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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Waisen oder Jünger

Dienstag, 19. April 2016

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 17, 29. April 2016

 

Mit dem Gebet des Vaterunser überreicht Jesus einem jeden die Vaterschaftsurkunde: Niemand ist Waise, aber es besteht die Gefahr es zu werden, wenn man das Herz verschließt und sich nicht von der Liebe Gottes anziehen lässt. Darauf wies Franziskus in der heiligen Messe hin, die er am Morgen des 19. April in Santa Marta feierte. Der Papst empfahl auch, im Geist eines Kindes, ein demütiges Gebet zu sprechen: »Vater, ziehe mich zu Jesus; Vater, führe mich, damit ich Jesus kennenlerne.« Gerade um nicht dieselbe Haltung zu haben wie die Schriftgelehrten, die sogar angesichts der Wunder Jesu und seiner Auferstehung alles taten, um die Tatsachen zu leugnen.

Franziskus ging bei seinen Überlegungen vom Tagesevangelium nach Johannes (10,22-30) aus. »Jesus setzt sich ein weiteres Mal mit den Priestern, den Schriftgelehrten auseinander«, so der Papst zu Beginn. »Sie stellen ihm eine Frage: ›Wie lange noch willst du uns hinhalten? Wenn du der Messias bist, sag es uns offen!‹« Im Übrigen seien jene Schriftgelehrten »stets zum selben Thema zurückgekehrt: ›Wer bist du? Mit welcher Vollmacht tust du dies?‹« Das Evangelium sage uns, was Jesus geantwortet habe: »Ich habe es euch gesagt, aber ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich im Namen meines Vaters vollbringe, legen Zeugnis für mich ab; ihr aber glaubt nicht.« Sie glaubten nicht, obwohl »sie so viele Dinge, so viele Wunder gesehen hatten«. Denn »als Jesus den Blindgeborenen heilt – im neunten Kapitel des Johannesevangeliums –, stellten sie alle nur erdenklichen Untersuchungen an: Sie riefen die Eltern; sie riefen die, die ihn kannten; sie riefen ihn; dann noch einmal…« Kurz, »es war klar dass er blind geboren worden war, aber sie glaubten nicht«. Da sage »Jesus etwas über die geistliche Blindheit: jene, die zu sehen glaubten, die Hervorragenden, die alles wussten und kannten – das ganze Gesetz –, sahen nichts, weil sie die Blinden waren, die von Geburt an Blinden.« »Ihr aber glaubt nicht«, sage also Jesus zu den Schriftgelehrten. Und er erkläre den Grund: das sei auch »das Neue dieses Evangelienabschnitts«, unterstrich der Papst. »Ihr glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört«, sage der Herr. Franziskus fuhr fort, dass jemand meinen könne, »um glauben zu können, müsse man ›‹ sagen und dann gehöre man zu den Schafen Jesu«. Nein, »es ist genau andersherum: Nur die, die zu den Schafen Jesu gehören, können glauben.«

Das werde von den Worten Jesu im Johannesevangelium bestätigt: »Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen.« Der Papst fragte: »Aber haben diese Schafe studiert, um Jesus zu folgen, und haben dann geglaubt? Nein.« Die endgültige Antwort gebe Jesus selbst: »Mein Vater, der sie mir gab, ist größer.« Gerade der Vater sei es, »der die Schafe dem Hirten gibt; es ist der Vater, der die Herzen zu Jesus zieht.« Der Herr bestätige dies mit eindeutigen Worten: »Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater ihn zu mir führt.« Und diese Menschen, »die die Schafe Jesu sind, sind vom Vater angezogen worden, haben sich anziehen lassen«.

»Dagegen hatten die Schriftgelehrten ein verschlossenes Herz. Sie fühlten sich als Herren ihrer selbst, aber in Wirklichkeit waren sie Waisen, weil sie keine Beziehung zum Vater hatten.« Es sei wahr, »dass sie von ihren Vätern sprachen – unser Vater Abraham, die Patriarchen –, aber als der Vergangenheit angehörende Personen.« Wir stünden, so der Papst, vor »dem Drama des verschlossenen Herzens dieser Menschen: Sie glaubten, sie hätten sich selbst geschaffen, weil sie alles wussten, und deshalb war ihr Herz unfähig zu glauben, weil sie sich nicht vom Vater zu Jesus ziehen ließen, und deshalb gehörten sie nicht zu den Schafen Jesu.« Dieses »Drama geht weiter bis Golgota«. Und dann »auch am Tag der Auferstehung: Als die Soldaten kommen und berichten, was geschehen war, was tun sie da? Sie geben ihnen einen schönen Rat: ›Ihr sagt, dass ihr eingeschlafen seid und dass die Jünger den Leichnam gestohlen haben.‹« So »öffnen sie die Geldbörse «, dem »Bestechungsprinzip« folgend: »Du schweigst und ich bezahle dich, damit du schweigst.«

Denn »auch nicht angesichts dieses Beweises, dieser Zeugen, die die Auferstehung gesehen hatten, ließen sie sich vom Vater zu Jesus hinziehen. « Daher »können sie nicht glauben, weil sie nicht zu den Schafen Jesu gehören: sie sind Waisen «, weil »sie ihren Vater verleugnet haben«. Anschließend bezog sich der Papst auf die erste Lesung aus der Apostelgeschichte (11,19-26) und unterstrich, wie man »die gegenteilige Haltung erkennen kann: Die Jünger sind nach der Verfolgung, die wegen des Todes von Stephanus in Jerusalem entstanden war, bis nach Phönizien, Zypern und Antiochia gekommen. Dort verkündeten sie das Wort den Juden: einige glaubten, andere nicht, aber der Glaube ging weiter.« Aber »einige von ihnen begannen, auch den Heiden und Griechen Jesus Christus zu verkünden, und das war eine sehr tiefgreifende Änderung: es war eine Verwandlung ihrer Vorstellung vom Zugang zum Heil«. Daher hätten »die Jünger, die in Jerusalem geblieben waren, ein wenig Angst gehabt und Barnabas nach Antiochia geschickt«. Als Barnabas »ankam und die Gnade Gottes sah, freute er sich und ermahnte alle, dem Herrn mit entschlossenem Herzen treu zu bleiben. Er akzeptierte das Neue, weil er sich vom Vater zu Jesus hinziehen ließ, dessen Wille dies war.« Der Papst erläuterte weiter: »Jesus lädt uns ein, seine Jünger zu sein. Aber um es zu sein, müssen wir uns vom Vater zu ihm ziehen lassen. « Das »demütige Gebet des Kindes, das wir sprechen können, lautet: ›Vater, ziehe mich zu Jesus; Vater, führe mich, damit ich Jesus kennenlerne!‹ « Und »der Vater wird den Heiligen Geist senden, um unsere Herzen zu öffnen, und er wird uns zu Jesus führen«. Denn »ein Christ, der sich nicht vom Vater zu Jesus hinziehen lässt, ist ein Christ, der in der Situation eines Waisen lebt. Aber wir haben einen Vater, wir sind keine Waisen.«
 

Zum Abschluss der Predigt empfahl Franziskus, »sich an den Vater zu wenden, wie es Jesus uns gelehrt hat – ›Vater unser im Himmel…‹ – und die Gnade zu erbitten, zu Jesus hingezogen zu werden«.

 

 



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