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PASTORALBESUCH IN DER SCHWEIZ

WEIHE DES NEUEN ALTARES IN DER BASILIKA

 PREDIGT VON JOHANNES PAUL II.

Heiligtum von Einsiedeln - Freitag, 15. Juni 1984

 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Unter dem Kreuze Jesu stand seine Mutter (Joh 19, 25). Als Pilger zu Unserer Lieben Frau von Einsiedeln haben wir uns heute in ihrem Heiligtum versammelt, um in Gebetsgemeinschaft mit ihr an diesem ehrwürdigen Ort das eucharistische Opfer Christi zu feiern. Ihre Gnadenkapelle steht an der historischen Stätte, wo der Benediktiner und Einsiedler Meinrad (gest. 861) vor über tausend Jahren durch sein heiliges Leben und Sterben die Fackel des Glaubens und der Gottesverehrung im sogenannten ”Finstern Wald“ entzündet hat. Die Söhne des hl. Benedikt haben diese durch ihr treues Gebet und Lebenszeugnis die Jahrhunderte hindurch brennend erhalten und an die nachfolgenden Generationen bis auf den heutigen Tag weitergereicht. An diesem Ort des Gebetes, der dem göttlichen Erlöser geweiht war, hat auch seine Mutter als Unsere Liebe Frau von Einsiedeln inmitten des Schweizer Volkes eine bleibende Stätte und den Ort ihrer besonderen Verehrung gefunden.

So grüßen wir heute Maria in diesem Heiligtum als die Mutter unseres Erlösers, der sie am Kreuz auch uns zur Mutter gegeben hat (Lk 1, 48-49). Wir reihen uns geistig ein in die endlose Schar der Pilger, die von Generation zu Generation in dieses Gotteshaus gekommen sind, um sie selig zu preisen, weil der Mächtige Großes an ihr getan hat. In diesem großen Chor von Betern wollen wir zugleich mit Maria der Mutter Jesu, ”einmütig im Gebet“ verharren (Apg 1, 14) und zusammen mit ihr die Großtaten Gottes preisen, der ”sich erbarmt von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1, 50). Wir sind hierhergekommen, um nach der Tradition des Volkes Gottes, das in diesem Land lebt, zusammen mit der demütigen Magd des Herr die heiligste Dreifaltigkeit anzubeten: Vater, Sohn und Heiliger Geist; um das Werk der Erlösung zu betrachten und zu verehren, das sich hier seit so vielen Generationen mit ihrem mütterlichen Beistand vollzieht. Wir tun dies in unserer eucharistischen Versammlung um diesen Altar, der Christus versinnbildet und der dafür heute seine besondere kirchliche Weihe erhalten soll.

Herzlich grüße ich alle, die sich mit uns zu dieser Eucharistiefeier versammelt haben oder sich im Geiste mit unserem Gottesdienst vereinigen. Ich grüße die Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, die Ordensleute, alle Pilgerinnen und Pilger sowie die Vertreter der staatlichen Behörden. Einen ganz besonderen Gruß richte ich an die anwesenden behinderten Brüder und Schwestern, die durch ihre Gebrechen und Prüfungen in einer besonderen Weise mit dem Leiden unseres Herr verbunden sind.

2. Bei der heutigen Feier der Eucharistie weihen wir den neuen Altar dieser Basilika. Die Weihe bereitet den Altar dazu vor, daß auf ihm das eucharistische Opfer dargebracht werden kann: das Opfer, in dem unter den Gestalten von Brot und Wein auf sakramentale Weise das Kreuzesopfer Christi erneuert wird. Dieses Sakrament ist das Sakrament unserer Einheit mit Gott im Tod und in der Auferstehung seines Sohnes.

In diesem Sakrament treten wir vor den heiligen Gott, ja begegnen wir der Heiligkeit Gottes selbst auf unmittelbare Weise - durch Jesus Christus: ”durch ihn, mit ihm und in ihm“. Wie heilig muß dann der Ort selber sein, auf dem dieses Sakrament gefeiert wird!

Wenn wir am Beginn des eucharistischen Hochgebetes das dreimalige ”Heilig, heilig, heilig . . .“ singen, so erklingt in diesem Gesang gleichsam ein ”fortwährendes Echo“ jener Vision des Jesaja, an die uns die Schriftlesung in der heutigen Laudes erinnert hat: ”Ich sah den Herrn . . . Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel . . . Sie riefen einander zu: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere"“ (Jes 6, 1-3).

Zugleich steigt durch die Eucharistie, in der sich das Geheimnis von Kreuz und Auferstehung Christi erneuert, diese Heiligkeit Gottes zu uns herab. Sie tritt im geopferten Gotteslamm leibhaftig in unsere Mitte und nähert sich unseren Herzen. In gewissem Sinn berührt sie - wie bei Jesaja - mit einem glühenden Stein vom Altar auch unsere Lippen.

Unsere Begegnung mit dem heiligen Gott fordert stets auch unsere persönliche Reinigung und Heiligung. Gott selbst schenkt sie uns als Frucht der Erlösung, die die nie versiegende Quelle des Heiles für uns Menschen ist. Wie Jesaja dürfen wir von ihm die trostvollen Worte hören: ”. . . deine Sünde ist gesühnt“ (ebd. 6, 7). Gott vermittelt uns seine heiligmachende Gnade vor allem durch die Sakramente der Kirche, aber auch durch unser Gebet und durch jede gute Tat, die wir aus Liebe zu ihm und zu unseren Mitmenschen verrichten. Das geistliche Leben des Christen formt sich und wächst durch eine ständige Reinigung. Je mehr die Dunkelheit der Sünde in uns schwindet, um so mehr können wir vom Lichte Christi erfaßt werden. Wir werden dadurch zugleich fähig, uns mit ihm in seiner Heilssendung für die Welt zu vereinen.

3. Unser ganzes Leben muß reinigende Vorbereitung auf unsere Begegnung mit dem heiligen Geist sein: einmal in der Ewigkeit, aber auch schon jetzt in der Eucharistie. Das Evangelium der heutigen Liturgie ermahnt uns ausdrücklich: ”Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen, geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe“ (Mt 5, 23-24). Unsere Teilnahme an der Eucharistie, die eine Quelle unserer Versöhnung mit Gott ist, soll zugleich auch Quelle unserer Versöhnung mit den Menschen sein.

Unser konkreter Alltag konfrontiert uns immer wieder unerbittlich mit Konflikten und Spannungen, mit Haß und Feindschaft: im eigenen Herzen, in der Familie, in der Pfarrgemeinde, am Arbeitsplatz und zwischen den Völkern. Je mehr die Menschen sich nach Verständigung und brüderlicher Eintracht untereinander sehnen, um so unerreichbarer scheinen diese für sie zu werden. Um so eindringlicher ist sich deshalb die Kirche heute dessen bewußt, daß ihr von Gott ”das Wort der Versöhnung zur Verkündigung anvertraut“ worden ist (2 Kor 5, 19). Gott, der von uns Versöhnung fordert, bevor wir unsere Opfergabe zum Altar bringen, ist zugleich selber bereit, uns durch Christus und die Kirche zu dieser Versöhnung zu befähigen. Denn er hat ”in Christus die Welt mit sich versöhnt“ (ebd.) und uns in der Kirche das kostbare Sakrament der Versöhnung geschenkt. Wahre Versöhnung unter entzweiten und verfeindeten Menschen ist nur möglich, wenn sie sich gleichzeitig mit Gott versöhnen lassen. Echte Bruderliebe gründet in der Liebe zu Gott, der gemeinsame Vater aller ist.

Versöhnen wir uns also, liebe Brüder und Schwestern, die wir nun unsere Opfergabe zum Altar bringen wollen, in solch aufrichtiger Gottes- und Nächstenliebe mit allen, die etwas gegen uns haben. Versöhnen wir uns innerhalb unserer kirchlichen Gemeinschaft als Brüder und Schwestern in Christus! Nehmen wir Rücksicht aufeinander: der im Glauben Gebildete und Fortgeschrittene auf das Empfinden und die Frömmigkeit der einfachen Gläubigen; der stark Traditionsverbundene auf jene, die sich im Geist des II. Vatikanischen Konzils um eine authentische Erneuerung des religiösen und kirchlichen Lebens bemühen. Anstatt andere zu verwirren oder zu verletzen, müssen wir vielmehr auf Ausgleich und Verständigung bedacht sein, damit wir im gegenseitigen Ertragen, in Geduld und Liebe gemeinsam das Reich Gottes in unserer Mitte auferbauen, das ein Reich der Versöhnung und des Friedens ist. Nur so wird unsere tägliche Opfergabe auf unseren Altären bei Gott gnädige Annahme finden. Der Altar versinnbildet Christus, der - wie der Apostel sagt - ”unser Friede“ ist (Eph 2, 14). Darum wird es gleich, auch im Weihegebet heißen: ”Dieser Altar sei ein Ort des vertrauten Umgangs mit dir und eine Stätte des Friedens“ (Oratio in altaris consecratione). Das Wesen des eucharistischen Opfers selbst, das ein Opfer der Versöhnung ist, und die uns darin begegnende Heiligkeit Gottes verlangen von uns diese vorbereitende Reinigung durch unsere Versöhnung mit den Mitmenschen.

4. Die Versöhnung mit den Brüdern und Schwestern öffnet uns den Weg zur Eucharistie, zum Opfer, dem Sakrament unserer Einheit mit Gott in Jesus Christus. Als in seinem Namen Getaufte und mit der Gabe des Heiligen Geistes Gefirmte und Gesalbte wurden wir zu einer ”heiligen Priesterschaft“. Zusammen mit Christus feiern wir in der Eucharistie seine liebende Hingabe an den Vater und werden in innigster Vereinigung mit ihm durch den Empfang seines geopferten Leibes und Blutes selber im Heiligen Geist Altar und eine Gott wohlgefällige Opfergabe. Dadurch ist die Eucharistie zugleich Höhepunkt im geistlichen Leben des Christen und Quelle für seine Spiritualität. Der hl. Gregor der Große fragt deshalb: ”Was ist der Altar Gottes, wenn nicht das Herz derer, die ein gutes (christliches) Leben führen?“ (S. Gregorii Magni, Homilia in Ezechielem, II, 10, 19). Und der Apostel schreibt: ”Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst“ (Rm 12, 1). Unser ganzes Leben, unser Denken und Tun soll ein Akt gläubiger Gottesverehrung werden und mit Christus als wohlgefällige Gabe auf dem Altar zum Lobpreis des Vaters aufgeopfert werden.

Die Eucharistie, das Opfer Jesu Christi, das auf sakramentale Weise auf den Altären der Kirche - heute auf diesem neugeweihten Altar - Gott dargebracht wird, bildet von Anfang an den Mittelpunkt der christlichen Gemeinschaft und die tiefste Quelle des geistlichen Lebens eines jeden Christen. Wie wir soeben aus der Apostelgeschichte gehört haben, formten sich die ersten Christen zu einer Gemeinschaft, indem sie inmütig im Tempel verharrten und in Freude und Einfalt des Herzens miteinander Mahl hielten. Sie verharrten ”in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten“ (Apg 2, 42). In dieser Weise lebt die Kirche seit dem Beginn ihrer Geschichte. Die Eucharistie ist der Mittelpunkt der christlichen Gemeinschaft, weil Christus in ihr der Kirche alle Gnadenschätze seines erlösenden Kreuzesopfers erschließt und die Gläubigen für ihre christliche Bewährung im Leben des Alltags mit seinem eigenen Fleisch und Blut nährt.

Diese innere Verbundenheit der Gläubigen mit Christus ist zugleich die Quelle der Einheit und brüderlichen Solidarität in der christlichen Gemeinde. Die besondere Beziehung zu Gott durch die Teilnahme am Opfer Christi erzeugt und fördert Gemeinschaft und Brüderlichkeit unter den Menschen. Die vertikale und horizontale Dimension der christlichen Berufung treffen sich im Zeichen des Kreuzes und finden darin ihre innere Einheit. Wie uns die Apostelgeschichte ebenfalls berichtet, hielten die ersten Christen nicht nur Gemeinschaft in der Feier der Eucharistie, sondern verkauften auch ”Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte“ (ebd. 2, 45).

Das Geheimnis der Eucharistie ist ein Geheimnis der Liebe, das uns selber in Pflicht nimmt. Die Gemeinschaft im Brechen des eucharistischen Brotes macht uns um so empfänglicher für die Not, den Hunger und die Leiden unserer Mitmenschen. Wenn wir von dem Brot essen, durch das Christus uns Leben schenkt von seinem göttlicher Leben, müssen auch wir bereit sein, unser Leben mit dem Mitbruder zu teilen. Wenn wir uns aus dieser Quelle der Liebe nahren, sind auch wir aufgerufen, nicht nur etwas zu geben, sondern uns selbst im Dienst am Nächsten hinzugeben. Die frühe christliche Gemeinde hat uns dies beispielhaft vorgelebt. Deshalb konnten die Heiden von diesen Christen voller Bewunderung sagen: ”Seht, wie sie einander liebe!“ (Tertullianus: PL 1, 471).

Bei der Altarweihe wird uns das festliche Anzünden der Lichter am Altar an Christus erinnern, ”das Licht zur Erleuchtung der Heiden“ (Lk 2, 32). Christus, der in der brüderlichen Liebe einer Gemeinde gegenwärtig ist, ist ein Licht, das über den Bereich der Kirche hinausstrahlt. Es hat eine missionarische Kraft. Darum heißt es von der ersten Christengemeinde: ”Der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“ (Apg 2, 47). Feiert deshalb, liebe Brüder und Schwestern, die heilige Eucharistie stets so, daß das Licht Christi von dort in euer Leben im Alltag und in die Welt hinausstrahlt. Feiert die ”Missa“ so, daß sie zur ”Missio“ führt: zur christlichen Sendung bei den Menschen.

5. Christus selbst verweist uns vom Kreuz herab auf seine Mutter: Seht da, eure Mutter! Die Mutter der göttlichen Gnade, Gerade sie ist ja der göttlichen Kraft der Erlösung durch Christus besonders nahe. Sie ist uns als Mutter unseres Erlösers auch nahe bei dieser Eucharistiefeier, in der wir den neuen Altar in ihrem Heiligtum von Einsiedeln weihen. Sie lehrt uns, wie wir aus unseren Begegnungen mit Christus in der Eucharistie immer wieder neue Kraft und Orientierung für unser geistliches Leben schöpfen können: ”Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2, 5). Sie lehrt es uns selbst durch das Beispiel ihres eigenen Lebens. Als Jungfrau von Nazaret wie als Mutter des gekreuzigten und auferstandenen Herrn, an Pfingsten im Gebet mit den Jüngern vereint, lebt sie die innerste Bereitschaft des Herzens für das Kommen des Gottesreiches. Sie, der dieses ehrwürdige Heiligtum eures schönen Schweizer Landes geweiht ist, soll euch darin Vorbild und Lehrerin sein. Sie hat die Geheimnisse Gottes ”in ihrem Herzen überdacht“ (Lk 2, 19. 51). Als demütige Magd des Herrn ließ sie sich von Gottes Heilsplan und -wirken völlig in Dienst nehmen. Sie hat ihr ”Fiat“, ihr vorbehaltloses Ja zu Gott gesagt.

Laßt uns also, liebe Brüder und Schwestern, an diesem neugeweihten Altar zusammen mit Maria unter das Kreuz ihres Sohnes treten und in unserer Eucharistiefeier mit ihr die Großtaten Gottes preisen. Sie hilft uns, die alles überragende Heiligkeit Gottes zu erkennen. Sie führt uns zu unserer Versöhnung mit Gott in Christus. Sie lehrt uns die brüderliche Einheit untereinander und unsere Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums. Sie lehrt uns glauben, hoffen und lieben und so unser Leben ganz aus dem Geiste Christi zu gestalten. Laßt uns diese heilige Eucharistie so feiern, daß auch in unseren Herzen jene Worte erklingen und Wirklichkeit werden, die Maria bei der Verkündigung in Nazaret gesprochen hat: ”Ich bin die Magd des Herrn: mir geschehe, wie du gesagt hast“ (ebd. 1, 38). Amen.

 

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