Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - ES  - IT  - PT ]

VIDEOBOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS 
AUS ANLASS DER FEIER DES AUSSERORDENTLICHEN JUBILÄUMS DER BARMHERZIGKEIT
AUF DEM AMERIKANISCHEN KONTINENT
 

[BOGOTÁ, 27.-30. AUGUST 2016]

 

Ich begrüße die von CELAM [Rat der lateinamerikanischen Bischöfe] und CAL [Päpstliche Kommission für Lateinamerika] im Kontakt mit den Bischöfen der Vereinigten Staaten und Kanadas unternommene Initiative – das lässt mich an die Amerikasynode denken –, die es ermöglicht hat, die Feier des Jubiläums der Barmherzigkeit als Kontinent zu begehen. Ich freue mich zu erfahren, dass alle Länder Amerikas teilnehmen konnten. Angesichts der vielen Versuche der Zersplitterung, der Spaltung und Auseinandersetzung zwischen unseren Völkern, helfen uns solche Ereignisse, neue Perspektiven zu eröffnen und uns einmal mehr die Hand zu reichen: ein großes Zeichen, das uns in der Hoffnung stärkt.

Zu Beginn kommen mir die Worte des Apostels Paulus an seinen geliebten Schüler in den Sinn: »Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat: Christus Jesus, unserem Herrn. Er hat mich für treu gehalten und in seinen Dienst genommen, obwohl ich ihn früher lästerte, verfolgte und verhöhnte. Aber ich habe Erbarmen gefunden, denn ich wusste in meinem Unglauben nicht, was ich tat. So übergroß war die Gnade unseres Herrn, die mir in Christus Jesus den Glauben und die Liebe schenkte. Das Wort ist glaubwürdig und wert, dass man es beherzigt: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Von ihnen bin ich der Erste. Aber ich habe Erbarmen gefunden, damit Christus Jesus an mir als Erstem seine ganze Langmut beweisen konnte« (1 Tim 1,12-16a). Das sagt Paulus in seinem ersten Brief, Kapitel 1, Vers 12 bis 16, an Timotheus. Indem er zu ihm spricht, möchte er zu einem jeden von uns sprechen. Seine Worte sind eine Einladung, ja ich würde sagen, eine Provokation. Worte, die Timotheus und alle, die diese Worte im Lauf der Geschichte hören werden, zum Handeln drängen sollten. Es sind Worte, die uns nicht gleichgültig lassen, die vielmehr eine sehr persönliche Dynamik in Bewegung setzen.

Paulus nimmt kein Blatt vor den Mund: Jesus Christus kam in die Welt, um die Sünder zu retten, und Paulus betrachtet sich als den Schlimmsten von allen. Er ist sich im Klaren darüber, wer er ist. Er versteckt weder seine Vergangenheit noch seine Gegenwart. Er beschreibt sich selbst in dieser Weise aber weder um sich selbst anzuklagen noch um sich zu rechtfertigen, und noch weniger um mit seiner Situation zu prahlen. Wir befinden uns ganz am Anfang des Briefes und in den vorhergehenden Versen hat er Timotheus bereits vor den »Fabeleien und endlosen Geschlechterreihen «, vor »leerem Geschwätz« gewarnt, und ihn darauf hingewiesen, dass sie »nur Streitfragen mit sich bringen«, Auseinandersetzungen.

Auf den ersten Blick könnten wir meinen, dass der Akzent auf seinem Sünder-Sein liegt, aber das geschieht nur damit Timotheus – und mit ihm ein jeder von uns – sich mit ihm identifizieren kann. In der Sprache des Fußballs ausgedrückt, könnten wir sagen: Er schießt eine Flanke, damit ein anderer einen Kopfball spielen kann. Er »spielt uns den Ball zu«, damit wir seine Erfahrung teilen können: Trotz all meiner Sünden »habe ich Erbarmen gefunden«. Wir haben die Möglichkeit, hier zu sein, weil wir mit Paulus sagen können: »Wir haben Erbarmen  gefunden.« Bei all unseren Sünden, unseren Grenzen, unserem Versagen und unserem häufigen Fallen hat Jesus uns angeblickt, war uns nahe, hat uns seine Hand gegeben und uns mit Barmherzigkeit behandelt. Wen? Mich, dich, jeden. Jeder von uns kann zurückdenken und sich an die vielen Male erinnern, wo der Herr ihn angeblickt hat, ihm nahe war und ihm Barmherzigkeit gezeigt hat. All diese Male, wo der Herr weiter Vertrauen in ihn hatte, weiter auf ihn gesetzt hat (vgl. Ez 16). Ich muss dabei an das 16. Kapitel aus dem Propheten Ezechiel denken, wie Gott nicht müde wird, auf einen jeden von uns zu setzen. Und das ist es, was Paulus »gesunde Lehre« nennt – seltsam! –, gesunde Lehre ist folgendes: dass wir Erbarmen gefunden, Barmherzigkeit empfangen haben. Das ist das Herzstück seines Briefes an Timotheus. Wie gut tut es uns im aktuellen Kontext dieses Jubiläumsjahres, über diese Wahrheit nachzudenken, daran zurückzudenken, wie der Herr in unserem ganzen Leben uns stets nahe war und uns Barmherzigkeit gezeigt  hat; die Erinnerung an unsere Sünde und nicht an unsere vorgeblichen Verdienste in den Mittelpunkt zu stellen, im demütigen und von Schuldgefühlen freien Bewusstsein von all diesen Fällen zu wachsen, wo wir uns von Gott entfernt haben – wir, nicht jemand anders, nicht der Mensch neben uns und noch weniger unser Volk –, und erneut über die Barmherzigkeit Gottes zu staunen. Das ist ein sicheres Wort, eine gesunde Lehre und kein leeres Geschwätz.

Es gibt in dem Text etwas Besonderes, das ich mit euch teilen möchte. Paulus sagt nicht: »Der Herr hat gesprochen und mir gesagt« oder »Der Herr zeigte mir oder lehrte mich…« Er sagt: »Er behandelte mich mit, er erwies mir…« Für Paulus wird seine Beziehung zu Jesus besiegelt durch die Art und Weise, wie Jesus ihn behandelt hat. Weit davon entfernt eine Idee, ein Wunschdenken, eine Theorie zu sein – und noch weniger eine Ideologie –, ist Barmherzigkeit eine konkrete Art und Weise, Schwäche zu »berühren«, sich zu anderen in Beziehung zu setzen, aufeinander zuzugehen. Es ist eine konkrete Art und Weise, sich in Menschen einzufühlen, wenn es »ihnen schlecht geht«. Diese Handlungsweise bewirkt, dass wir unser Bestes geben, so dass die anderen sich so behandelt fühlen, dass sie spüren können, dass in ihrem Leben trotz allem das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Wird derjenige, der sich von der Last seiner Sünden erdrückt fühlt, so behandelt, spürt er die Erleichterung einer neuen Chance. Weit entfernt davon, nur ein schönes Wort zu sein, ist Barmherzigkeit das konkrete Handeln, mit dem Gott in Beziehung zu seinen Kindern treten möchte. Paulus gebraucht hier das Verb im Passiv – verzeihen Sie die Pedanterie dieses etwas spitzfindigen Verweises – und den Aorist [Tempus der Vergangenheit]. Entschuldigen Sie die ein wenig referenzielle Übersetzung, aber man hätte auch sagen können: »fui misericordiado« [Ich wurde »erbarmt «.] Die Passivform macht Paulus zum Empfänger des Handelns eines anderen. Er tut nichts anders als zuzulassen, Erbarmen zu empfangen. Der Aorist des Originals erinnert uns daran, dass er diese Erfahrung zu einem bestimmten Zeitpunkt gemacht hat, dessen er gedenkt, für den er dankt und den er feiert.

Der Gott des heiligen Paulus erzeugt eine Bewegung, die vom Herz zu den Händen geht, die Bewegung dessen, der keine Angst hat, sich zu nähern, der keine Berührungsängste hat, der keine Angst hat zu liebkosen; und all das ohne entsetzt zu sein, zu verurteilen und ohne jemanden auszuschließen. Ein Handeln, das Fleisch wird im Leben der Menschen. Zu verstehen und zu akzeptieren, was Gott für uns tut – ein Gott, der nicht aus Angst denkt, liebt oder handelt, sondern weil er uns vertraut und erwartet, dass wir uns ändern –, das sollte vielleicht unser hermeneutisches Kriterium sein, unser Handlungsmodus: »Geh und handle genauso! « (Lk 10,37). Folglich darf unser Handeln gegenüber den anderen niemals von Ängstlichkeit bestimmt sein, sondern muss stets auf die Hoffnung gegründet sein, die Gott in unsere Veränderungsfähigkeit setzt. Und ich frage: Hoffnung  auf Veränderung oder Ängstlichkeit? Das einzige, was ein Handeln aus Ängstlichkeit bewirkt, ist: Trennen, Spalten. Es ruft den Wunsch hervor, mit chirurgischer Präzision die eine Seite von der anderen Seite zu unterscheiden, es schafft falsche Sicherheiten und errichtet so Barrieren. Ein Handeln, das auf die Hoffnung der Veränderungsfähigkeit, auf die Bekehrung gegründet ist, ermutigt, motiviert, zielt auf die Zukunft, schafft Raum für Chancen und drängt uns vorwärts.

Ein Handeln, das auf Angst gegründet ist, ist ein Handeln, das die Schuld, die Strafe betont, das: »du hast Fehler gemacht«. Ein Handeln, das auf die Hoffnung der Veränderung gegründet ist, betont das Vertrauen, das Lernen, das Wiederaufstehen, das Bemühen, immer wieder neue Chancen zu eröffnen. Wie oft? Siebenundsiebzigmal. Daher weckt die barmherzige Haltung stets Kreativität. Sie legt den Akzent auf das Angesicht des Menschen, auf sein Leben, seine Geschichte, seinen Alltag. Sie ist nicht an ein Modell oder Rezept gebunden, sondern besitzt die gesunde Freiheit des Geistes, das Beste für den anderen zu suchen, so dass es der andere verstehen kann. Das setzt all unsere Fähigkeiten, unsere ganze Erfindungsgabe in Gang, es lässt uns aus unseren Umzäunungen hinausgehen. Nie ist es leeres Geschwätz – um mit dem heiligen Paulus zu sprechen –, das uns in unendliche Streitigkeiten verstrickt. Das auf die Hoffnung auf Veränderung gegründete Handeln bedeutet: rastloses Nachdenken, das unser Herz schlagen lässt und unseren Händen Dringlichkeit verleiht. Das Schlagen des Herzens und Dringlichkeit unserer Hände. Der Weg, der vom Herz zu den Händen geht.

Wenn wir sehen, dass Gott so handelt, könnte uns dasselbe passieren wie dem älteren Sohn im Gleichnis vom barmherzigen Vater: dass wir Anstoß nehmen daran, wie der Vater handelt, als er seinen jüngeren Sohn zurückkommen sieht. Wir nehmen Anstoß, weil er die Arme ausbreitet, weil er ihn mit Zärtlichkeit behandelt, weil er ihn, obwohl er so schmutzig war, mit dem besten Gewand bekleidet. Wir nehmen Anstoß, weil er ihn küsst und ein Fest feiert, als er zurückkommt. Wir nehmen Anstoß, weil er ihn nicht bestraft, sondern als das behandelt, was er ist: ein Sohn.

Wir beginnen, Anstoß zu nehmen – und das passiert uns allen, das geschieht quasi automatisch, nicht wahr? –, wir beginnen, Anstoß zu nehmen, wenn »geistliches Alzheimer« auftaucht: Wenn wir vergessen, wie der Herr uns behandelt hat; wenn wir beginnen, zu verurteilen und die Menschen einzuteilen. Uns befällt eine separatistische Logik, die uns, ohne das wir uns dessen bewusst sind, dazu führt, unsere soziale und gemeinschaftliche Realität noch weiter zu spalten. Wir zersplittern die Gegenwart, indem wir verschiedene »Lager« schaffen. Es gibt das Lager der Guten und das der Schlechten, das Lager der Heiligen und das Lager der Sünder. Dieser Gedächtnisverlust lässt uns nach und nach die tiefste Realität vergessen, die wir haben, und die klarste Lehre, die wir verteidigen müssen. Die tiefste Realität und die klarste Lehre. Da wir alle Sünder sind, hat der Herr uns unweigerlich Barmherzigkeit erwiesen. Paulus vergisst nie, dass er sich auf der anderen Seite befunden, hat, dass er als Letzter erwählt wurde, als »Missgeburt«. Barmherzigkeit ist keine vor sich her zu tragende Theorie: »Ah! Es ist jetzt Mode über Barmherzigkeit zu reden bei diesem Jubiläum, also gut, folgen wir der Mode!« Nein, sie ist keine Theorie, die man vor sich herträgt, so dass man unserer Nachgiebigkeit applaudieren kann, sondern sie ist eine Geschichte der Sünde, an die man erinnern muss. Welche Sünde? Unsere, meine, deine. Und eine Liebe, die man loben muss. Welche Liebe? Die Liebe Gottes, der mir Barmherzigkeit erwiesen hat.

Wir sind Teil einer zersplitterten Kultur, einer Kultur, die vom Weggeworfenen geprägt ist. Einer Kultur, die durch das Ausgrenzen all dessen, was die Interessen einiger weniger bedrohen könnte, entstellt ist. Einer Kultur, die die Gesichter der Alten, der Kinder, der ethnischen Minderheiten am Wegrand zurücklässt, weil sie sie als Bedrohung empfindet. Einer Kultur, die nach und nach den Komfort einiger weniger fördert und das Leiden vieler vermehrt. Einer Kultur, die unfähig ist, die jungen Menschen in ihren Träumen zu begleiten, die sie stattdessen betäubt mit Versprechungen eines flüchtigen Glücks und die die lebendige Erinnerung der alten Menschen versteckt. Einer Kultur, die die Weisheit der indigenen Völker verschleudert und sich als unfähig erwiesen hat, den Reichtum ihrer Landgebiete zu hüten.

Wir alle merken es, wir alle wissen, dass wir in einer verwundeten Gesellschaft leben. Niemand bezweifelt das. Wir leben in einer Gesellschaft, die blutet, und den Preis ihrer Wunden bezahlen normalerweise letztendlich die Schwächsten. Aber genau zu dieser Gesellschaft, zu dieser Kultur, sendet uns der Herr. Er sendet uns und drängt uns, den Balsam »seiner« Gegenwart zu bringen. Er sendet uns mit einem einzigen Plan: einander mit Barmherzigkeit zu behandeln und zu Nächsten dieser Tausenden von schutzlosen Menschen zu werden, die auf unserem geliebten amerikanischen Boden unterwegs sind. Er schlägt eine andere Umgangsweise vor, eine erneuerte Haltung, bei der wir uns bemühen, unsere Art und Weise, miteinander in Beziehung zu treten, von dem inspirieren zu lassen, was Gott erträumt hat, und von dem, was er getan hat. Eine Umgangsweise, die gegründet ist auf die Erinnerung daran, dass wir alle von weither kommen, wie Abraham, und dass wir alle aus Orten der Sklaverei herausgeführt worden sind, wie das Volk Israel.

Wir alle haben noch die Erfahrung von Aparecida in lebendiger Erinnerung mit der Aufforderung, einmal mehr missionarische Jünger zu werden. Wir haben ausführlich über Jüngerschaft gesprochen und uns gefragt, wie man die Katechese der Jüngerschaft und der Mission am besten fördern kann. Paulus gibt uns in dieser Hinsicht einen interessanten Schlüssel: barmherzig handeln. Er weist uns darauf hin, dass das, was ihn zu einem Apostel bekehrt hat, die Art und Weise war, wie er behandelt wurde, wie Gott seinem Leben nahe kam: »Ich habe Erbarmen gefunden.« Was ihn zu einem Jünger machte, das war das Vertrauen, das Gott trotz seiner vielen Sünden in ihn setzte. Und das erinnert uns daran, dass wir die besten Pläne, Projekte und Theorien im Hinblick auf unser Denken über die Realität haben können. Wenn uns aber diese Haltung der Barmherzigkeit fehlt, wird unsere pastorale Tätigkeit auf halber Strecke stehen bleiben.

All das betrifft unsere Katechese, unsere Priesterseminare – Lehren wir unsere Seminaristen diese Weise, barmherzig zu handeln? –, unsere Pfarreistrukturen und unsere Pastoral. Davon hängen unsere missionarischen Aktivitäten ab, unsere Pastoralpläne. Davon hängen unsere Priestertreffen ab und sogar unsere Art und Weise, Theologie zu betreiben: lernen, eine barmherzige Haltung zu haben, eine Art und Weise der Beziehung, die wir Tag für Tag erbitten müssen – denn das ist eine Gnade – und die wir aufgefordert sind, Tag für Tag zu erlernen. Ein barmherziges miteinander Umgehen unter uns Bischöfen, Priestern, Laien. Theoretisch sind wir »Missionare der Barmherzigkeit«, aber oft sind wir besser darin, die anderen schlecht zu behandeln, als sie gut zu behandeln. Wie oft haben wir in unseren Priesterseminaren darin versagt, eine Pädagogik der Barmherzigkeit anzuregen, zu unterstützen und zu ermutigen und zu lehren, dass das Herz der Pastoral darin besteht, Barmherzigkeit zu zeigen. Hirten zu sein, die andere gut behandeln und nicht misshandeln. Ich bitte euch: Seid Hirten, die wissen, wie man andere behandelt und nicht misshandelt.

Heute sind wir in besonderer Weise zu einer barmherzigen Haltung gegen über dem heiligen und gläubigen Volk Gottes aufgerufen – es weiß sehr viel über barmherziges Handeln [»ser misericordioso «], weil es ein gutes Gedächtnis hat [»es memorioso«] –, den Menschen, die mit ihren Leiden, Sorgen und Wunden in unsere Gemeinschaften kommen. Aber auch den Menschen, die nicht in unsere Gemeinschaften kommen, obwohl sie von den Vorfällen der Geschichte verwundet sind, und die Barmherzigkeit zu finden hoffen. Barmherzigkeit lernt man aus Erfahrung – zuallererst in unserem eigenen Leben, wie das bei Paulus der Fall war, dem Gott seine ganze Barmherzigkeit offenbart hat, dem er seine ganze barmherzige Geduld offenbart hat. Man lernt Barmherzigkeit, indem man spürt, dass Gott uns weiterhin vertraut und uns ruft, seine Missionare zu sein, dass er uns weiterhin aussendet, damit wir unsere Brüder und Schwestern genauso behandeln, wie er uns behandelt hat und behandelt. Ein jeder von uns kennt seine Geschichte, kann daran zurückdenken. Barmherzigkeit erlernen wir, weil unser Vater uns weiterhin vergibt. Im Leben unseres Volkes gibt es bereits genug Leid, sie brauchen uns nicht, um noch mehr hinzuzufügen.

Barmherzigkeit zu lernen bedeutet vom Meister zu lernen, Nächste zu werden, ohne Angst vor den Ausgestoßenen und denen, die von der Sünde »befleckt« und gezeichnet sind. Es bedeutet zu lernen, dem Gefallenen die Hand zu reichen, ohne Angst davor zu haben, was die Leute sagen werden. Alles Handeln, dem Barmherzigkeit fehlt, wie gerecht es auch immer scheinen mag, endet als Misshandlung. Die Herausforderung wird sein, Wege der Hoffnung zu stärken, die ein gutes Handeln unterstützen und die Barmherzigkeit erstrahlen lassen.

Liebe Brüder und Schwestern, dieses Treffen ist kein Kongress, kein »Meeting«, kein Seminar und keine Konferenz. Diese Begegnung aller ist ein Fest: Wir wurden eingeladen, das Handeln Gottes an jedem von uns und an seinem Volk zu feiern. Daher glaube ich, dass dies ein guter Moment ist, um gemeinsam zu sagen: »Herr, ich habe mich täuschen lassen, auf tausenderlei Weise bin ich vor deiner Liebe geflohen, doch hier bin ich wieder, um meinen Bund mit dir zu erneuern. Ich brauche dich. Kaufe mich wieder frei, nimm mich noch einmal auf in deine erlösenden Arme« (Evangelii gaudium, 3).

Wir wollen dankbar sein, wie es Paulus zu Timotheus gesagt hat, dass Gott uns vertraut, seinem Volk gegenüber die großen Taten der Barmherzigkeit zu wiederholen, die er an uns getan hat und tut. Diese Begegnung möge uns helfen, in gestärkter Überzeugung hinauszugehen, um die milde und tröstende Freude des Evangeliums der Barmherzigkeit weiterzugeben.

 

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana