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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Wie wichtig die Scham ist

Montag, 26. Februar 2018

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 11, 16. März 2018)

 

Zwei geistliche Ratschläge von Papst Franziskus für die Fastenzeit: »die Anderen nicht verurteilen « und »Gott um die Gnade der Scham angesichts der eigenen Sünden bitten«. »Urteilen« und »Barmherzigkeit« waren zusammen mit dem Rat zu einer persönlichen Gewissenserforschung die Angelpunkte der Betrachtung des Papstes bei der Messe in Santa Marta am Montag, dem 26. Februar.

»Die Fastenzeit ist ein Weg der Läuterung. Die Kirche bereitet uns auf das Osterfest vor und lehrt uns auch, uns zu erneuern, umzukehren«, merkte Franziskus gleich zu Beginn an. Und »wir können sagen, dass die Botschaft von heute das Gericht ist, denn wir alle werden gerichtet werden: wir alle«. »Keiner von uns wird dem Gericht Gottes entgehen können: es gibt das persönliche Gericht und dann das Jüngste Gericht«. »In dieser Optik«, erklärte der Papst, »lässt uns die Kirche über zwei Haltungen nachdenken: die Haltung gegenüber dem Nächsten und die Haltung vor Gott«. Besonders gegenüber dem »Nächsten sagt sie uns, dass wir nicht verurteilen dürfen: ›Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden. Mehr noch: vergebt und es wird euch vergeben werden.‹« Und »der Herr ist klar darin«, so Franziskus, der den Abschnitt aus dem Tagesevangelium nach Lukas (6,36-38) zitierte.

Gewiss, fuhr der Papst fort: »Ein jeder von uns mag denken: ›Ich verurteile nie, ich spiele nie den Richter.‹« Aber »wenn wir in unserem Leben suchen, in unseren Haltungen – wie oft besteht doch der Gegenstand unserer Gespräche darin, über die Anderen zu urteilen!« Vielleicht »kommt es einem auch ein wenig natürlich« zu sagen: »Das geht nicht.« Doch, betonte Franziskus erneut, »wer hat dich, gerade dich zum Richter ernannt?«

In Wirklichkeit »ist dieses Urteilen über andere etwas Hässliches, denn der einzige Richter ist der Herr«. Im übrigen »kennt Jesus diese unsere Neigung, über die Anderen zu urteilen« und ermahnt uns: »Sei vorsichtig, denn nach dem Maß, mit dem du urteilst, wirst du gerichtet werden: Wenn du barmherzig bist, wird Gott mit dir barmherzig sein.« Also »nicht verurteilen«.

Gleichsam als Test schlug der Papst vor: »Wir können uns eine Frage stellen. Bei den Treffen, die wir haben, bei einem Mittagessen, was auch immer es sei, denken wir an die zwei Stunden, die es dauert: in den zwei Stunden – wie viele Minuten wurden darauf verwendet, über die Anderen zu urteilen?« Und wenn »das das ›Nein‹ ist, was ist das ›Ja‹? Seid barmherzig! Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Mehr noch: seid großherzig, ›gebt und euch wird gegeben werden‹«. Doch »was wird mir gegeben werden?

›Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß‹«, rief Franziskus in Erinnerung und zitierte dabei erneut den Abschnitt aus dem Lukasevangelium. Und das heißt: »Die Fülle der Großherzigkeit des Herrn, wenn wir vom Überfluss unserer Barmherzigkeit erfüllt sein werden, da wir nicht urteilen.«

Franziskus riet dazu, »ein wenig an das« zu denken: »Verurteile ich die Anderen? Wie urteile ich? Auf dieselbe Weise werde ich gerichtet werden. Bin ich barmherzig mit den Anderen? Auf dieselbe Weise wird der Herr mit mir barmherzig sein.« »Wir können uns – heute, morgen, übermorgen – ein paar Minuten Zeit nehmen, um daran zu denken, und das wird uns gut tun«. »Der zweite Teil der heutigen Botschaft der Kirche«, fuhr er fort, »ist die Haltung vor Gott«. Und »es ist so schön, wie uns der Prophet Daniel sagt, wie die Haltung vor Gott sein muss: demütig«, erklärte der Papst und bezog sich dabei auf den Abschnitt aus dem Buch Daniel (9,4-10).

Also: »Du bist Gott, ich bin Sünder. Der Dialog mit Gott geht immer von dieser büßenden Anbetung aus: du bist Gott, ich bin Sünder.« So schreibe Daniel: »Wir haben gesündigt und Unrecht getan, wir sind treulos gewesen und haben uns gegen dich empört; von deinen Geboten und Rechtsentscheiden sind wir abgewichen!« Mit einem Wort: »Wir haben gesündigt, Herr.«

Doch gerade »das ist die Demut vor Gott. Ein jeder von uns kennt seine Sünden, und das kann er vor Gott sagen: Herr, ich habe gesündigt, ich bin ein Sünder und ›dir kommt die Gerechtigkeit zu, uns die Scham‹«. Darüber hinaus »wissen wir, dass die Gerechtigkeit Gottes die Barmherzigkeit ist, aber man muss es sagen: ›Dir kommt die Gerechtigkeit zu, uns die Scham.‹« Und »wenn die  Gerechtigkeit Gottes auf unsere Scham trifft, dann kommt es zur Vergebung«. Dazu schlug Franziskus die Fragen vor, die man sich selbst bei einer Gewissenserforschung stellen sollte: »Glaube ich, gegen den Herrn gesündigt zu haben? Glaube ich, dass der Herr gerecht ist? Glaube ich, dass er barmherzig ist? Schäme ich mich vor Gott, ein Sünder zu sein?« Die Antwort sei »ganz einfach: ›Dir die Gerechtigkeit, mir die Scham.‹« Also müssen wir »um die Gnade der Scham bitten«.

»In meiner Muttersprache«, so der Papst, »nennt man die schlimmen, bösen Leute, die Übles tun, ›schamlos‹, ›desvergonzados‹«. Deshalb sollten wir »bitte um die Gnade bitten, dass es uns nie an der Scham vor Gott mangle: ›Dir die Gerechtigkeit, mir die Scham.‹« Denn »die Scham ist eine große Gnade«.

Abschließend forderte der Papst dazu auf, unsere »Haltung gegenüber dem Nächsten« zu prüfen und uns in Erinnerung zu rufen, »dass mit dem Maß, mit dem ich urteile, ich selbst gerichtet werde«. Deshalb »darf ich nicht verurteilen«. Und »wenn ich etwas über den Anderen sage, dann soll dies großherzig gesagt werden, mit viel Erbarmen «. Was die »Haltung vor Gott« betrifft, müsse sie auf »diesen wesentliche Dialog« konzentriert sein: »Dir die Gerechtigkeit, mir die Scham.«

 



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