dein Volk, das sich versammelt hatte und sich gegenseitig drückte und trat. Behüte dein Volk, auf dass es dein Licht liebe, das Licht, das vom Vater herkommt, das von Deinem Vater herkommt«. Der Papst fügte hinzu, dass wir Gott darum bitten sollten, sein Volk zu behüten, »dass es nicht heuchlerisch werde, dass es nicht in ein laues Leben verfalle«, dass es »die Freude erfahre, zu wissen, dass es einen Vater gibt, der uns sehr liebt«.

 



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