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  JOHANNES PAUL II. 

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 14. Mai 2003

 

Lesung: Buch Daniel 3,26-27.29.34-41 

26 Gepriesen und gelobt bist du, Herr, Gott unserer Väter; herrlich ist dein Name in alle Ewigkeit. 27 Denn du bist gerecht in allem, was du getan hast. All deine Taten sind richtig, deine Wege gerade. Alle deine Urteile sind wahr. 
29 Denn wir haben gesündigt und durch Treubruch gefrevelt und haben in allem gefehlt. 
34 Um deines Namens willen verwirf uns nicht für immer; löse deinen Bund nicht auf! 
35 Versag uns nicht dein Erbarmen, deinem Freund Abraham zuliebe, deinem Knecht Isaak und Israel, deinem Heiligen, 
36 denen du Nachkommen verheißen hast so zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres. 
37 Ach, Herr, wir sind geringer geworden als alle Völker. In aller Welt sind wir heute wegen unserer Sünden erniedrigt. 
38 Wir haben in dieser Zeit weder Vorsteher noch Propheten und keinen, der uns anführt, weder Brandopfer noch Schlachtopfer, weder Speiseopfer noch Räucherwerk, noch einen Ort, um dir die Erstlingsgaben darzubringen und um Erbarmen zu finden bei dir. 
39 Du aber nimm uns an! Wir kommen mit zerknirschtem Herzen und demütigem Sinn. 
40 Wie Brandopfer von Widdern und Stieren, wie Tausende fetter Lämmer, so gelte heute unser Opfer vor dir und verschaffe uns bei dir Sühne. Denn wer dir vertraut, wird nicht beschämt. 
41 Wir folgen dir jetzt von ganzem Herzen, fürchten dich und suchen dein Angesicht.

 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Das soeben gesungene Canticum gehört zum griechischen Text des Buches Daniel und stellt eine an den Herrn gerichtete leidenschaftliche und flehentliche Bitte dar. Es ist die Stimme des Volkes Israel, das das harte Schicksal des Exils und der Zerstreuung unter den Völkern erfährt. In der Tat ist es ein Jude, Asarja, der, in den babylonischen Horizont der Zeit des israelitischen Exils eingebunden, nach der Zerstörung Jerusalems durch König Nebukadnezzar dieses Gebet anstimmt. 

Asarja ist mit zwei weiteren gläubigen Juden »mitten im Feuer« (Dan 3,25) wie ein Märtyrer bereit, in den Tod zu gehen, um sein Gewissen und seinen Glauben nicht zu verraten. Er wurde zum Tod verurteilt, weil er sich geweigert hatte, die Statue des Königs anzubeten. Reinigung des sündigen Volkes 

2. Die Verfolgung wird von diesem Canticum als gerechte Strafe verstanden, durch die Gott das sündige Volk reinigt: »Ja, nach Wahrheit und Recht hast du all dies wegen unserer Sünden herbeigeführt«, bekennt Asarja (V. 28). Wir haben also ein Reuegebet vor uns, das nicht in Entmutigung oder Angst, sondern in Hoffnung übergeht. 

Gewiß, der Ausgangspunkt ist bitter, die Trostlosigkeit ist groß, die Prüfung ist schwer, das göttliche Urteil über die Sünde des Volkes ist streng: »Wir haben in dieser Zeit weder Vorsteher noch Propheten und keinen, der uns anführt, weder Brandopfer noch Schlachtopfer, weder Speiseopfer noch Räucherwerk, noch einen Ort, um dir die Erstlingsgaben darzubringen und um Erbarmen zu finden bei dir« (V. 38). Der Tempel von Zion ist zerstört, und der Herr scheint nicht mehr unter seinem Volk zu wohnen. 

3. In der gegenwärtigen tragischen Situation sucht die Hoffnung ihre Wurzeln in der Vergangenheit, das heißt in den Verheißungen, die den Vätern gemacht worden waren. Man geht also auf Abraham, Isaak und Jakob zurück (vgl. V. 35), denen Gott Segen und Fruchtbarkeit, Land und Reichtum, Wohlergehen und Frieden verheißen hatte. Gott ist treu und wird seine Versprechungen nicht zurücknehmen. Obwohl es die Gerechtigkeit erfordert, daß Israel für seine Sünden bestraft wird, bleibt die Gewißheit, daß die Barmherzigkeit und die Vergebung das letzte Wort haben. Schon der Prophet Ezechiel hat die Worte des Herrn zitiert: »Habe ich etwa Gefallen am Tod des Schuldigen und nicht vielmehr daran, daß er seine bösen Wege verläßt und so am Leben bleibt? … Ich habe doch kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muß« (Ez 18,23.32). Ja, jetzt ist die Zeit der Demütigung: »Ach, Herr, wir sind geringer geworden als alle Völker. In aller Welt sind wir heute wegen unserer Sünden erniedrigt« (Dan 3,37). Aber nach der Läuterung wird nicht der Tod, sondern ein neues Leben erwartet. 

4. Der Beter tritt vor den Herrn und bringt ihm das wertvollste und wohlgefälligste Opfer dar: das »zerknirschte Herz« und den »demütigen Sinn« (V. 39; vgl. Ps 50,19). Es ist das durch die Prüfung geläuterte Ich, der Kern des Daseins, das Gott dargebracht wird, damit er es zum Zeichen der Umkehr und der Weihe an das Gute annimmt. 

Durch diese innere Haltung vergeht die Furcht, Verwirrung und Scham schwinden (vgl. Dan 3,40), und der Sinn öffnet sich dem Vertrauen auf eine bessere Zukunft, wenn sich die an die Väter gerichteten Verheißungen erfüllen werden. 

Der letzte Satz des Gebets von Asarja, so wie es von der Liturgie vorgestellt wird, ist von starker emotionaler Wirkung und besonderer geistlicher Tiefe: »Wir folgen dir jetzt von ganzem Herzen, fürchten dich und suchen dein Angesicht« (V. 41). Er ist der Widerhall eines anderen Psalms: »Mein Herz denkt an dein Wort: ›Sucht mein Angesicht!‹ Dein Angesicht, Herr, will ich suchen« (Ps 27,8). 

Nun ist der Augenblick gekommen, wo unser Weg die krummen Pfade des Bösen und dessen Straßen, die in die Irre führen, verläßt (vgl. Spr 2,15). Wir stellen uns in die Nachfolge des Herrn, bewogen von der Sehnsucht, sein Antlitz zu schauen, und es ist nicht zornig, sondern voller Liebe, wie es sich in dem Vater gezeigt hat, der mit dem verlorenen Sohn Mitleid hatte (vgl. Lk 15,11-32). 

5. Wir beenden unsere Betrachtung über das Canticum des Asarja mit dem Gebet, das vom hl. Maximus dem Bekenner in seiner asketischen Rede (37-39) verfaßt wurde, zu dem er sich gerade durch den Text des Propheten Daniel anregen ließ: »Um deines Namens willen, Herr, verwirf uns nicht für immer; löse deinen Bund nicht auf! Versag uns nicht dein Erbarmen (vgl. Dan 3,34-35), Vater unser, der du bist im Himmel, um deiner Barmherzigkeit willen, um des Mitleids deines eingeborenen Sohnes willen und um des Erbarmens deines Heiligen Geistes willen … Herr, verschmähe nicht unsere Bitte und verwirf uns nicht für immer. 

Wir vertrauen nicht auf unsere gerechten Werke, sondern auf dein Mitleid, durch das du unser Menschengeschlecht erhältst … Verabscheue nicht unsere Würdelosigkeit, sondern hab Mitleid mit uns, nach deiner großen Huld und nach der Fülle deines Erbarmens lösch unsere Sünden aus, damit wir ohne Verdammnis vor dein heiliges Angesicht in Herrlichkeit treten und des Schutzes deines eingeborenen Sohnes würdig werden.« 

Der hl. Maximus schließt mit den Worten: »Ja, Herr, allmächtiger Herrscher, erhöre unser Flehen, damit wir niemand anderen als dich erkennen « (Umanità e divinità di Cristo, Rom, 1979, SS. 51-52). 


Im Buch Daniel des Alten Testamentes begegnet uns das Gebet des Asarja, der das harte Los des Volkes Israel im babylonischen Exil vor Gott bringt. „Mitten im Feuer" betet Asarja zum Herrn. Vor Gottes Angesicht bekennt er die Sünde seines Volkes: „Wir haben in allem gefehlt" (Dn 3, 29). Doch weiß sich der Beter der Treue Jahwes sicher: Gott ist barmherzig. Er wendet sich nicht ab. Das demütige Herz des Sünders nimmt er als wohlgefällige Gabe entgegen.

Das Erbarmen Gottes hat sich endgültig in Jesus offenbart. Wir Christen machen uns daher gerne das alte Gebet zu eigen: „Gepriesen und gelobt bist du, Herr unser Gott, herrlich ist dein Name in alle Ewigkeit!" (Dn 3, 26).

***

Von Herzen heiße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. Mein besonderer Gruß gilt heute einer Pilgergruppe der Roma-Seelsorge in Deutschland. Geht Christus entgegen! Er will bei euch wohnen und eure guten Taten mit seiner Gnade vollenden. Der Friede des auferstandenen Herrn sei mit euch!

      



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