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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Das Neue und der Widerstand 

Donnerstag, 28. April 2016

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 18, 6. Mai 2016

 

Von Pfingsten an ist der Heilige Geist der »Hauptakteur der Kirche«: Er ist es, der »alles bewegt«, der hilft, »im Martyrium stark zu sein«, aber auch »die Widerstände zu überwinden«, die innerhalb der christlichen Gemeinschaft auftreten können. Papst Franziskus erzählte in der Predigt, die er am Morgen des 28. April im Gästehaus Santa Marta hielt, von diesem Weg, den die Kirche von den Anfängen an bis in unsere Tage zurückgelegt hat. Ein Weg, der seit den ersten Diskussionen unter den Aposteln von gewissen Haltungen geprägt war: »sich versammeln«, »einander anhören«, »diskutieren«, »beten« und mit dem Heiligen Geist »entscheiden«. Das, so unterstrich der Papst, sei der Weg »der Synodalität«, in der die »Gemeinschaft der Kirche zum Ausdruck kommt«, die das Werk des Heiligen Geistes ist.

»Der Protagonist der Kirche, des Wirkens der Kirche, des Wachstums der Kirche« ist der Heilige Geist. Dies sei eine Tatsache, die aus der Heiligen Schrift ganz klar hervorgehe. Denn der Geist habe »vom ersten Augenblick an den Aposteln, jedem einzelnen, die Kraft gegeben, das Evangelium, den Namen Jesu zu verkünden«. Der Heilige Geist »sagte zu Philippus: ›Geh auf jener Straße, wo der äthiopische Proselyt war und höre…‹« Genauso habe er Petrus nach Cäsarea gesandt und zu Paulus »im Traum gesagt: ›Komm nach Mazedonien!‹« Genau dort, wo Paulus und Silas im Gefängnis waren, sei es wiederum der Heilige Geist gewesen, der das Herz des Gefängniswärters bewegte, der angesichts der außerordentlichen Ereignisse – in der Apostelgeschichte stehe: »Plötzlich begann ein gewaltiges Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Mit einem Schlag sprangen die Türen auf und allen fielen die Fesseln ab.« – um die Taufe bat.

Daraus schloss der Papst: »Der Heilige Geist ist es, der alles bewirkt, der die Kirche voranbringt.« Aber der Heilige Geist bringe die Kirche auch voran, »indem sie sich mit ihren Problemen auseinandersetzt«. »Als zum Beispiel nach dem Martyrium von Stephanus die Verfolgung ausbricht, ist es der Heilige Geist, der den Gläubigen die Kraft gibt, dem Glauben treu zu bleiben.« Er sei es auch, »der die Gläubigen nach dem Martyrium von Stephanus zur Flucht aus Jerusalem veranlasst«, und der sie dränge, »den Glauben an Jesus an andere Orte zu bringen«.

Auch in der Lesung vom Tage, die der Apostelgeschichte (15,7-21) entnommen war, begegne man dem Wirken des Heiligen Geistes, der »die Kirche voranbringt. Er bringt sie voran in Augenblicken des Friedens, freudigen Augenblicken, in Augenblicken der Umkehr, aber auch in schwierigen Momenten der Verfolgung und auch des Widerstand und der Uneinsichtigkeit der Schriftgelehrten«. Im vorliegenden Abschnitt sei vom »Widerstand jener zu lesen, die glaubten, dass Jesus nur für das auserwählte Volk gekommen sei«. Als diese gehört hätten, dass der Heilige Geist »auf die Heiden, die Griechen, auf jene, die nicht zum Volk Israel gehörten«, herabgekommen sei, hätten sie sich aufgelehnt und gesagt: »Nein, das geht nicht.« Obwohl sie von »gutem

Willen« beseelt gewesen seien, hätten sie »Widerstand « geleistet. So wie sie selbst andere Bedingungen eingeführt hätten: »Ja, wenn es wahr ist, dass der Heilige Geist auf sie herabgekommen ist, dann müssen sie aber den Weg des Gesetzes gehen, um zur Gnade zu gelangen, das heißt den Weg der Beschneidung und aller anderen Riten und Bräuche des Volkes Israel.« Es habe ein »großes Durcheinander« geherrscht, das durch das ausgelöst wurde, was der Papst als »die Überraschungen des Heiligen Geistes« definierte. Das heißt, »der Heilige Geist brachte die Herzen auf einen neuen Weg« und die Apostel »fanden sich Situationen ausgesetzt, mit denen sie niemals gerechnet hätten, neuen Situationen«. Das Problem war aber: »Wie soll man mit diesen neuen Situationen umgehen?« Es ist keineswegs Zufall, dass die Lesung aus der Apostelgeschichte mit der Präzisierung beginnt: »In jenen Tagen als ein heftiger Streit entstand…«. Und dabei habe es sich, wie Franziskus betonte, um einen »heftigen« Streit gehandelt, da die Apostel einerseits »über die Kraft des Geistes verfügten« – der hier die Hauptrolle spielt –, »der sie drängte, immer weiter und noch weiter zu gehen«, dass der Geist sie gleichzeitig aber auch mit Neuem in Berührung brachte, mit gewissen Dingen, die niemals vorher je getan worden waren«, ja »die sie sich nicht einmal hätten träumen lassen«. So zum Beispiel die Tatsache, dass die Heiden den Heiligen Geist empfangen könnten. Daher hätten sie sich gefragt: »Und was machen wir jetzt?« Kurzum, so erläuterte der Papst unter Verwendung eines ganz alltäglichen Ausdrucks: »Ihnen war der schwarze Peter zugeschoben worden, und wussten nicht, was sie tun sollten«.

In der Apostelgeschichte stehe also, dass deshalb eine Versammlung abgehalten worden sei, bei der jeder »von seinen Erfahrungen« berichtet habe – »Paulus, Barnabas, Petrus selbst« –, und dass sich die Apostel schließlich geeinigt hätten. Aber vor der Lösung, so betonte der Papst, könne man »etwas Schönes« beobachten: »Da schwieg die ganze Versammlung. Und sie hörten Barnabas und Paulus zu, wie sie erzählten, welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte.« Aus diesem Bericht kristallisiere sich also ein grundlegender Aspekt heraus: das »Zuhören, keine Angst davor zu haben, zuzuhören «. Das sei wichtig, weil »jemand dann, wenn er sich davor fürchtet, zuzuhören, den Heiligen Geist nicht in seinem Herzen hat«. Und es sei vor allem wichtig, »demütig zuzuhören«.

Tatsächlich hätten die Apostel erst »nachdem sie zugehört hatten, beschlossen«, einige Jünger »zu den griechischen Gemeinden, also den Heidenchristen zu schicken, um sie zu beruhigen und ihnen zu sagen: ›In Ordnung, weiter so‹«. Sie hätten sich also »geeinigt, haben diese Brüder ausgesandt und beschlossen, einen Brief zu schreiben«. Und auch in diesem Brief, so betonte der Papst, »ist der Heilige Geist Protagonist«. Daher lese man: »Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen…«. Es ist also klar, dass die Apostel »die Kirche gemeinsam mit dem Heiligen Geist leiten«. Die Lesung zum Tage sei zweifellos ein Hinweis darauf, welcher »der Weg ist, den die Kirche bei Verfolgungen einschlagen soll«, und auch bei den »Überraschungen des Heiligen Geistes, denn der Heilige Geist überrascht uns immer«. Wie solle man Probleme angehen? »Mit Versammlungen, durch Zuhören, Diskutieren, Beten und schließlich mit einer Entscheidung. Da ist dann der Heilige Geist«. Ein Stil, ein Weg, denen von Anfang an »bis heute« gefolgt wurde, jedes Mal, wenn uns »der Heilige Geist überrascht« mit etwas, von dem man sage: »das ist noch niemals so gemacht worden«; oder: »so muss man’s machen«.

»Denkt nur «, so fügte der Papst hinzu, indem er sich eines Beispiels bediente, das »ns vertrauter ist« – »an das II. Vatikanische Konzil, an all den Widerstand, auf den das II. Vatikanische Konzil gestoßen ist«. Auch heutzutage, so sagte er, gebe es »Widerstand, der auf diese oder jene Weise fortdauert, und den Heiligen Geist, der vorangeht«. Aber »das ist der Weg der Kirche: sich Versammeln, Zusammenkommen, gegenseitig Zuhören, Diskutieren, Beten und Entscheiden. Und gerade das ist die sogenannte Synodalität der Kirche, in der die Gemeinschaft der Kirche zum Ausdruck kommt.«

Und wieder einmal, so erläuterte Franziskus, begegneten wir dem, der seit jeher »der Protagonist« sei. In der Tat: Wer schafft die Gemeinschaft? Der Heilige Geist!«; und »was erwartet der Herr von uns? Fügsamkeit dem Heiligen Geist gegenüber «, also »keine Angst haben, wenn wir sehen, dass es der Heilige Geist ist, der uns ruft«. Ja, mitunter sei es der Heilige Geist selbst, der »uns Einhalt gebietet« und uns den rechten Weg weise. Der Heilige Geist lasse uns mit Sicherheit »nicht im Stich« und »er verleiht uns den Mut, er schenkt uns Geduld, er sorgt dafür, dass wir auf dem Weg Jesu sicher gehen, er hilft uns dabei, Widerstand zu überwinden und beim Martyrium stark zu sein«. Dieser Geist, so schloss der Papst, »ist die Gabe des Vaters, der Jesus zu uns geschickt hat.«

Daraus leitete der Papst seine abschließende Aufforderung ab: »Lasst uns den Herrn um die Gnade bitten, zu verstehen, auf welchem Weg die Kirche weitergehen soll, zu verstehen, dass sie sich von Anfang an den Überraschungen des Geistes gestellt hat« und bitten wir – jeder Einzelne von uns – um »die Gnade der Fügsamkeit dem Heiligen Geiste gegenüber«.

 



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