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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
 AN DIE GEMEINSCHAFT DER KATHOLISCHEN UNIVERSITÄT PORTUGALS
 

Clementina-Saal
Donnerstag, 26. Oktober 2017

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Herr Großkanzler, Frau Rektorin,
liebe Professoren und Studenten,
Brüder und Schwestern!

Angesichts der Tatsache, dass es mir nicht möglich war, den Hauptsitz eurer Universität im Rahmen meiner Pilgerreise in den Wallfahrtsort Fatima im vergangenen Mai zu besuchen, habt ihr beschlossen, dass ausgewählte Vertreter der Universität mich am Stuhl Petri besuchen sollen. Mit Freude empfange ich euch und begrüße euch sehr herzlich. Ich danke meinem Mitbruder Manuel Clemente für den Gruß, den er an mich gerichtet hat und in dem er mir die Hoffnungen und den Kampf all jener vor Augen geführt hat, die – ebenso wie andere in der Vergangenheit – diese universitäre Gemeinschaft lieben, formen und bilden. Ich beglückwünsche die Kirche in Portugal, die sie gewollt hat, fördert und unterstützt – und die so auf ein tiefgreifendes Verständnis der heutigen Zeit und vor allem auf die Hochschulausbildung der Leiter des Gottesvolkes und der Führungspersönlichkeiten, die die Gesellschaft braucht, zählen kann. Jetzt feiern Sie den 50. Jahrestag im Dienst des Wachstums der Person und der menschlichen Gemeinschaft: Für Erstere ein Werk, das in relativ kurzer Zeit aufgebaut wurde, und für Letztere ein Werk ohne Ende. Lang lebe also die Katholische Universität Portugal!

Vom Wesen und von der Sendung her seid ihr eine Universität, das heißt, ihr umfasst das Universum des Wissens in seiner menschlichen und göttlichen Bedeutung, um jenen universalen Blick zu gewährleisten, ohne den der Verstand sich mit Teilmodellen zufriedengibt und auf sein höchstes Streben verzichtet: die Suche nach der Wahrheit. Im Hinblick auf die Größe seines Wissens und seiner Macht gibt der Verstand dem Druck der Interessen und der Anziehungskraft des Nützlichen nach und erkennt sie am Ende als sein letztes Kriterium an. Wenn der Mensch sich jedoch den blinden Kräften des Unbewussten, der unmittelbaren Bedürfnisse, des Egoismus überlässt, dann wird seine Freiheit krank. »In diesem Sinne ist er seiner eigenen Macht, die weiterwächst, ungeschützt ausgesetzt, ohne die Mittel zu haben, sie zu kontrollieren. Er mag über oberflächliche Mechanismen verfügen, doch wir können feststellen, dass er heute keine solide Ethik, keine Kultur und Spiritualität besitzt, die ihm wirklich Grenzen setzen und ihn in einer klaren Selbstbeschränkung zügeln« (Enzyklika Laudato si, 105).

Tatsächlich bedeutet Wahrheit mehr als Wissen: Die Erkenntnis der Wahrheit hat als Endziel die Erkenntnis des Guten. Die Wahrheit macht uns gut, und die Güte ist wahrhaftig. Wir müssen uns fragen: Wie können wir unseren Studenten helfen, einen akademischen Grad nicht als Synonym für eine höhere Position, als Synonym für mehr Geld oder größeres gesellschaftliches Ansehen zu betrachten? Dies sind keine Synonyme. Helfen wir ihnen, die Ausbildung als Zeichen einer größeren Verantwortung angesichts der heutigen Probleme, angesichts der Nöte der Armen, angesichts des Umweltschutzes zu sehen? Es genügt nicht, Analysen durchzuführen, die Wirklichkeit zu beschreiben; es ist notwendig, Räume wahrer Forschung zu schaffen, Debatten, die Alternativen für die heutigen Probleme aufzeigen. Wie wichtig ist es, konkret zu werden!

Durch den Plan und die Gnade Gottes seid ihr eine katholische Universität. Dieser Wesenszug fügt der Universität keinerlei Schaden zu, sondern verleiht ihr im Gegenteil höchsten Wert; denn wenn der grundlegende Auftrag der Universität »das ständige Suchen nach Wahrheit durch Erforschen, Bewahren und Verbreiten von Wissen zum Wohl der Gesellschaft« ist (Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Ex corde Ecclesiae, 30), dann zeichnet sich eine katholische akademische Einrichtung durch die christliche Inspiration ihrer Mitglieder und ihrer eigenen Gemeinschaften aus und hilft ihnen, die moralische, geistliche und religiöse Dimension in ihre Forschung einzubinden und die Errungenschaften der Wissenschaft und der Technik im Hinblick auf den ganzen Menschen zu wertschätzen. Wie Johannes Paul II. sagt, »können die Humanwissenschaften unbeschadet des großen Wertes der Erkenntnisse, die sie anbieten, nicht als die entscheidenden Wegweiser für das Aufstellen sittlicher Normen angesehen werden« (Enzyklika Veritatis splendor, 112). Das meinte ich, als ich darüber sprach, dass der Verstand in die Irre geht, wenn der Druck der Interessen und die Anziehungskraft des Nützlichen für ihn das letzte Kriterium darstellen. »Es ist das Evangelium, das die ganze Wahrheit über den Menschen und über den sittlichen Weg enthüllt und so die Sünder erleuchtet und ermahnt und ihnen von der Barmherzigkeit Gottes kündet. […] Es erinnert sie darüber hinaus an die Freude der Vergebung, die allein die Kraft dazu verleiht, im sittlichen Gesetz eine befreiende Wahrheit, eine Gnade zur Hoffnung, einen Lebensweg zu erkennen« (ebd.).

Man könnte einwenden, dass eine universitäre Lehre dieser Art ihre Schlüsse aus dem Glauben zieht und daher nicht erwarten kann, dass jene, die diesen Glauben nicht teilen, ihre Gültigkeit anerkennen. Aber auch wenn sie den Glauben gewiss nicht teilen, können sie dennoch die ethische Grundlage erkennen, die ihnen angeboten wird. Hinter dem katholischen Dozenten begegnet man einer gläubigen Gemeinschaft, in der in den Jahrhunderten ihrer Existenz eine gewisse Lebensweisheit herangereift ist; eine Gemeinschaft, die den Schatz des Wissens und der ethischen Erfahrung, der sich für die gesamte Menschheit als wichtig erweist, in sich bewahrt. In diesem Sinne spricht der Dozent nicht so sehr als Vertreter eines Glaubens, sondern vor allem als Zeuge der Gültigkeit einer ethischen Vernunft. Und eurer Gestalt und Präsenz nach seid ihr eine portugiesische Universität. Das ist ein weiteres Zeichen der Hoffnung, das die Kirche dem Land bietet, da sie der Nation eine kulturelle Einrichtung zur Verfügung stellt, die die christliche Vollkommenheit des Menschen zum Ziel hat und aufgerufen ist, dem Anliegen des Menschen selbst zu dienen, in der Gewissheit: »Wer Christus, dem vollkommenen Menschen, folgt, wird auch selbst mehr Mensch«, wie das Zweite Vatikanischen Konzil lehrt (Gaudium et spes, 41).

Vorhin habe ich die Notwendigkeit erwähnt, konkret zu werden; ich möchte hier das Prinzip in Erinnerung rufen, sich in unser Volk hineinzuversetzen. Seine Fragen stellen auch uns vor Fragen; seine Kämpfe, Träume und Sorgen haben einen hermeneutischen Wert, den wir nicht ignorieren dürfen, wenn wir wirklich das Prinzip der Menschwerdung verfolgen wollen. Unser Gott hat diesen Weg gewählt: Er ist Mensch geworden in dieser Welt, die von Konflikten, Unrecht und Gewalt geprägt und voller Hoffnungen und Träume ist. Wir haben keinen anderen Ort, wo wir ihm begegnen können, als in unserer konkreten Welt, in eurem konkreten Portugal, in euren Städten und Dörfern, in eurem Volk. Dort ist Gott, der erlöst.

»In Portugal wird man stets das Dogma des Glaubens bewahren« (Erinnerungen von Schwester Lucia, IV, Nr. 5). Das ist eine himmlische Verheißung, die vor 100 Jahren in Fatima gegeben wurde und die ebenso tröstlich wie verpflichtend ist, denn wir wissen, dass Gott den Menschen allein erschaffen hat, ihn aber nicht allein erlösen wollte; er hofft auf unsere Mitarbeit. Auch die Mitarbeit der Katholischen Universität Portugal,  die vor 50 Jahren entstanden ist, in einer Zeit, die im Zeichen der Weihe der akademischen Gemeinschaft an das Unbefleckte Herz Mariens gelebt wurde. Es hat meiner Seele sehr gut getan, als ich in ihrem Heiligtum war, mich dem Gebet des guten Volkes aus Portugal und anderen Teilen der Welt anzuschließen. Wie ich euch damals gesagt haben, war ich dort, »um die Jungfrau und Mutter Maria zu verehren und ihr ihre Söhne und Töchter anzuvertrauen. Unter ihrem Schutzmantel gehen sie nicht verloren; aus ihren Armen werden sie die Hoffnung und den Frieden bekommen, deren sie bedürfen« (Predigt am Gedenktag Unserer Lieben Frau von Fatima auf dem Platz vor dem Heiligtum von Fatima, 13. Mai 2017; in O.R. dt., Nr. 20/1).

In dieser Gewissheit, die zum Wunsch des Wohlergehens für die ganze Familie wird, aus der sich eure akademische Einrichtung zusammensetzt – Leiter, Dozenten, Studenten, Verwaltungsmitarbeiter und Wohltäter –, bringe ich erneut meine guten Wünsche zum Jubiläum zum Ausdruck und segne alle in ihren Arbeiten und Initiativen. Ich begleite euch mit meinem Gebet, und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke.

 


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