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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Formen der Neugier

Montag, 30. April 2018
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 22, 1. Juni 2018)

 

Kinder sind besonders neugierig und in den Smartphones wie in der virtuellen Welt überhaupt finden sie auch »viel Hässliches«, wobei sie Gefahr laufen, als »Gefangene dieser unguten Formen der Neugier» zu enden. Vor dieser Versuchung warnte Papst Franziskus am 30. April bei der Feier der heiligen Messe in Santa Marta.

Der Papst bat, den Jugendlichen dabei zu helfen, zwischen den vielen alltäglichen Angeboten zu unterscheiden, und verwies auf den Heiligen Geist als »die große Gewissheit«, die alle »Formen der Neugier« zu einer Lösung führe: und er tue dies als »Weggefährte, als der Gefährte des Gedächtnisses und als Gefährte und Lehrer«, aber sicher nicht, indem er sich uns »mit einem Packen von bereits fertigen Antworten« präsentiere.

Bei seinen Betrachtungen ging der Papst vom Evangelium nach Johannes aus. »In dieser langen Abschiedsrede, bei Tisch zusammen mit den Jüngern, gibt es Abschnitte, die wir den ›Dialog zwischen der Neugier und der Gewissheit‹ nennen können«, so Franziskus. »Die Jünger fühlen sich unsicher, sie wussten nicht, was geschehen würde, und sie fragen, was mit dem einen sein werde, was mit dem andern geschehen werde.« Und »Jesus erklärt«, doch »sie fühlen sich noch unsicherer: ›Nein, du gehst fort, du lässt uns allein, und was werden wir machen?‹« So »erklärt Jesus: ›Ich werde zurückkehren, ich bereite euch einen Platz vor, dann werde ich euch zu mir nehmen.‹ « Das heißt: »Er erwidert die Neugier der Jünger mit Gewissheiten.«

Im Übrigen, so räumte der Papst ein, »ist das Leben, ist unser Leben voller Formen der Neugier«. So fragten wir »als Kinder, im Alter des Warum: Papa, warum das? Mama, warum, warum, warum?« Das geschehe gerade deshalb, »weil das Kind heranwächst. Es bemerkt Dinge, die es nicht versteht und fragt: Es ist neugierig, es sucht nach Erklärungen.« Doch »das ist eine gute Form der Neugier, um zu wachsen, um sich zu entfalten, um mehr Selbständigkeit zu haben«. Und »es ist auch eine kontemplative Form von Neugier, denn die Kinder sehen, betrachten, verstehen nicht und fragen dann«.

»Es gibt dann andere Formen der Neugier, die nicht so gut sind«, warnte der Papst. »Zum Beispiel im Leben der anderen Menschen ›herumzuschnüffeln‹ «. Vielleicht »sagt da einer: ›Das ist doch etwas, was die Frauen tun.‹ Nein, der Tratsch gehört zu Männern und Frauen.« Was so weit gehe, dass »mancher dann sagt, dass Männer größere Schwätzer sind als Frauen: Ich weiß nicht, aber das ist das Erbgut aller, das ist etwas Hässliches, denn es bedeutet den Versuch, dass die Neugier nicht zum sicheren Ort einer Antwort geht, die der Wahrheit entspricht.« Stattdessen bedeute es, »zu versuchen, an Orte zu gelangen, die am Ende die anderen Menschen beschmutzen«.

»Es gibt also schlechte Formen der Neugier«, betonte der Papst. Oder Formen der Neugier, »die mich am Ende Dinge verstehen lassen, die zu wissen ich kein Recht habe«. Der Papst riet dazu, auf das »Beispiel« zu blicken, das sich am See Tiberias zugetragen habe: »Jesus ist schon im Begriff wegzugehen, nach der Auferstehung, und fragt Petrus drei Mal, ob er ihn liebt, und Petrus sagt, dass er ihn liebt. Er gibt ihm alle Macht, und als dies zu Ende ist, fragt Petrus in Bezug auf Johannes: ›Und was wird mit ihm sein?‹« Und »das heißt, in das Leben eines anderen ›hineinzuschnüffeln‹ «, erklärte Franziskus: »Das ist keine gute Form von Neugier, aber sie begleitet uns das ganze Leben lang. Es ist eine Versuchung, der wir immer ausgesetzt sein werden.«

In Wirklichkeit, versicherte der Papst, solle man »sich nicht erschrecken, sondern aufpassen «, indem man zu sich selbst sage: »Das frage ich nicht, das schaue ich nicht an, das will ich nicht.« Und dann gebe es »viele Formen der Neugier, zum Beispiel in der virtuellen Welt, mit den Smartphones und derartigen Dingen: Die Kinder gehen da hin und sind neugierig, zu sehen, und viele hässliche Dinge finden sie dort.« Doch »bei dieser Form von Neugier fehlt die Disziplin«. Daher »müssen wir den Kindern helfen, in dieser Welt zu leben, damit das Verlangen, etwas zu wissen, nicht zum Verlangen wird, neugierig zu sein, und damit sie nicht als Gefangene dieser Neugier enden«.

»Doch kehren wir zu diesen guten Formen der Neugier der Apostel zurück«, so der Papst weiter. Im Grunde »wollen sie von Jesus wissen, was sich zutragen werde, was geschehen werde«. Und so »sagen sie auch im letzten Moment, als Jesus im Begriff ist, in den Himmel aufzufahren: ›Jetzt kommt die Revolution, jetzt wirst du das Reich schaffen.‹« Das sei die »Neugier, wissen zu wollen, und die Gewissheit: Der Dialog zwischen der Neugier und den Gewissheiten«. So »antwortet Jesus, indem er ihnen Gewissheit gibt: ›Nein, schaut her, das ist so, ich gehe dorthin.‹« Es gebe »viele Antworten in dieser langen Tischrede, und es ist nicht nur eine Rede: Es ist ein Gespräch mit ihnen.« Doch »Jesus antwortet immer mit Gewissheiten: Nie, niemals täuscht er. Nie!« »Kleine Gewissheiten, aber doch Gewissheiten«, wiederholte Franziskus. Und »die Gewissheit wird am Ende des Abschnitts aus dem Evangelium, den wir gelesen und gehört haben (Joh 14,21-26), zusammengefasst«. »Die große Gewissheit«, so der Papst. Denn Johannes berichte Jesu Worte: »Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe«. Und so »wird uns der Heilige Geist die Gewissheit im Leben geben.« Sicher, »der Heilige Geist kommt nicht mit einem Packen von Gewissheiten daher« und sage dann: »Nimm!« Vielmehr »gehen wir im Leben voran und fragen den Heiligen Geist, wir öffnen das Herz, und er wird uns die Gewissheit schenken für jenen Moment, die Antwort für jenen Moment«.

»Der Heilige Geist«, so erklärte der Papst, »ist der Weggefährte des Christen. Er ist jener, der uns ständig lehrt: ›Nein, das ist so‹, jener der uns ständig erinnert: ›Denk an das, was der Herr gesagt hat, das so war.‹« Und »er ruft uns die Worte des Herrn in Erinnerung und erhellt sie«. Auf unserem »Weg zur Begegnung mit Jesus ist es der Geist, der uns begleitet«, der uns »die Gewissheit bei unseren Formen der Neugier« gebe. »So endet dieser Dialog zwischen den Formen menschlicher Neugier und der Gewissheit in diesem Satz Jesu« zum Beistand, zum Parakleten: »Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.«

Der Paraklet sei »der Gefährte des Gedächtnisses, der Gefährte und Meister«, der »uns das Licht schenkt und uns dorthin führt, wo das beständige Glück ist, jenes Glück, das sich nicht bewegt, wie wir im Tagesgebet gebetet haben. »Wir wollen dorthin gehen, wo die wahre Freude ist, jene Freude, die in Gott verankert ist, doch mit dem Heiligen Geist, um keine Fehler zu begehen«, schloss der Papst seine Predigt ab. Aus diesem Grund »wollen wir den Herrn heute um zwei Dinge bitten«. Vor allem, »dass er uns reinigen möge, wenn wir uns auf die Neugier einlassen – es gibt gute und nicht so gute Formen der Neugier –, und dass wir zu unterscheiden wissen «, indem wir uns sagten: »Nein, das darf ich nicht sehen, das darf ich nicht fragen.« Und die »zweite Gnade«, um die es den Herrn zu bitten gelte, bestehe darin, »das Herz dem Heiligen Geist öffnen zu können, denn er ist die Gewissheit: er schenkt uns als unser Weggefährte Gewissheit hinsichtlich der Dinge, die Jesus uns gelehrt hat, und er erinnert uns an alles.«

 



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