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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DES
PÄPSTLICHEN RATS FÜR DIE LAIEN

Clementina-Saal
Samstag, 7. Februar 2015

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Liebe Brüder und Schwestern!

Es ist mir eine Freude, den zu seiner Vollversammlung zusammengekommenen Päpstlichen Rat für die Laien zu empfangen. Ich danke seinem Präsidenten, Kardinal Rylko, für die an mich gerichteten Worte.

In der seit eurer letzten Vollversammlung verstrichenen Zeit seid ihr aktiv gewesen und habt verschiedene Initiativen des Apostolats realisiert. Dabei habt ihr das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium als programmatischen Text und Kompass benutzt, an dem ihr eure Reflexion und euer Handeln ausgerichtet habt. In diesem Jahr, das vor nicht allzu langer Zeit begonnen hat, ist ein wichtiger Gedenktag zu verzeichnen: der 50. Jahrestag des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils. Ich weiß, dass ihr aus gegebenem Anlass dabei seid, eine Veranstaltung zum Gedenken an die Veröffentlichung des Dekrets Apostolicam actuositatem über das Laienapostolat vorzubereiten. Ich möchte diese Initiative ermutigen, die nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und die Zukunft der Kirche im Blick hat.

Das für diese Vollversammlung von euch gewählte Thema »Gott mitten in der Stadt begegnen« folgt den Spuren der in Evangelii gaudium enthaltenen Aufforderung, sich auf die »Herausforderung der Stadtkulturen« (Nr. 71-75) einzulassen. Das Phänomen der Urbanisierung hat mittlerweile globale Dimensionen angenommen: über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten. Und der städtische Kontext wirkt sich stark auf die Mentalität, die Kultur, die unterschiedlichen Lebensstile, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Religiosität der Menschen aus. In diesem so differenzierten und komplexen Kontext ist die Kirche nicht mehr die einzige, die »Sinn fördert oder stiftet«, und die Christen rezipieren »Sprachgebräuche, Symbole, Botschaften und Paradigmen […], »die neue Lebensorientierungen bieten, welche häufig im Gegensatz zum Evangelium Jesu stehen« (ebd., 73).

Die Städte bieten großartige Möglichkeiten und sie bergen große Gefahren: sie können großartige Räume der Freiheit und menschlicher Selbstverwirklichung sein, aber auch fürchterliche Räume der Entmenschlichung und des Unglücks. Es scheint, dass jeder Stadt, selbst der dem Anschein nach florierendsten und wohlgeordnetsten, die Möglichkeit innewohnt, in ihrem Inneren eine finstere »Gegen-Stadt« hervorzubringen. Es scheint, dass es neben den Bürgern auch »Nicht-Bürger« gibt: Menschen, die man nicht wahrnimmt, die nichts besitzen und keine menschliche Wärme empfangen, die an »Nicht-Orten« wohnen und in »Nicht-Beziehungen« leben. Es handelt sich dabei um Menschen, die niemand ansieht, denen niemand Aufmerksamkeit schenkt oder Interesse entgegenbringt. Sie sind nicht nur »anonym«; sie sind »Anti-Menschen«. Und das ist schrecklich. Angesichts solch trauriger Szenarien müssen wir uns stets daran erinnern, dass Gott die Stadt nicht verlassen hat. Er wohnt in der Stadt. Das Thema eurer Vollversammlung zielt gerade darauf ab, zu betonen, dass es möglich ist, Gott mitten in der Stadt zu begegnen. Das ist sehr schön.

Ja, Gott ist auch weiterhin auch in unseren so hektischen und zerstreuten Städten gegenwärtig! Aus diesem Grund darf man niemals dem Pessimismus oder Defätismus verfallen. Vielmehr ist es notwendig, die Stadt mit einem Blick des Glaubens zu betrachten, mit einem kontemplativen Blick, »der jenen Gott entdeckt, der in ihren Häusern, auf ihren Straßen und auf ihren Plätzen wohnt« (ebd., 71). Und in der Stadt ist Gott nie abwesend, weil er im menschlichen Herzen niemals abwesend ist! In der Tat »begleitet die Gegenwart Gottes die aufrichtige Suche, die Einzelne und Gruppen vollziehen, um Halt und Sinn für ihr Leben zu finden« (ebd.). Die Kirche will im Dienste dieser aufrichtigen Suche stehen, die in vielen Herzen lebt und die sie offen macht für Gott. Gerade die gläubigen Laien sind berufen, ohne Furcht hinauszugehen, um auf die Menschen der Städte zuzugehen: im Alltag, bei der Arbeit, als Einzelne oder Familien, zusammen mit der Gemeinde oder in den kirchlichen Bewegungen, denen sie angehören, können sie die Mauer der Anonymität und der Gleichgültigkeit durchbrechen, die in den Städten oft unangefochten herrscht. Es geht darum, den Mut zum ersten Schritt aufzubringen und den anderen Menschen entgegenzugehen, um die Apostel der Stadtviertel zu sein.

Werden die gläubigen Laien zu freudigen Verkündern des Evangeliums für ihre Mitbürger, dann entdecken sie, dass es viele Herzen gibt, die der Heilige Geist bereits darauf vorbereitet hat, ihr Zeugnis, ihre Nähe, ihre Aufmerksamkeit anzunehmen. In der Stadt gibt es oft einen sehr viel fruchtbareren Boden für das Apostolat, als viele meinen. Daher ist es wichtig, sich der Bildung der Laien anzunehmen: sie zu jenem von Hoffnung erfüllten Blick des Glaubens führen, der es versteht, die Stadt mit Gottes Augen zu sehen. Die Stadt mit Gottes Augen sehen. Sie ermutigen, das Evangelium zu leben, im Bewusstsein der Tatsache, dass jedes christlich geführte Leben immer einen starken Einfluss auf die Gesellschaft hat.

Zugleich ist es notwendig, ihn ihnen den Wunsch zu nähren, Zeugnis zu geben, damit sie den anderen Menschen das Geschenk des Glaubens, das ihnen selbst zuteil wurde, liebevoll weitergeben und voller Liebe ihre Brüder und Schwestern begleiten können, die ihre ersten Schritte im Glaubensleben tun. Mit einem Wort: Die Laien in der Kirche sind berufen, in demütiger Haltung eine tragende Rolle zu spielen und für die ganze Stadt zum Sauerteig des christlichen Lebens zu werden. Weiter ist wichtig, dass die gläubigen Laien durch diesen neuen, auf die Stadt ausgerichteten missionarischen Impuls gemeinsam mit ihren Hirten den Kern des Evangeliums zu vermitteln wissen, nicht dessen »Zusätze«. Bereits der damalige Erzbischof Montini sprach zu den an der großen Stadtmission in Mailand Beteiligten von der »Suche nach dem Wesentlichen« und regte an, vor allem selbst »wesentlich« – das heißt wahr, unverfälscht – zu sein und von dem zu leben, was wirklich zählt (vgl. Discorsi e scritti milanesi 1954-1963, Istituto Paolo VI, Brescia-Rom 1997-1998, S. 1483). Nur so kann man die befreiende Verkündigung der Liebe Gottes und des Heils, das Christus uns schenkt, in all ihrer Kraft, Schönheit und Einfachheit anbieten. Nur auf diese Weise kann man den Menschen respektvoll entgegentreten; man bietet ihnen die wesentliche Botschaft des Evangeliums an.

Ich vertraue eure Arbeit und eure Vorhaben dem mütterlichen Schutz der Jungfrau Maria an, Pilgerin gemeinsam mit ihrem Sohn bei der Verkündigung des Evangeliums von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, und erteile euch und euren Lieben von Herzen meinen Segen. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke.

 



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