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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MITGLIEDER DER KONGREGATION
FÜR DIE SELIG- UND HEILIGSPRECHUNGSPROZESSE

Clementina-Saal
Donnerstag, 12. Dezember 2019

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, mit der großen Familie der Heiligsprechungskongregation zusammenzutreffen, die ihre Arbeit im Dienst an der Weltkirche tut hinsichtlich der Anerkennung der Heiligkeit derer, die Christus treu gefolgt sind. Herzlich begrüße ich Kardinal Angelo Becciu, den Präfekten des Dikasteriums, und danke ihm für seine Worte. Ich begrüße die Kardinäle und Bischöfe, die Mitglieder dieses Dikasteriums sind, sowie den Sekretär, Erzbischof Marcello Bartolucci, den Untersekretär, die Beamten, Konsultoren und Postulatoren.

Unsere heutige Begegnung hat einen bedeutsamen Anlass: Die Kongregation für die Selig- und  Heiligsprechungsprozesse wird in diesem Jahr ein halbes Jahrhundert alt. Denn am 8. Mai 1969 beschloss der heilige Paul VI. die heilige Ritenkongregation durch zwei Dikasterien zu ersetzen: durch die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse sowie durch die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Mit dieser Entscheidung ermöglichte er es, beiden klar von einander getrennten Bereichen angemessene Personal- und Arbeitsressourcen zu widmen, um so besser sowohl den immer zahlreicheren Nachfragen aus den Teilkirchen als auch der Haltung des Konzils zu entsprechen.

In diesem halben Jahrhundert der Tätigkeit hat eure Kongregation eine große Zahl biografischer und spiritueller Lebensbilder von Männern und Frauen geprüft, um sie als Modell und Orientierung für das christliche Leben vorzustellen. Die sehr zahlreichen Selig- und Heiligsprechungen der letzten Jahrzehnte unterstreichen, dass die Heiligen keine unerreichbaren Menschen sind, sondern dass sie uns nahe sind und uns auf dem Lebensweg beistehen können. Denn »sie haben die tägliche Mühe des Daseins mit seinen Erfolgen und Misserfolgen erlebt und im Herrn die Kraft gefunden, immer wieder aufzustehen und den Weg fortzusetzen« (Angelus, 1. November 2019). Es ist notwendig, dass wir unsere konsequente Übereinstimmung mit dem Evangelium an diversen Typologien der Heiligkeit messen, denn: » Jeder Heilige ist eine Sendung; er ist ein Entwurf des Vaters, um zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte einen Aspekt des Evangeliums widerzuspiegeln und ihm konkrete Gestalt zu verleihen« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 19).

Das Zeugnis der Seligen und Heiligen erleuchtet uns, es zieht uns an und hinterfragt uns auch, weil es das in der Geschichte verkörperte und uns nahe »Wort Gottes« ist. Die Heiligkeit durchdringt und begleitet stets das Leben der in der Zeit pilgernden Kirche, häufig auf verborgene und kaum wahrnehmbare Weise. Daher müssen wir lernen, »die Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes zu sehen: in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln. […] Oft ist das die Heiligkeit ›von nebenan‹, derer, die in unserer Nähe wohnen und die ein Widerschein der Gegenwart Gottes sind« (ebd., 7).

Euer Dikasterium hat die Aufgabe, die verschiedenen Weisen der heroischen Heiligkeit zu prüfen, die heller erstrahlende ebenso wie die verborgenere und weniger auffällige, aber ebenso außergewöhnliche Heiligkeit. Heiligkeit ist das wahre Licht der Kirche: Als solches muss es auf den Leuchter gestellt werden, damit es den Weg des ganzen erlösten Volkes zu Gott erhellen und leiten kann. Es handelt sich um eine täglich von eurem Dikasterium durchgeführte Prüfung, die seit dem Altertum praktiziert wurde: mit Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit in der Untersuchung, seriös und kompetent im Studium der Quellen des Verfahrens und der Dokumente, mit Objektivität und Strenge bei der Untersuchung und beim Urteil auf allen Ebenen bezüglich des Martyriums, des heroischen Tugendgrads, der Lebenshingabe und des Wunders. Es handelt sich um grundlegende Kriterien, die erforderlich sind aufgrund der Tragweite des Themas, der vom Kirchenrecht geregelten Vorgehensweise und der berechtigten Erwartungen des Gottesvolkes, das sich der Fürsprache der Heiligen anvertraut und sich an ihrem Lebensvorbild inspiriert.

Auf diesem Weg erlaubt die Arbeit der Kongregation, jede Doppeldeutigkeit und jeden Zweifel auszuräumen und bei der Heiligsprechung vollkommene Gewissheit zu erreichen. Ich kann daher nur einen jeden von euch ermahnen, auf dem vorgezeichneten und seit etwa vier Jahrhunderten von der Ritenkongregation beschrittenen Weg weiterzugehen, der in den letzten 50 Jahren von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse fortgesetzt wurde. Darin möchte ich die Oberen, die Kardinäle, die Bischöfe als Mitglieder des Dikasteriums und alle Beamten ermutigen.

Die Konsultoren im historischen, theologischen und medizinischen Bereich sind aufgerufen, ihre Arbeit in völliger Gewissensfreiheit zu tun, indem sie die ihnen anvertrauten Fälle sorgfältig studieren und die jeweiligen Urteile nach reiflicher Überlegung formulieren, auf unparteiliche Weise und ohne sich von Beeinflussungen, woher auch immer diese kommen mögen, leiten zu lassen. Die Statuten und die Praxis des Dikasteriums wie auch die Wachsamkeit der Oberen fördern eine vollkommene Unabhängigkeit in den Beziehungen zwischen den Verfassern der einzelnen Voten und demjenigen, der an für besondere Fälle einberufenen Sitzungen teilnimmt oder sie koordiniert. Es geht darum, stets die Ziele der einzelnen Fälle vor Augen zu haben: den Ruhm Gottes und das geistliche Wohl der Kirche, die eng verbunden sind mit der Suche nach der Wahrheit und der dem Evangelium entsprechenden Vollkommenheit.

Die Postulatoren sollen sich ihrerseits immer mehr bewusst sein, dass ihre Funktion eine Haltung des Dienstes an der Wahrheit und der Zusammenarbeit mit dem Heiligen Stuhl erfordert. Sie sollen sich nicht von einer materiellen Sichtweise oder ökonomischen Interessen leiten lassen, nicht ihre persönliche Bestätigung suchen und vor allem all das meiden, was im Gegensatz zur Bedeutung der kirchlichen Arbeit steht, die sie tun. Den Postulatoren muss stets bewusst bleiben, dass die Selig- und Heiligsprechungsprozesse geistliche Wirklichkeiten sind, nicht nur Prozesse, sondern geistliche Wirklichkeit. Daher müssen sie mit einer ganz dem Evangelium entsprechenden Haltung und moralischer Strenge behandelt werden. Einmal haben wir mit Kardinal Amato über die Notwendigkeit des Wunders gesprochen. Ein Wunder ist notwendig, weil der Finger Gottes genau darin liegt. Ohne ein klares Eingreifen des Herrn dürfen wir in den Heiligsprechungsverfahren nicht weitergehen.

Liebe Brüder und Schwestern, ich danke euch für euren gewissenhaften Dienst, den ihr der ganzen Kirche leistet. Durch euer Wirken steht ihr insbesondere den Bischöfen zur Seite, indem ihr sie in ihrer Aufgabe unterstützt, das Bewusstsein zu verbreiten, dass Heiligkeit die tiefste Notwendigkeit für jeden Getauften, die Seele der Kirche und der Hauptaspekt ihrer Sendung ist. Ich vertraue eure tägliche Arbeit der mütterlichen Fürsprache Mariens an, der Königin aller Heiligen. Verbunden mit der Bitte um euer Gebet für mich erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen.

 



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