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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
IN DIE TÜRKEI

(28.-30. NOVEMBER 2014)

PRESSEKONFERENZ MIT PAPST FRANZISKUS
AUF DEM RÜCKFLUG VON STRASSBURG NACH ROM


Dienstag, 25. November 2014

[Multimedia]


 

(Bernard Renaud)

Heute Vormittag haben Sie vor dem Europaparlament eine Ansprache mit pastoralen Worten gehalten, aber mit Worten, die man auch politisch verstehen kann und die man – meiner Meinung nach – in die Nähe einer sozialdemokratischen Haltung stellen kann. Ich kann ein kurzes Beispiel geben, wo Sie sagen, dass man verhindern muss, dass die reale Ausdruckskraft der Völker angesichts des Drucks multinationaler Mächte verdrängt wird. Können wir sagen, dass Sie ein sozialdemokratischer Papst sein könnten?

(Papst Franziskus)

Mein Lieber, das ist ein Reduktionismus! Da komme ich mir vor wie in einer Insektensammlung: »Das ist ein sozialdemokratisches Insekt…« Nein, ich würde sagen nein: ich weiß nicht, ob es einen sozialdemokratischen Papst gibt oder nicht… Ich wage es nicht, mich der einen oder anderen Seite zuzuordnen. Ich wage zu sagen, dass das aus dem Evangelium kommt: das ist die Botschaft des Evangeliums, die von der Soziallehre der Kirche übernommen wurde. Darin, konkret, und in anderen – sozialen oder politischen – Dingen, die ich gesagt habe, habe ich mich nicht von der Soziallehre der Kirche entfernt. Die Soziallehre der Kirche kommt aus dem Evangelium und der christlichen Tradition. Das, was ich gesagt habe – die Identität der Völker –, ist ein Wert des Evangeliums, nicht wahr? In diesem Sinne sage ich es. Aber du hast mich zum Lachen gebracht, danke!

(Jean-Marie Guénois)

Fast niemand war heute Morgen in Straßburg auf den Straßen. Die Menschen waren angeblich enttäuscht. Bereuen Sie es, die Kathedrale von Straßburg nicht besucht zu haben, die in diesem Jahr ihr 1000-jähriges Bestehen gefeiert hat? Und wann werden Sie Ihre erste Reise nach Frankreich unternehmen, und wohin? Vielleicht nach Lisieux?

(Papst Franziskus)

Nein, das steht noch nicht auf dem Programm, aber sicherlich muss man nach Paris gehen, nicht wahr? Dann gibt es den Vorschlag, Lourdes zu besuchen… Ich habe nach einer Stadt gefragt, in die noch nie ein Papst gekommen ist, um die Bewohner dort zu begrüßen. Aber der Plan wurde noch nicht gemacht. Nein, für Straßburg hat man daran gedacht, aber zur Kathedrale zu gehen, das hätte bereits bedeutet, einen Besuch in Frankreich zu machen, und das war das Problem.

(Giacomo Galeazzi)

In der Ansprache an den Europarat hat mich der Begriff der Transversalität beeindruckt, an den Sie erinnert haben, und insbesondere haben Sie Bezug genommen auf die Begegnungen mit jungen Politikern aus verschiedenen Ländern. Sie haben auch von der Notwendigkeit einer Art Pakt zwischen den Generationen gesprochen, einer Vereinbarung zwischen den Generationen am Rand dieser Transversalität. Dann, wenn Sie es mir erlauben, noch eine Frage aus persönlicher Neugier: Ist es wahr, dass Sie den heiligen Josef besonders verehren? Und dass Sie in Ihrem Zimmer eine Statue haben?

(Papst Franziskus)

Ja! Immer, wenn ich den heiligen Josef um etwas gebeten habe, dann hat er es mir gegeben. Die Tatsache der »Transversalität« ist wichtig. In den Gesprächen mit jungen Politikern verschiedener Parteien und Nationen im Vatikan habe ich gesehen, dass sie »in einem anderen Ton« sprechen, der nach der Transversalität strebt: das ist ein Wert! Sie haben keine Angst über die persönliche Partei-Zugehörigkeit hinauszugehen, ohne sie zu verleugnen, sondern hinauszugehen, um einen Dialog zu führen. Und sie sind mutig! Ich glaube, das müssen wir nachahmen; und auch den Dialog zwischen den Generationen. Dieses Hinausgehen, um Personen anderer Zugehörigkeiten zu begegnen und einen Dialog zu führen: Europa braucht das, heute.

(Javier María Alonso Martínez)

In Ihrer zweiten Ansprache, der Ansprache an den Europarat, haben Sie von den Sünden der Kinder der Kirche gesprochen. Ich würde gerne wissen, wie Sie die Nachricht von dieser Angelegenheit in Granada aufgenommen haben, die Sie in gewisser Weise ans Licht gebracht haben…

(Papst Franziskus)

Ich habe das an mich gerichtete Schreiben erhalten, ich habe es gelesen, habe die Person angerufen und gesagt: »Morgen gehst du zum Bischof.« Und ich habe dem Bischof geschrieben, mit der Arbeit zu beginnen, die Untersuchung durchzuführen und weiterzumachen. Wie ich das aufgenommen habe? Mit großem Schmerz, mit sehr großem Schmerz. Aber die Wahrheit ist die Wahrheit, und die dürfen wir nicht verstecken.

(Andreas Englisch)

Sie haben häufig und jetzt in den Ansprachen in Straßburg sowohl von der Bedrohung des Terrorismus als auch von der Bedrohung der Versklavung gesprochen: das sind typische Haltungen auch für den Islamischen Staat, der einen großen Teil des Mittelmeerraumes bedroht, er bedroht sogar Rom und auch Sie als Person. Glauben Sie, dass man auch mit diesen Extremisten einen Dialog führen kann, oder glauben Sie, dass das aussichtslos ist?

(Papst Franziskus)

Ich halte nie etwas für aussichtslos, nie. Vielleicht kann man keinen Dialog führen, aber niemals darf man die Tür verschließen. Es ist schwierig, man kann sagen »fast unmöglich«, aber die Tür bleibt immer offen. Sie haben zweimal das Wort »Bedrohung« verwendet: das ist wahr, der Terrorismus ist eine Realität, die bedrohlich ist… Aber die Sklaverei ist eine in das Sozialgefüge von heute eingebundene Realität, aber schon seit langem! Die Sklavenarbeit, der Menschenhandel, der Kinderhandel… das ist ein Drama! Wir dürfen die Augen davor nicht verschließen! Die Sklaverei ist heute eine Realität, die Ausbeutung von Menschen… Und dann ist da die Bedrohung durch diese Terroristen. Aber auch eine andere Bedrohung, und das ist der staatliche Terrorismus. Wenn die Dinge sich immer mehr steigern, steigern, steigern, und jeder Staat auf eigene Rechnung das Recht zu haben glaubt, die Terroristen niederzumetzeln, und mit den Terroristen sterben viele, die unschuldig sind. Und das ist eine Anarchie auf hoher Ebene, die sehr gefährlich ist. Gegen den Terrorismus muss man kämpfen, aber ich wiederhole, was ich auf der vorangegangenen Reise gesagt habe: Wenn man dem ungerechten Angreifer Einhalt gebieten muss, dann muss man das mit internationalem Einverständnis tun.

(Caroline Pigozzi)

Ich würde gerne wissen, ob Sie, wenn Sie nach Straßburg reisen, in Ihrem Herzen als Nachfolger Petri, als Bischof von Rom oder als Erzbischof von Buenos Aires reisen… Das ist eine typische Frage von einer Frau…

(Papst Franziskus)

Caroline ist sehr scharfsinnig… Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Aber… ich reise, glaube ich, mit allen drei Dingen, weil ich mir diese Frage nie gestellt habe. Sie zwingen mich, etwas darüber nachzudenken! Nein, wirklich… Die Erinnerung ist die eines Erzbischofs von Buenos Aires, aber das gibt es nicht mehr. Jetzt bin ich Bischof von Rom und Nachfolger Petri, und ich denke ich reise mit jener Erinnerung, aber mit dieser Realität: ich reise mit diesen Dingen. Mir persönlich bereitet Europa in diesem Augenblick Sorge; um zu helfen, ist es gut, dass ich vorangehe, als Bischof von Rom und als Nachfolger Petri: dort bin ich Römer. Vielen Dank für eure Arbeit! Das war wirklich ein sehr intensiver Tag. Danke, vielen Dank. Vergesst nicht, für mich zu beten! Gesegnete Mahlzeit.

 


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