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ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DER PÄPSTLICHEN LATERAN-UNIVERSITÄT

16. Februar 1980

 

1. Nach meinen jüngsten Besuchen der Universität des hl. Thomas von Aquin und der Gregoriana konnte eine Begegnung mit euch, liebe Brüder und Söhne, Obere, Dozenten, derzeitige und ehemalige Studenten der Päpstlichen Lateran-Universität, nicht unterbleiben. Diese Begegnung ist ebenso lohnend wie wichtig, weil dieses berühmte Studienzentrum in der katholischen Welt Ansehen genießt und durch enge Bande nach dem Willen der Päpste immer mit dem Hl. Stuhl verbunden war und ist. In unmittelbarer Nähe der Patriarchalbasilika des hl. Johannes der Bischofskirche des Papstes gelegen, ist es, würde ich sagen, gerade auch durch seine Lage lebendiger Ausdruck einer einzigartigen würdevollen Stellung und einer verantwortlichen Aufgabe auf dem Gebiet der heiligen Wissenschaften, was die geistlichen Bedürfnisse der Diözese Rom betrifft, die hier in der Nähe auch ihr großes Priesterseminar hat, wie der anderen Ortskirchen, die ihre Studenten hierher senden.

Vor allem aber möchte ich an alle Vertreter und Mitglieder des akademischen Lebens einen ganz herzlichen und besonderen Gruß richten. Ich begrüße herzlich den Herrn Kardinalvikar als Großkanzler und mit ihm, mit den Kardinälen und den Bischöfen, die ihn umgeben, begrüße ich den Kommissar, Msgr. Pangrazio, den Rector Magnificus und dann, in der Reihenfolge der verschiedenen Fakultäten und Institute, alle, die in ihnen arbeiten: die Dekane und Präsides, die Professoren und Studenten. Mein Gruß erstreckt sich sodann auf alle jene, die den verschiedenen Studienzentren angehören, die der Lateran-Universität angeschlossen sind, um ein entsprechendes Unterrichtsniveau und die notwendige Kontinuität in der wissenschaftlichen Forschung zu gewährleisten: auch wenn sie räumlich entfernt sind, betrachte ich sie doch heute abend als hier unter euch anwesend wie lebendig blühende Zweige einer fruchtbaren Pflanze. Und es freut mich, schon zu Anfang ein Wort gebührender Anerkennung für die Initiative solcher Affiliationen auszusprechen, die, wenn sie mit Recht Bereitschaft zur Hilfeleistung, Willen zur Zusammenarbeit und so möchte ich sagen einen deutlichen Sinn für "kulturelle Gemeinschaft" an den Tag legen, in gewisser Weise auch an jene Beziehungen erinnern, welche die heilige Laterankirche "tamquam mater et caput", als Mutter und Haupt, zu den in der Welt verstreuten Kirchen hat.

2. Ihr stellt also in besonderer Weise die Universität des Papstes dar: zweifellos ein Ehrentitel, aber gerade deshalb auch eine Bürde (honor onus). Wollen wir jetzt darüber nachdenken, was eine solche Beziehung konkret einschließt?

Schon wenn man Katholische Universität sagt, meint man wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt eine Schule höheren Grades, die die öffentliche, ständige und universale Präsenz des christlichen Denkens gegenwärtig macht und beweisen will, daß Glaube und Vernunft in der einen Wahrheit konvergieren (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 10). Und wenn wir von Kirchlichen Universitäten sprechen, meinen wir — wie ich in der kürzlich veröffentlichten Apostolischen Konstitution Sapientia christiana gesagt habe jene Universitäten, "die sich insbesondere mit der christlichen Offenbarung befassen und mit solchen Fragestellungen, die mit dieser verbunden sind und deshalb im engeren Sinne zum Verkündigungsauftrag der Kirche selbst gehören" (ebd., Einleitung, III). Was ist damit gemeint, wenn wir außerdem noch von Päpstlicher Universität sprechen? Ihr versteht wohl, daß diese drei Adjektive nicht ohne Zusammenhang untereinander stehen, sondern vielmehr sich steigernd auf der an und für sich schon so erhabenen und würdigen Grundlage beruhen, daß es sich um eine Universität handelt, die auserwählte Heimstatt der Wissenschaft "als solcher" ist und ein für die Durchführung der notwendigen Forschungsarbeit methodisch geeigneter und passender Ort. Eine Päpstliche Universität erscheint gleichsam als der Höhepunkt in ihrer unabdingbaren erzieherischen und didaktischen Funktion im Dienst des christlichen Glaubens; ein Dienst, der im Falle dieser Universität in der besonderen Verpflichtung besteht, den Seminaristen und Priestern eine entsprechende pastorale und theologische Vorbereitung zur Unterstützung ihres Dienstes in den jeweiligen Diözesen zu bieten. Wer die Lateran-Universität verläßt, ist gerade aufgrund dessen, was er hier empfangen hat, zu besonders verantwortungsvollen Aufgaben für die Animation des Gottesvolkes und die ständige Weiterbildung des Klerus berufen.

Diese Konvergenz von Aufgaben und Titeln muß allerdings eine strenge Voraussetzung, einen verpflichtenden, festen Ausgangspunkt haben: die bewährte Treue gegenüber den authentischen Inhalten des Glaubensbekenntnisses und somit gegenüber dem Organ, das sie vorlegt und auslegt, also gegenüber dem lebendigen Lehramt der rechtmäßigen Hirten der Kirche, angefangen bei dem des Bischofs von Rom. Deshalb also verbindet sich in einer Universität wie dieser die natürliche Strenge der wissenschaftlichen Methode aufs engste mit der absoluten Respektierung der göttlichen Offenbarung, die dem Stuhl Petri anvertraut ist. Das sind die fundamentalen Elemente, das sind die unveränderlichen Bezugspunkte, von denen sie nur unter Einbuße der eigenen Identität abweichen oder sich lösen können. Fehlt das eine, würde die Universität auf die Stufe einer zweitrangigen Schule abgleiten, wo es aus einsichtigen Gründen weder Forschung noch Entdeckung noch Kreativität geben kann; fehlt das andere ich meine die Treue zur gegebenen Offenbarung , stünde sie vor einem fatalen Verfall gegenüber jenem höchsten "Dienst am Lehramt", den die Kirche selbst als erste Empfängerin des "Euntes... docete" (Geht... und lehrt) des auferstandenen Christus (Mt 28, 19) ihr im Augenblick ihrer Errichtung anvertraut hat. Und im einen wie im anderen Fall gelänge es ihr nicht, einer ernsten Gefahr zu entgehen: nämlich weder den Ansprüchen der Wissenschaft noch denen des Glaubens gerecht zu werden.

3. Sind diese Worte zu ernst? Gewiß nicht, wenn man bedenkt, wie zwingend heute der kulturelle Kontext und wie dringend und zugleich notwendig eine aktive, fruchtbare und anregende Verbreitung des katholischen Denkens ist. Unsere Zeit, liebe Brüder und Söhne, ist keine Zeit der nur ordentlichen Verwaltung, wo man sich der Gewohnheit passiver Stagnation überlassen oder sich mit. einer mehr oder weniger .mechanischen. Wiederholung von Begriffen und Formeln zufrieden geben dürfte. Die Menschen unserer Zeit haben in höherem Maße als jene früherer Generationen ihren kritischen Sinn entwickelt: sie wollen sehen, sie wollen wissen, sie wollen wahrnehmen und sozusagen mit der Hand greifen. Und sie haben recht! Wenn das also schon für die profanen Wissenschaften gilt, um wieviel mehr gilt es dann für die Sakralwissenschaften, vor allem für die Dogmatik und die Moraltheologie, wo das Gehörte nicht im leeren Raum hängen bleibt, sondern eine praktische und achtet darauf! buchstäblich persönliche Anwendung hat, ja haben muß. Ihr werdet sagen, daß auch die Gesetze der Chemie, der Physik, der Biologie usw. ähnliche Anwendungen nach sich ziehen; das stimmt, aber der Sinn und die Tragweite bestimmter religiöser Dogmen und bestimmter Moralgesetze, die im Licht der göttlichen Offenbarung ermittelt wurden, ist doch ein ganz anderer und in anderer Weise bindend. In diesen Bereichen gibt es eine direkte persönliche Betroffenheit, weil es sich um Lebenswahrheiten handelt, die das Gewissen jedes einzelnen berühren und sein gegenwärtiges und zukünftiges Leben betreffen.

Ich will hier jetzt nicht wiederholen, was ich bereits in der Gregoriana ausgeführt habe. Ich möchte nur sagen: Wenn jede Universität eine tätige Schmiede wissenschaftlicher Gelehrsamkeit sein soll, dann muß die Päpstliche Universität dank des hochherzigen Bemühens und Zusammenwirkens aller ihrer Mitglieder als führendes Zentrum einer sicheren und reichen, offenen und dynamischen, frischen und wie reines Quellwasser pulsierenden theologischen Wissenschaft, begleitet von einer unerschöpflichen Reflexion über das Wort Gottes, funktionieren. Genau darin besteht ihre Aufgabe, denn wie jedem Christen obliegt auch ihr die Pflicht, stets bereit zu sein, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3, 15).

4. Wenn ich mir den besonderen Charakter und die Wesenszüge der Lateran-Universität vor Augen halte wie ihre direkte Abhängigkeit vom Papst, die Rolle, die der Weltklerus hier spielt, ihre vorrangige Bestimmung im Dienst des Priesteramtes , so scheint mir, daß ihr Zeugnis um so klarer, überzeugender und glaubwürdiger ist, je mehr und je besser die in ihr vermittelte Lehre und die in ihr geleistete Forschungsarbeit gewissen Kriterien entspricht. Ich möchte diese daher in Erinnerung bringen und sie euch ans Herz legen.

a) Das erste Kriterium ist ich habe bereits darauf hingewiesen die Treue, und zwar nicht im allgemeinen und noch weniger im verengten Sinn eines Gerade-noch-Festhaltens an den Markierungen der Rechtgläubigkeit, indem man Abweichungen und gegensätzliche Positionen die im Gegensatz zu den Erklärungen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, der ökumenischen Konzilien, des ordentlichen und außerordentlichen Lehramtes stehen, vermeidet. Nicht so! Treue will und muß eine entschiedene und feste Orientierung sein, die die Forschung inspiriert und begleitet: das bedeutet, jenes Wort Gottes, das die Kirche "voll Ehrfurcht hört" (vgl. Dei Verbum, Nr. 1), an den Beginn der theologischen Arbeit zu stellen und jede Erkenntnis und jede Folgerung, zu der man nach und nach gelangt, auf dieses Wort zu beziehen. Sie schließt die aufmerksame und dauernde Konfrontation mit dem ein, was die Kirche glaubt und bekennt. Treue bedeutet nicht Mangel an Verantwortung, sie ist keine falsche Klugheit, aufgrund derer man auf Vertiefung und Nachdenken verzichtet; sie spornt dazu an, die Wahrheit in der ganzen reichen Fülle, mit der Gott sie ausgestattet hat, soweit als möglich zu erforschen, zu erklären und zu eruieren; sie bemüht sich um ihre geeignetste und überzeugendste Darstellung. Treue ist Übung des Gehorsams: sie ist ein Spiegel jenes "Gehorsams des Glaubens", von dem der hl. Paulus schreibt: (Röm 1, 5; 16, 26; vgl. 10, 16).

b) Das zweite Kriterium ist die Vorbildlichkeit, die diese Universität gegenüber den anderen, besonders gegenüber den affiliierten Hochschulen wahrnehmen muß. Das will besagen, daß sie im Bewußtsein ihrer angesehenen Stellung und der schwierigen Funktion, die ihr von der Kirche, für die Kirche und in der Kirche übertragen ist, imstande sein muß, sich den anderen als Vorbild darzustellen: durch die hohe Qualität des Unterrichts; durch den Eifer in der Forschung; durch die betont kirchliche Erziehung, die sie den Studenten zu garantieren vermag; durch das Niveau der geistlichen und kulturellen Vorbereitung, die sie ihnen, besonders wenn sie das Priestertum anstreben, gewährleistet. Kurz: durch volle Übereinstimmung mit den von ihr aufgestellten Zielsetzungen. Eine Universität wie diese ist um es mit dem überzeugenden Bild aus dem Evangelium zu sagen wie die Stadt auf dem Berg, die nicht verdeckt werden darf, sondern auf den Leuchter gestellt wird, damit der Schein seiner Flamme sich ausbreite und allen im Haus leuchte (vgl. Mt 5,14-16). In ihr kann die Mahnung des Herrn: "Ihr seid das Licht der Welt" (ebd.), eine einzigartige und wesentliche Erfüllung finden.

c) Als drittes Kriterium möchte ich noch den Sinn für Katholizität anführen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns daran gewöhnt, die Stimmen der anderen in der Kirche zu hören: von den verschiedenen Nationen des christlichen Europas und den Ländern Lateinamerikas sind neue Ermunterungen und neue Problemstellungen ausgegangen, die selbstverständlich im Namen eines gesunden, klar umrissenen Pluralismus und stets unter Wahrung der dogmatischen Einheit des Glaubens im Rahmen der theologischen Reflexion und Bewertung Heimatrecht haben können. Da ich hier nicht auf den Wert der einzelnen Positionen eingehen kann (für einige von ihnen konnten zudem die notwendigen Richtigstellungen nicht ausbleiben, wie ich selbst es im vergangenen Jahr in Puebla in der Botschaft an die Bischöfe Lateinamerikas getan habe), will ich nur soviel sagen, daß das Auftreten dieser Tatsache erst recht zur Unterscheidung und Synthese verpflichtet. Welchen geeigneteren Ort für eine solche Arbeit kritischer Bewertung und positiver Integrierung gäbe es aber als den, der von dieser in doppeltem Sinne römischen Universität angeboten wird? Ihr hervorragend katholischer Sinn und ihre feste Anlehnung an das Lehramt schaffen die besten Voraussetzungen. Was das anbelangt, so trifft sich die hier notwendige Überlegung mit dem Gebot des Apostels: "Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute!" (1 Thess 5, 19-20).

Ein auserwählter Bereich, wo sich eine ähnliche Arbeit entfalten kann, ist zweifellos jener der Ekklesiologie, und diesbezüglich möchte ich euch ein verdientes Lob aussprechen, weil ich weiß, daß dieses Studium von euch mit besonderer Ausdauer gepflegt wird. Fahrt mit Ausdauer darin fort, denn es handelt sich um ein riesiges Feld, reich an fruchtbaren Keimen. Man braucht nur die großen päpstlichen und konziliaren Dokumente zu erwähnen, die einem unmittelbar in den Sinn kommen und die überreiches Material für Analysen, Hermeneutik und Vertiefung bieten: die Enzyklika Mystici corporis Pius' XII. und Ecclesiam suam Pauls VI., die Konzilskonstitutionen Lumen gentium und Gaudium et spes stellen gleichsam ein ideales Quadrat dar, innerhalb dessen man das Studium betreiben sollte, ohne natürlich das wertvolle Erbe zu vergessen, das uns die Überlieferung der Väterzeit und der Scholastik über die wahre Ecclesia Christi, die wahre Kirche Christi, bietet.

d) Ein letztes Kriterium ergibt sich aus jener Art von Forschung, für die die Lateran-Universität eine im wahrsten Sinne fördernde Aktivität zu entfalten berufen ist: ich meine die Pastoral, und möchte deshalb das 1957 von PiusXII. errichtete Päpstliche Pastoralinstitut anführen mit einer ganzen Reihe alter und moderner, humanwissenschaftlicher und religiöser Disziplinen, in welche sich seine Kurse gliedern, vor allem aber mit der Spezialisierung in Pastoraltheologie. Denn während die kirchlichen Universitäten Roms in besonderer Weise die hohe Verantwortung haben, für die Kirche Professoren auszubilden, die dann in den Schulen der Ortskirchen den entsprechenden Unterricht in den Sakralwissenschaften sicherstellen sollen, und sich zu diesem Zweck der Mitglieder und Strukturen berühmter religiöser Orden bedienen, zeichnet sich diese Universität, die gleichwohl imstande ist, uns ausgezeichnete Dozenten zu bieten (das war in der Vergangenheit so, und das ist noch immer so), durch die Vorbereitung gelehrter und eifriger Priester aus, die die pastorale Lebenskraft der kirchlichen Gemeinde nähren und stärken sollen. Sie will also die Experten in jener "Kunst der Künste" ausbilden, die nach dem hl. Gregor dem Großen die Führung der Seelen, die Seelsorge, ist (vgl. Regula Pastoralis I, 1: PL 77, 14). Durch das dank diesem Institut erreichte Niveau kann sie in wirksamer Weise zur Ausbildung nicht nur der Laien, sondern auch der Priester beitragen, die aus dieser Schule hervorgehen. Das eigentliche Ziel ist die Erziehung zum Glauben in differenzierter Form, je nach Bedürfnissen, Umständen und Alter. Durch Hören auf die Stimmen, die heute von gläubigen und nicht gläubigen, von zweifelnden und gleichgültigen Menschen kommen, studiert man die Formen der Verkündigung, die Technik der Katechese, die Sakramentenspendung, die Animation von Gruppen und Gemeinschaften, die religiöse Präsenz in den Schulen, die karitative und soziale Arbeit, damit sich das christliche Leben von Mal zu Mal festige oder zunehme oder „in Heiligkeit und Gerechtigkeit" (Lk 1, 75) seine Früchte zum Reifen bringe. Wie für die Ekklesiologie so will ich euch auch für dieses Gebiet zwei Dokumente nennen, die ebenso bedeutend wie aktuell sind: die Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi und Catechesi tradendae; diese Texte müssen studiert, bedacht und in den praktischen Dienst übernommen werden.

5. Bis jetzt habe ich vorwiegend von der theologischen Lehre und der Kunst der Seelsorge, der Pastoral, gesprochen, weil es sich hier um Disziplinen handelt, denen am Lateran große Bedeutung zukommt. Aber deshalb vergesse ich nicht das könnte ich nicht und will ich auch nicht die anderen Lehrfächer: Philosophie, Bibelwissenschaft, Patristik, Kirchenrecht usw., die hier vermittelt werden. Wie könnte ich es unterlassen, zumindest kurz auf das Päpstliche Institut beider Rechte und auf die zwei Fakultäten, die ihm angehören, einzugehen?' Ihr wißt: dieses Institut stellt in der wissenschaftlichen Welt ein "unicum" dar, das nicht erst heute ein unbestrittenes Ansehen genießt. Es entspricht tatsächlichen Bedürfnissen, weil die Kirche immer tüchtige Kanoniker und Juristen auf allen Ebenen braucht: von der Regierung bis zur Verwaltung der Gerechtigkeit, vom Unterricht bis zu den Beziehungen mit den politischen Behörden. Indem es das wissenschaftliche Studium beider Rechte fördert, beweist es die tiefe gegenseitige Interdependenz der beiden Rechtssysteme, des Kirchenrechts und des Zivilrechts, ja es bestätigt so, daß das Recht, insofern es etwas Absolutes und gleichbedeutend mit Gerechtigkeit ist, ein einziges ist.

Nachdem ich also die ursprüngliche Funktion des Instituts erwähnt habe, möchte ich aber noch auf die Möglichkeiten aktiver Präsenz hinweisen, die sich ihm, wie ich glaube, in sehr großem Umfang gerade in diesem Augenblick eröffnen. Es gibt mindestens drei Bereiche, in denen es einen äußerst wirksamen Beitrag anbieten kann: bei der Vorbereitung und dem anschließenden Studium des neuen Codex Iuris Canonici; bei der Vertiefung jener Rechte der Person, die gerade weil sie in der heutigen Gesellschaft so oft verletzt werden, von der Kirche, für die der Mensch immer der erste und fundamentale Weg bleiben wird (vgl. Redemptor hominis, Nr. 14), beachtet und geschützt werden müssen; bei der großen Sache der europäischen Einigung, die dem Hl. Stuhl so sehr am Herzen liegt und in deren Rechtsinstitutionen wenn ihnen gut vorbereitete Christen angehören sie einen heilsamen Einfluß ausüben können, indem sie dazu beitragen, das christlich-menschliche Antlitz unseres Kontinents wieder zum Leuchten zu bringen. Und sehr nützlich wird unser Institut auch bei den überlegten Versuchen zur Herstellung neuer internationaler Beziehungen sein können, die sich an der Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Solidarität inspirieren.

6. Der breite Fächer der Disziplinen läßt mich andererseits hervorheben, daß ihr sakraler Charakter, global gesehen, trotz ihrer Vielfalt unbestritten bleibt, während das religiöse Profil all jener Priester und Laien, die im Auftrag der Kirche die legitimen Lehrer dieser Fächer sind, eindeutig und klar erscheint. Und das drängt mich auch, ein Element zu unterstreichen, dem in der Sicht des Lebens am Lateran entscheidende Bedeutung zukommt. Ich leite es ab aus dem 2. Kapitel der bereits angeführten Konstitution Sapientia Christiana, das sich auf die Universitätsgemeinschaft und ihre Leitung bezieht. In Art. 11 heißt es: "Weil die Universität... gewissermaßen eine Gemeinschaft darstellt, sollen sich alle Personen, die dazugehören, ... je nach der eigenen Stellung mitverantwortlich fühlen für das Gemeinwohl und nach Kräften dazu beitragen, daß ihr Zweck erreicht wird."

Also ein sehr wertvoller Hinweis: denn weil sich das Professorenkollegium dieser Universität aus Mitgliedern des Weltklerus verschiedener Diözesen und Nationalitäten wie aus Ordensangehörigen verschiedener Orden und Kongregationen und auch aus Laien zusammensetzt, erwächst aus dieser Situation ganz klar die Forderung nach einer tiefen Gemeinschaft unter den Mitgliedern desselben Kollegiums, um bereits im Rahmen des Lehrkörpers selbst eine immer festere, organische Verbindung zu einer tatsächlichen Einheit in Richtung auf die zu erreichenden Ziele zu finden.

Diese Gemeinschaft, verstanden als ernsthaftes und vertieftes Bemühen um Suche nach der Entwicklung der gelehrten Sakralwissenschaften, wird dazu dienen, in den Studenten die Ausbildung einer durch die Lehre gut begründeten Haltung zu begünstigen, um so zu einer leichteren und gleichsam natürlichen Anwendung in der Seelsorge zu gelangen. Aber eben deshalb wird die Gemeinschaft auch die Studenten mit ein beziehen müssen, die, nachdem sie vom Beispiel ihrer Lehrer bereits auf den Weg geführt und aufgebaut wurden, berufen sind, vor allem bei den schulischen Aufgaben fleißig mitzuarbeiten, dann aber auch mit der Übernahme und Durchführung von Sonderaufgaben betraut werden sollen. Wenn es der ganzen Gemeinschaft gelingt, einen starken kirchlichen Gemeinschaftsgeist erkennen zu lassen, wird daraus ein Zeugnis erwachsen, von dem vor allem die Studenten Vorteile haben. Diese werden dann gut ausgebildet in ihre Diözesen zurückkehren können, um die Brüder mit der Sicherheit der Lehre und dem Eifer für ihr geistliches Amt zu führen, wobei sie für einen mutigen pastoralen Dienst um so bereiter sein werden, je fester sie in dem Felsen, der Petrus ist (vgl. Mt 16, 18), verankert und von kirchlichem Sinn durchdrungen sind. Wenn das die Perspektive ist, die es zu erreichen gilt, dann, sehr verehrte und liebe Professoren, denkt  daran, wie wichtig und schwierig die Funktion, besser gesagt, die erzieherische Sendung ist, die einem jeden von euch anvertraut wurde: es handelt sich um einen authentischen kirchlichen Dienst, in welchem dem von der Kirche vollzogenen und von ihr übertragenen Akt des Vertrauens eurerseits eine aufrichtige und ständige Treue bei Erfüllung dieses Auftrags entsprechen muß.

7. Und nun wendet sich meine Rede direkt an euch, liebe Studenten. Auch euch widmet die Konstitution über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten ein eigenes Kapitel, Nr. IV: sie nennt die Kriterien für die Beurteilung eurer Eignung bezüglich der sittlichen Lebensführung und der abgeschlossenen Vorstudien (Art. 31); sie empfiehlt euch außer der Achtung und Einhaltung der Vorschriften und der Disziplin die Teilnahme am Gemeinschaftsleben der Universität (Art. 33-34). Auf allgemeiner und einleitender Ebene möchte ich aber noch hinzufügen, daß von euch, liebe Söhne, ein bestimmtes Bewußtsein gefordert wird: das Bewußtsein, hier an einem privilegierten Ort zu sein, wo ihr durch ein glückliches, günstiges Zusammentreffen von Umständen die geeignetsten Mittel und Möglichkeiten nützen könnt, um eure Ausbildung in wirklicher Fülle zu erfahren, eine Ausbildung, die eurer Persönlichkeit am besten entspricht und die die Kirche vertrauensvoll erwartet. Zum Priestertum berufen, überlegt ihr, welche und wie viele Möglichkeiten ihr hier findet, um den inneren und unwiderruflichen Forderungen der Berufung zu entsprechen. Die Jahre, die ihr nun erlebt, sind in der Tat ein "tempus acceptabile" (eine annehmbare Zeit): ja, ich würde sagen, sie sind in der Sicht des Erwachsenenlebens und des künftigen Priesteramtes "dies salutis" (Tag des Heils) (vgl. 2 Kor 6, 2) für eure Seelen und für die Brüder, denen ihr bereits begegnet seid und denen ihr eines Tages in noch größerer Zahl begegnen werdet. Möge dieser Gedanke dazu dienen, euren Einsatz und euren jugendlichen Enthusiasmus zu unterstützen; euch bei der eifrigen Hingabe an das Studium und den Opfern, die es notwendigerweise mit sich bringt, anzuspornen; euren Willen zu stärken, indem es ihn für die Härte der Disziplin und die Übung des Gehorsams stählt. Nutzt diese Zeit auf heiligmäßige Weise, um mit der erforderlichen Vorbereitung das Priestertum zu erlangen: die Lehre bei euch sei gesund '(vgl. 2 Tim 4, 3) und reich, aber mit ihr muß auch und vor allem eine glühende Liebe für die Seelen Hand in Hand gehen, denn   wie ein großer Kirchenlehrer sagt "est... tantum lucere vanum; tantum ardere parum; ardere et lucere perfectum" (ist... nur zu leuchten eitel; nur zu brennen zu wenig; brennen und leuchten vollkommen): hl. Bernhard, Sermo in nativitate S. Ioannis Baptistae, Par. 3, PL 183, 399 (983).

8. Als im November 1958, kaum einen Monat nach seiner Erhebung zum Pontifikat, mein ehrwürdiger Vorgänger Johannes XXIII. die damalige Hochschule am Lateran besuchte, die ihn zu Beginn des Jahrhunderts als jungen Studenten aufgenommen hatte und wo er später als Professor wirkte, sprach er einige sehr eindrucksvolle Worte, die ich jetzt wiedergeben möchte: "Von dem nahen Altar unserer Erzbasilika zu den heiligen Hallen unserer Päpstlichen Hochschule läuft ein Strom himmlischen Lichts und himmlischer Gnade. Denn die wichtigste Beschäftigung des Universitätsstudiums der kirchlichen Hochschulen besteht ja in der Erforschung und Erhellung der göttlichen Wissenschaft..., nicht zur einfachen Betrachtung der religiösen Wahrheit, sondern auch zur Ableitung praktischer Weisungen für das Apostolat an den Seelen."

Wenige Monate später erfolgte, wie ihr ja wißt, die Verleihung des Titels einer Universität durch das Motu proprio Cum inde, das gleich in den ersten Zeilen das herzliche Band bestätigt, das der liebenswerte Papst zu ihr unterhielt und das noch gewachsen zu sein schien, seitdem er das höchste Amt in der Kirche übernommen hatte: "ad Petri cathedram evecti..., nos exinde arctioribus vinculis illi iuventutis nostrae veluti sacrario devinciri sentimus" (Nach Unserer Erhebung auf den Stuhl Petri... fühlen Wir uns durch noch engere Bande an dieses Heiligtum Unserer Jugend gebunden) (vgl. AAS LI, 1959, S. 401-3).

Wenn es mir nach diesen bewegten Empfindungen und Gedanken erlaubt ist, möchte ich euch, Brüder und Söhne, die ihr mir zuhört, nun des sehr lebhaften, aus Wertschätzung, Erwartung, Erwägung und Liebe geprägten Interesses versichern, das ich für diese so berühmte und wohlverdiente Alma Mater Studiorum hege.

Zur Ehre des Herrn Christus, zur Erleuchtung seiner Kirche, zum Dienst der Wissenschaft und des Glaubens wünsche ich ihr ständige, reiche Entfaltung, während ich als Unterpfand der himmlischen Gnade euch alle als die Vorkämpfer und Mitarbeiter des in ihr pulsierenden Lebens von Herzen segne.

 

 

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