Index   Back Top Print

[ AR  - DE  - EN  - ES  - FR  - IT  - PT ]

ERÖFFNUNGSZEREMONIE DER 42. VERSAMMLUNG DES VERWALTUNGSRATS
DES INTERNATIONALEN FONDS FÜR LANDWIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG
(IFAD)

Sitz der FAO, Rom
Donnerstag, 14. Februar 2019

[Multimedia]


 

Ansprache des Heiligen Vaters bei der Eröffnungszeremonie der 42. Versammlung des Verwaltungsrats des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung
[Englisch, Italienisch, Spanisch]

Ansprache des Heiligen Vaters an die Teilnehmer der 4. Versammlung des Forums indigener Völker, die der IFAD einberufen hat
[Englisch, Italienisch, Spanisch]

Grußadresse des Heiligen Vaters an das Personal des IFAD
[Englisch, Italienisch]



 ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS BEI DER ERÖFFNUNGSZEREMONIE
 

Herr Präsident des IFAD,
geehrte Staatsoberhäupter,
Herr Ministerpräsident von Italien,
geehrte Minister, geehrte Abgeordnete und ständige Vertreter der Mitgliedstaaten,
meine Damen und Herren!

Gerne habe ich die Einladung zur Eröffnungszeremonie der 42. Versammlung des Verwaltungsrats des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) angenommen, die Sie, Herr Präsident, im Namen dieser zwischenstaatlichen Organisation an mich gerichtet  haben.

Durch meine Anwesenheit möchte ich die Bestrebungen und Bedürfnisse unserer zahllosen Brüder und Schwestern, die in der Welt Not leiden, an diesen Ort bringen. Ich möchte, dass wir ihnen ins Gesicht schauen können, ohne zu erröten, weil endlich ihr Schrei gehört wurde und ihre Sorgen Beachtung gefunden haben. Sie leben in prekären Situationen: Die Luft ist verschmutzt, die natürlichen Ressourcen verbraucht, die Flüsse verseucht, der Boden versäuert. Sie haben nicht genügend Wasser für sich selbst und für ihre Anpflanzungen; ihre medizinischen Infrastrukturen sind sehr unzureichend, ihre Behausungen elend und hinfällig.

Und diese Gegebenheiten ziehen sich über einen langen Zeitraum hin, während unsere Gesellschaft andererseits große Resultate auf anderen Wissensgebieten erlangt hat. Das heißt, dass wir einer Gesellschaft gegenüberstehen, die fähig ist, gute Anliegen voranzubringen; und sie wird auch den Kampf gegen Hunger und Elend gewinnen, wenn sie es sich ernsthaft vornimmt. Sich entschieden diesem Kampf zu stellen ist grundlegend, damit wir – nicht als Slogan, sondern wirklich – hören können: »Der Hunger hat weder Gegenwart noch Zukunft, sondern nur Vergangenheit.« Zu diesem Ziel ist die Hilfe der internationalen Gemeinschaft, der Zivilgesellschaft sowie aller notwendig, die Ressourcen besitzen.

Verantwortung darf nicht gemieden werden, indem man sie einander zuschiebt, sondern sie muss übernommen werden, um konkrete und reale Lösungen anzubieten. Diese konkreten und realen Lösungen müssen wir einander weitergeben. Der Heilige Stuhl hat stets die Anstrengungen begrüßt, die von den internationalen Organisationen unternommen wurden, um der Armut zu begegnen. Bereits im Dezember 1964 bat der heilige Paul VI. im damaligen Bombay (Indien) um die Schaffung eines Weltfonds, um die Armut zu bekämpfen und einen entschiedenen Impuls zur ganzheitlichen Förderung der ärmsten Gebiete der Menschheit zu geben, und er hat dies bei anderen Gelegenheiten wiederholt (vgl. Ansprache an die Teilnehmer der Welternährungskonferenz; 9. November 1974). Und seitdem haben wir, seine Nachfolger, nicht aufgehört, entsprechende Initiativen zu fördern. Eines der deutlichsten Beispiele dafür ist der IFAD.

Die 42. Versammlung des Verwaltungsrats des IFAD wird in dieser Logik fortgesetzt und hat eine faszinierende und entscheidende Aufgabe vor sich: nie dagewesene Möglichkeiten zu schaffen, jede Unschlüssigkeit zu zerstreuen und jedes Volk in die Lage zu versetzen, den Nöten entgegenzutreten, unter denen es leidet. Die internationale Gemeinschaft, die die »Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung« erarbeitet hat, muss weitere Schritte zur tatsächlichen Umsetzung der 17 Ziele unternehmen, aus denen diese sich zusammensetzt.

In diesem Zusammenhang ist der Beitrag des IFAD unverzichtbar, um die ersten beiden Ziele der Agenda zu erlangen: Beseitigung der Armut, Kampf gegen den Hunger und Förderung der Ernährungssicherheit. Nichts von all dem wird möglich sein ohne die Entwicklung der Landwirtschaft – eine Entwicklung, von der schon lange gesprochen wird, die jedoch noch nicht konkret umgesetzt wurde. Und es erscheint paradox, dass ein großer Teil der über 820 Millionen Menschen in der Welt, die Hunger und Unterernährung leiden, in ländlichen Gebieten leben – das ist paradox – und sich der Herstellung von Lebensmitteln widmen und Bauern sind. Außerdem ist die Landflucht und die Hinwendung zu den Städten eine weltweite Tendenz, die wir bei unseren Überlegungen nicht außer Acht lassen dürfen.

Die lokale Entwicklung hat daher einen Wert an sich und nicht im Hinblick auf andere Ziele. Es geht darum, dafür zu sorgen, dass jeder Mensch und jede Gemeinschaft die eigenen Fähigkeiten voll entfalten und so ein menschliches Leben führen kann, das diesen Namen verdient. Die Hilfe, all dies zu entfalten, findet aber nicht von oben nach unten statt, sondern mit ihnen und für sie: »pour et avec«, wie der Herr Präsident gesagt hat.

Ich fordere alle, die in den Nationen und in den zwischenstaatlichen Organisationen Verantwortung tragen, sowie alle, die vom öffentlichen und privaten Sektor her dazu beitragen können, auf, die notwendigen Kanäle zu entwickeln, um in den ländlichen Regionen der Erde geeignete Maßnahmen umsetzen zu können, damit diese Regionen verantwortliche Schöpfer ihrer Produktion und ihres Fortschritts sein können.

Die Probleme, die gegenwärtig das Schicksal vieler unserer Brüder und Schwestern negativ beeinflussen, lassen sich nicht in isolierter, gelegentlicher oder oberflächlicher Weise lösen. Wir müssen heute mehr denn je die Kräfte vereinen, einen Konsens erlangen, Beziehungen knüpfen. Die gegenwärtigen Herausforderungen sind so verworren und komplex, dass wir uns ihnen nicht mehr nur gelegentlich, durch Notresolutionen, stellen können. Jene, die von der Armut betroffen sind, müssen zu Handlungsträgern gemacht werden; sie dürfen nicht als bloße Empfänger von Hilfen betrachtet werden, die letztlich Abhängigkeiten erzeugen könnten. Und wenn ein Volk sich daran gewöhnt, abhängig zu sein, dann entwickelt es sich nicht.

Es geht darum, stets die Zentralität des Menschen zu betonen und in Erinnerung zu rufen: »Die neuen in Entwicklung befindlichen Prozesse können nicht immer in Schemata eingefügt werden, die von außen festgelegt werden. Sie müssen vielmehr aus der eigenen lokalen Kultur erwachsen « (Enzyklika Laudato si, Nr. 144), die immer ihre eigene Besonderheit hat. Und in diesem Sinne hat der IFAD in den letzten Jahren bessere Ergebnisse erlangt durch eine stärkere Dezentralisierung, indem er die Süd-Süd-Kooperation gefördert, die Finanzierungsquellen und Vorgehensweisen diversifiziert und ein Vorgehen unterstützt hat, das auf Tatsachen basiert und gleichzeitig Kenntnisse erzeugt. Ich ermutige Sie brüderlich, diesen Weg fortzusetzen: einen demütigen Weg, der aber der richtige Weg ist. Ein Weg, der stets die Lebensumstände der Menschen verbessern muss, die am meisten Not leiden.

Zum Abschluss möchte ich einige besondere Überlegungen mit Ihnen teilen, die das Thema »Unternehmerische Erneuerungen und Initiativen im ländlichen Raum« betreffen, unter dem diese Versammlung des Verwaltungsrats des IFAD steht. Man muss auf Erneuerung, auf die unternehmerischen Fähigkeiten, auf den Protagonismus der lokalen Handlungsträger sowie auf die Leistungsfähigkeit der Produktionsprozesse abzielen, um Veränderungen im ländlichen Raum zu erreichen, Unterernährung zu beseitigen und den landwirtschaftlichen Bereich nachhaltig zu entwickeln. Und in diesem Zusammenhang ist es notwendig, eine »Wissenschaft mit Gewissen« zu fördern und die Technologie wirklich in den Dienst der Armen zu stellen. Außerdem dürfen die neuen Technologien nicht im Widerspruch zu den lokalen Kulturen und den traditionellen Erkenntnissen stehen, sondern müssen sie ergänzen und mit ihnen zusammenwirken.

Ich ermutige Sie alle, die Sie hier anwesend sind, sowie alle, die im Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung tätig sind, Ihre Arbeiten, Bemühungen und Entscheidungen denen, die ausgegrenzt und weggeworfen sind – in unserer Wegwerfkultur – sowie den Opfern von Gleichgültigkeit und Egoismus zugute kommen zu lassen. Mögen wir so den völligen Sieg über den Hunger und eine reiche Ernte an Gerechtigkeit und Wohlergehen erlangen. Danke.

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana