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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Die wahre Freude

Freitag, 13. April 2018
 

 

 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 18, 4. Mai 2018)

 

In einer »schizophrenen« Welt, die immer »mehr der Sklave« von Moden, Ehrgeiz und Geld ist, gibt es eben auch die wahre Freiheit, die Jesus selbst vorschlägt. Und diese wurde und wird zuweilen unter Prüfungen von den Aposteln und von den vielen Christen verwirklicht, die heute Opfer von Verfolgungen sind und dennoch immer frei bleiben. Einen wahren Hymnus auf die Freiheit stimmte Papst Franziskus in der heiligen Messe in Santa Marta am 13. April an. »Ein Wort, das in dieser Osterzeit oft wiederholt wird, lautet ›Freiheit‹, frei sein«, erklärte der Papst gleich zu Beginn seiner Predigt. »Jesus hat uns mit seinem Erlösungswerk die Freiheit zurückgegeben, die Freiheit der Kinder.« Franziskus räumte ein: »Im alltäglichen Sprachgebrauch meinen wir oft, dass frei zu sein bedeutet, das zu tun, was ich will und wie oft ich will.« Doch das bedeute auch, »Sklave zu werden. Denn wenn das, was ich will, etwas ist, das mich vom Herzen her unterdrückt, bin ich dessen Sklave und nicht frei.«

»Die heutige Liturgie lässt uns über drei Personen nachdenken, die alle drei frei sind«, erklärte der Papst und bezog sich dabei auf die Lesungen aus der Apostelgeschichte (5,34-52) und aus dem Johannesevangelium (6,1-15). »Es wird uns gut tun, über jeden einzelnen von ihnen nachzudenken.« Angefangen bei Gamaliël, der »in diesem Abschnitt« vorgestellt werde, »der das Ende der langen Geschichte von der Heilung des Gelähmten bildet, die wir dieser Tage gelesen haben, wo die Gesetzeslehrer, die Priester den ›Schwarzen Peter‹ in der Hand hielten und nicht wussten, wie sie dieses Problem lösen sollten«. Doch »ihrer Ansicht nach hatten sie bereits eine gute Lösung für ein anderes Problem gefunden: Sie hatten die Soldaten vor dem Grab bezahlt.« Aber »in diesem Fall konnte man nicht auf dasselbe System zurückgreifen«, und »ebensowenig konnte man zu einer Lösung kommen, indem man« die Apostel »ins Gefängnis brachte, da sie gesehen hatten, dass der Engel Gottes sie befreite «. Ihr Problem lautete also, was sie mit den Jüngern tun sollten.

»Gamaliël, ein freier Mann, denkt ruhig nach. Er lässt sie überlegen.« Und mit dem Blick auf die »jüngste Geschichte« rate er: »Habt Geduld, überstürzt nichts, gebt der Situation ein wenig Zeit. Denkt daran, was mit Theudas, mit Judas dem Galiläer geschehen ist, die gerade die Retter zu sein schienen und dann alle ein schlechtes Ende genommen haben.« Daher laute der Rat Gamaliëls, »die Zeit ihre Arbeit« tun zu lassen: »Lasst euch Zeit!« »Der freie Mensch hat keine Angst vor der Zeit: er lässt Gott handeln«, erklärte Franziskus. Und »lässt Gott Raum, damit er in der Zeit wirken kann. Der freie Mensch ist geduldig.« Gamaliël »war ein Jude. Er war kein Christ, er hatte Jesus nicht als den Heiland anerkannt. Doch er war ein freier Mann: Er denkt nach, er bietet seine Überlegungen den anderen an und sie werden akzeptiert. « Im Übrigen »ist die Freiheit nicht ungeduldig «, so der Papst. Im Gegenteil, »die wahre Freiheit hat die Geduld dessen, der zu warten versteht, die Geduld, Gott handeln zu lassen«.

Es sei wahr, fuhr der Papst fort, »auch Pilatus überlegt gut und mit kühlem Kopf«, was dazu führe, dass er »bemerkte, dass Jesus unschuldig war«. »Auch seine Frau« habe dazu beigetragen, »mit dieser Geschichte von ihrem Alptraum, die ihm etwas Angst machte«. Pilatus aber »gelang es nicht, das Problem zu lösen, da er nicht frei war, da er an seiner Beförderung hing«. Sein fixer Gedanke sei mehr oder weniger dieser gewesen: »Wenn ich es hier in Judäa gut mache, dann werde ich auf einen höheren Posten befördert.« Pilatus sei also kein »freier« Mann gewesen: »Er dachte richtig, doch es fehlte ihm der Mut der Freiheit, weil er ein Knecht des Karrieredenkens, des Ehrgeizes, seines Erfolges war.« Dagegen »ist Gamaliël das Beispiel eines freien Mannes, das uns die Kirche heute vor Augen stellt«, betonte Franziskus erneut. Dann verwies er als »weiteres Beispiel auf Petrus und Johannes, die den Gelähmten geheilt hatten und jetzt vor dem Hohen Rat standen«. Am Ende »ließ sie der Hohe Rat frei, doch erst nach der Auspeitschung.

Sie waren unschuldig. ›Dann verboten sie ihnen, im Namen Jesu zu predigen.‹« Obwohl Petrus und Johannes »ungerechterweise ausgepeitscht wurden, ›gingen sie weg vom Hohen Rat und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden‹«. Das also sei »die Freude der Nachfolge Jesu: das ist eine andere Freiheit, eine größere, umfassemdere, christlichere«. Petrus hätte auch »zum Richter« gehen können, »um den Hohen Rat zu verklagen: ›Ich wurde ungerechterweise ausgepeitscht.‹ Er hätte eine Entschädigung fordern können.« Stattdessen »war Petrus wie Johannes voller Freude, da sie im Namen Jesu gelitten hatten «. Und »vielleicht«, so fügte Franziskus hinzu, kamen ihnen jene Worte Jesu in den Sinn: ›Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen geschmäht, verfolgt werdet. Selig seid ihr.‹« Gerade »das ist die Freude, die sie spürten: Sie waren frei – sagen wir es so – im Leiden, um Jesus nachzufolgen.« Es sei dies »jene christliche Haltung«, die uns dazu bringe, anzuerkennen: »Herr, du hast mir viel gegeben, du hast so viel für mich gelitten. Was kann ich für dich tun? Nimm, Herr, nimm mein Leben, meinen Geist, mein Herz, alles ist dein.«

Der Papst wies erneut auf die Haltung der Jünger hin, wie sie in der Apostelgeschichte beschrieben wird: »Sie aber gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden.« Eine Haltung, die »eine weitere Freiheit « offenbare. Wenn »die erste Freiheit die eines gerechten Mannes war«, der »gut überlegte und das Gute suchte, so ist dies die Freiheit dessen, der in Jesus Christus verliebt ist, besiegelt vom Heiligen Geist, mit dem Glauben an Jesus Christus: Du hast das für mich getan, ich tue das für dich.« Und man dürfe nicht vergessen, dass »es auch heute viele Christen gibt, die im Gefängnis sind, die gefoltert werden, die diese Freiheit weitertragen, Jesus Christus zu bekennen«. Das also »ist das zweite Bespiel eines freien Menschen: das erste Gamaliël, das zweite die Apostel, doch aus unterschiedlichen Gründen«.

»Das dritte Beispiel ist Jesus selbst«, so der Papst, »der das Wunder der Brotvermehrung wirkt, zu dem es nicht wie mit einem Zauberstab kam: Es wurde durch die Macht Gottes gewirkt, die Jesus in sich trug, denn er war Gott.« Und »die Leute merkten es«, erklärte der Papst, der die Worte des Evangeliums wiederholte: »Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll.« Angesichts der »Begeisterung« der Leute zog sich Jesus erneut auf den Berg zurück, er allein, da er wusste, dass sie kommen würden, um ihn zu holen und zum König zu machen. Denn wenn sich das Volk so in Bewegung setzt, macht es Revolution, machen sie ihn zu König.« Er »nahm Abstand vom Triumphalismus. Er ließ sich von diesem Triumphalismus nicht täuschen: er war frei.« Franziskus riet, an den Augenblick zu denken, »als Jesus diese Freiheit, die er uns gelehrt hat, zum ersten Mal spürte: in der Wüste, als ihn der Satan versuchte, der ihm die Reichtümer anbot « mit den Worten: »Du kannst die Steine in Brot verwandeln, und auch in Gold, in Silber.«

Die Antwort Jesu habe »nein« gelautet. Und da sei der Satan noch weitergegangen und habe wieder gesagt: »Du kannst ein Wunder vollbringen. Stürze dich vom Tempel, und die Leute werden glauben!« Doch die Antwort Jesu sei immer »nein [gewesen], denn er war frei«. Und »die Freiheit, die er hatte, bestand darin, dem Willen des Vaters zu folgen«. Aber der Satan bietet erneut »einen Handel« an: »Vollziehe mir gegenüber einen Akt der Anbetung, und ich werde dir alles geben.« Jesus sage erneut »nein: Der Vater will einen anderen Weg des Heils.« Und Jesus »wird am Kreuz enden: er ist das Beispiel der allergrößten Freiheit«. »Wir wollen an diesem Tag an meine, an unsere Freiheit denken«, so die Aufforderung des Papstes, der erneut auf die drei Beispiele verwies: »Gamaliël, Petrus und Johannes sowie Jesus selbst«. Er riet zu einigen direkten Fragen: »Ist meine Freiheit christlich? Bin ich frei? Oder bin ich Sklave meiner Leidenschaften, meines Ehrgeizes, vieler Dinge, des Reichtums, der Mode?« Es sei wahr, so der Papst, »das scheint ein Scherz zu sein, aber wie viele Menschen sind Sklaven der Mode!«

Franziskus fuhr mit seinen Fragen für eine Gewissenserforschung fort: »Bin ich frei und verstehe ich es, kühlen Kopfes nachzudenken wie Gamaliël und Gott in meinem Leben Raum zu geben? Bin ich frei? Und wenn sich Leiden einstellen, spreche ich mit Jesus? Und habe ich gesagt: ›Du hast so sehr für mich gelitten, um mir meine Würde als Kind zurückzugeben.‹ Opfere ich dies auf? Bin ich frei wie Jesus, der dem Willen des Vaters folgte, um unsere Kindschaft zu heilen?« »Denken wir an unsere Freiheit«, so der Papst abschließend, »in dieser Welt, die ein wenig ›schizophren‹ ist«, was so weit gehe, dass »sie schreit: ›Freiheit, Freiheit, Freiheit‹, jedoch mehr ›Sklave, Sklave, Sklave‹ ist. Denken wir an diese Freiheit, die uns Gott in Jesus schenkt.«

 



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