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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 10. März 2004

 

1. Die abschließende Bitte: »Herr, verleihe dem König den Sieg! Erhöre uns am Tag, da wir rufen!« (Ps 20,10), enthüllt uns den Ursprung von Psalm 20, den wir gehört haben und über den wir jetzt nachdenken wollen. Wir haben also ein Königslied des frühen Israel vor uns, das bei feierlichen Gottesdiensten im Tempel von Zion gesungen wurde. Darin wird der göttliche Segen auf den Herrscher vor allem »am Tag der Not« (V. 2) herabgerufen, das heißt in der Zeit, in der das ganze Volk aufgrund eines drohenden Krieges in großer Angst lebt. Dann ist von Wagen und Rossen (vgl. V. 8) die Rede, die am Horizont vorzurücken scheinen; ihnen setzen der König und das Volk das Vertrauen auf den Herrn entgegen, der sich auf die Seite der Schwachen, der Unterdrückten, der Opfer der Überheblichkeit der Eroberer stellt.

Es ist leicht zu verstehen, daß die christliche Tradition diesen Psalm in einen Hymnus an Christus den König, den »Gesalbten« schlechthin, den »Messias« (vgl. V. 7), verwandelt hat. Er kommt in die Welt ohne Kriegsheere, aber mit der Macht des Geistes und führt den endgültigen Schlag gegen das Böse und den Machtmißbrauch, gegen die Anmaßung und den Stolz, gegen die Lüge und den Egoismus. In unseren Ohren hallen die Worte wider, die Christus an Pilatus, das Symbol der kaiserlichen Macht auf Erden, richtet: »… ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme« (Joh 18,37).

2. Wenn wir die Handlung dieses Psalms untersuchen, merken wir, daß sie sehr detailliert eine Liturgie offenbart, die im Tempel in Jerusalem gefeiert wurde. Es tritt die Versammlung der Kinder Israels auf, die für den König, das Oberhaupt des Landes, beten. Ja, zu Beginn erkennt man einen Opferritus, ähnlich den verschiedenen Speise- und Brandopfern, die der Herrscher dem »Gott Jakobs« (Ps 20,2) darbrachte, der »seinen Gesalbten« (V. 7) nicht im Stich läßt, sondern schützt und erhält.

Das Gebet ist deutlich geprägt von der Überzeugung, daß der Herr die Quelle der Sicherheit ist: Er kommt dem vertrauensvollen Wunsch des Königs und der ganzen Gemeinschaft entgegen, mit der er durch den Bund vereint ist. Die Atmosphäre ist zwar die eines Kriegsereignisses mit all den Ängsten und Gefahren, die es hervorruft. Das Wort Gottes scheint aber keine abstrakte Botschaft zu sein, sondern eine Stimme, die sich den kleinen und großen Nöten der Menschheit anpaßt. Der Psalm spiegelt deshalb die militärische Sprache und die Atmosphäre wider, die in Israel in Kriegszeiten herrschte (vgl. V. 6), indem er sich den Empfindungen des Menschen in Schwierigkeiten anpaßt.

3. Vers 7 leitet eine Wende im Psalm ein. Während die vorhergehenden Verse an Gott gerichtete Bitten ausdrücken (vgl. V. 2–5), bekräftigt Vers 7 die Gewißheit, daß man erhört wird: »Nun bin ich gewiß; der Herr schenkt seinem Gesalbten den Sieg; er erhört ihn von seinem heiligen Himmel her.« Durch welches Zeichen man das erfahren hat, verrät der Psalm nicht.

Er drückt aber einen klaren Kontrast aus zwischen der Haltung der Feinde, die auf die materielle Kraft ihrer Wagen und Pferde zählen, und der Haltung der Israeliten, die ihr Vertrauen auf Gott setzen und dadurch siegen. Man denkt unwillkürlich an die feierliche Szene von David und Goliat: Den Waffen und der Überheblichkeit des Kriegers der Philister setzt der junge Jude die Anrufung des Namens des Herrn entgegen, der die Schwachen und Hilflosen schützt. In der Tat sagt David zu Goliat: »Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heere … Der Herr verschafft nicht Rettung durch Schwert und Speer, denn es ist ein Krieg des Herrn« (1 Sam 17,45.47).

4. Obwohl er in seiner historischen Konkretheit so stark mit der Logik des Krieges verbunden ist, kann der Psalm dennoch dazu einladen, sich nie von der Anziehungskraft der Gewalt einfangen zu lassen. Auch Jesaja rief: »Weh denen, die nach Ägypten ziehen, um Hilfe zu finden, und sich auf Pferde verlassen, die auf die Menge ihrer Wagen vertrauen und auf ihre zahlreichen Reiter. Doch auf den Heiligen Israels blicken sie nicht und fragen nicht nach den Herrn« (Jes 31,1).

Jeder Form von Bosheit setzt der Gerechte den Glauben, das Wohlwollen, die Vergebung und das Friedensangebot entgegen. Der Apostel Paulus mahnte die Christen: »Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht!« (Röm 12,17). Und der Historiker der Kirche der ersten Jahrhunderte, Eusebius von Cesarea (3.–4. Jh.), der diesen Psalm kommentiert, bezieht auch das Übel des Todes mit ein, von dem der Christ weiß, daß er es durch Christus besiegen kann: »Alle verborgenen und unsichtbaren gegnerischen Mächte und Feinde Gottes, die vom Erlöser selbst in die Flucht geschlagen wurden, werden stürzen. Aber alle, die die Erlösung erhalten haben, werden von ihrem vorhergehenden Zusammenbruch auferstehen. Simeon sagte deshalb: ›Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden‹, das heißt, daß seine Gegner und Feinde zu Fall kommen, aber diejenigen aufgerichtet werden, die einmal zu Fall gekommen waren, aber jetzt von ihm auferweckt worden sind« (PG 23,197).


In Not und Gefahr betet das Gottesvolk des Alten Bundes für seinen König. So unterstützt das fürbittende Gebet den Opferdienst des „Gesalbten Gottes". Der Herr allein schafft Heil. Wer auf ihn sein Vertrauen setzt und ihn gläubig anruft, findet Erhörung. „Nun bin ich gewiß: der Herr schenkt seinem Gesalbten den Sieg" (Ps 20, 7).

In Jesus Christus, dem Gesalbten Gottes schlechthin, wissen wir Christen uns von Gott angenommen. In Psalm 20 preist die Kirche Christus als den wahren König. Nicht mit Waffengewalt besiegt er das Böse, sondern in der Kraft des Geistes Gottes. Sein Triumph über den Tod bringt den Menschen Frieden und Erlösung.

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Freundlich heiße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache willkommen. Gott ist der Quell unserer Zuversicht und unserer Stärke. Er sieht auf uns und erhört unser Rufen. Ahmt Christus nach und überwindet das Böse durch das Gute! Dazu schenke euch der Herr seine Gnade und seinen Frieden!

  



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