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APOSTOLISCHE REISE NACH AFRIKA

ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DIE BISCHÖFE VON ZAIRE

Kinshasa, 3. Mai 1980

 

Liebe Brüder in Christus!

1. Welche Freude für mich, mit euch allen zusammenzutreffen! Welcher Trost! Vor einem Jahrhundert hat, so kann man sagen, die Evangelisierung erst richtig begonnen; und heute schon ist der christliche Glaube nahezu überall in diesem Land eingepflanzt, die kirchliche Hierarchie organisiert, Söhne dieses Landes haben aus ihm Menschen erwählt "ex hominibus assumpti" und die Leitung der Kirche in Verbundenheit mit der Kirche von Rom in die Hand genommen. Das Entstehen eurer christlichen Gemeinden, die Vitalität dieses Gottesvolkes sind ein Wunder der Gnade, die in unserer Zeit wiederholt, was sie in den Tagen der Apostel Petrus und Paulus wirkte.

Es hat Abschnitte gegeben, Daten, die keiner vergessen sollte:

die Weihe des ersten Priesters aus Zaire, Stefano Kaoze (1917);

die Weihe des ersten Bischofs von Zaire, Pierre Kimbondo (1956);

die Errichtung der Hierarchie in Zaire (1959);

die Berufung des ersten Bischofs aus Zaire in das Kardinalskollegium, Kardinal Joseph Malula (1969).

Ich bin gekommen, mit euch Gott zu danken und das 100jährige Jubiläum der Evangelisierung zu feiern!

Ich bin gekommen, mit euch die geduldige und gezielte apostolische Arbeit der unzähligen Missionare, Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen zu würdigen: sie haben euch so geliebt, daß sie ihr Leben ganz der Aufgabe widmeten, eure Väter in das Evangelium einzuführen, ein Evangelium, das sie selbst aus Gnade empfangen hatten; und sie hatten soviel Vertrauen in eure Vorfahren, daß sie sie für fähig hielten, selbst eine Ortskirche zu errichten und die Hirten dafür vorzubereiten. Ich bin gekommen, die gute Arbeit anzuerkennen, die ihr selbst in ihrer Nachfolge oder zusammen mit ihnen da wo sie euch auch noch heute einen unersetzlichen Dienst leisten begonnen habt. Ich bin gekommen, euch meine Hochachtung, meine Wertschätzung, meine Liebe zu euch persönlich, zu eurem Bischofskollegium, zu der um euch versammelten Kirche auszudrücken. Und ich bin gekommen, euch in eurem heiligen Dienstamt zu stärken, wie das Jesus dem Petrus aufgetragen hat.

2. Ziel und Zweck dieses Dienstamtes ist immer die Evangelisierung. Das gilt für alle Länder, für die alten christlichen Gemeinden ebenso wie für die jungen Kirchen. Denn die Evangelisierung weist Entwicklungsstufen auf und muss sich vertiefen; sie ist ein Werk, das immer wieder neu begonnen werden muss. Gewiss, rund die Hälfte eurer Mitbürger sind durch die Taufe  mit der Kirche verbunden; andere bereiten sich auf sie vor. Aber es gibt doch ein weiteres Feld für das Apostolat, damit das Licht des Evangeliums auch den Augen der anderen leuchte. Und vor allem das Eindringen des Evangeliums in Geist und Sitte, in Glaube und Liebe des Alltags der einzelnen, der Familien, der Gemeinden muss erreicht und seine Dauer sichergestellt werden. Das war das Problem, auf das der Apostel Paulus in den Gemeinden, die er besuchte, und der Apostel Johannes in den Gemeinden, die er mit seinen Briefen stärkte und die der dritten Christengeneration angehörten (vgl. Apg 1-3), oder auch mein Vorgänger, der hl. Klemens von Rom, stießen. Es ist das Problem, das auch die tapferen Bischöfe meines Volkes, wie der hl. Stanislaus, kennenlernten.

3. Was diesen Gegenstand betrifft, so habe ich den Eifer, den Mut und den Zusammenhalt bemerkt, den ihr bewiesen habt, um euer christliches Volk, wenn die Umstände es erforderten, zu erleuchten und zu führen. Und an Beweisen hat es da wahrlich nicht gefehlt! Ihr habt zum Beispiel im Jahr 1974 Dokumente über den Glauben an Jesus Christus, später über die Situation heute ausgearbeitet und veröffentlicht. Ihr habt 1977 eure Gläubigen, die "alle solidarisch und verantwortlich" sind, angehalten, die Entmutigung und Sittenlosigkeit zu überwinden. Ihr habt im selben Jahr die Priester und Ordensleute zur Umkehr gemahnt. Und ihr habt auch alle eure Landsleute zur "Sanierung der Nation" aufgerufen. Derartige Initiativen der Bischofskonferenz bekunden, abgesehen von jenen der Bischöfe in ihren jeweiligen Diözesen, euren Sinn für pastorale Verantwortung. Ich wünsche mit euch, daß diese Appelle, verbunden mit der eifrigen Lesung des Gotteswortes, von denen, deren Gewissen ihr bilden oder wachrütteln wollt, aufgenommen, durchdacht und vor allem konsequent und mit Ausdauer gelebt werden. Denn die Glaubenserziehung das wißt ihr so gut wie ich erfordert nicht nur klare Texte, sondern auch eine unmittelbare Nähe, eine Pädagogik, die den Unterricht prägt, die überzeugt und Hilfe bietet in Geduld und Liebe, die von der pastoralen Autorität nicht zu trennen sind, dank Priestern und Erziehern, die selber ein Beispiel geben. Mit diesen einfachen Worten wollte ich meine Wertschätzung und Ermutigung für euer Evangelisierungswerk bekunden.

4. Ein Aspekt der Evangelisierung ist die Inkulturierung der Glaubensverkündigung, die Afrikanisierung der Kirche. Viele haben mir anvertraut, daß euch das sehr am Herzen liegt, und mit Recht. Das ist ein Teil der unerläßlichen Bemühungen, die Botschaft Christi einzupflanzen. Das Evangelium läßt sich gewiß mit keiner Kultur identifizieren, es geht über alle Kulturen hinaus. Aber das Reich, von dem das Evangelium kündet, wird von Menschen gelebt, die tief mit einer Kultur verbunden sind; die Errichtung des Gottesreiches kann nicht darauf verzichten, Elemente der menschlichen Kulturen einzubeziehen (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Ja, die Evangelisierung soll den Kulturen helfen, aus ihren eigenen lebendigen Überlieferungen heraus originelle Ausdrucksformen christlichen Lebens, Feierns und Denkens hervorzubringen (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 53). Ihr wollt zugleich ganz Christen und ganz Afrikaner sein. Der Heilige Geist fordert von uns, wirklich zu glauben, daß der Sauerteig des Evangeliums in seiner Authentizität die Kraft hat, in den verschiedenen Kulturen mit dem gereinigten und umgewandelten Reichtum ihres Erbes Christen zu erwecken.

Zu diesem Thema hatte das Zweite Vatikanische Konzil einige prinzipielle Aussagen formuliert, die immer noch den in diesem Bereich einzuschlagenden Weg beleuchten: "... die Kirche fördert und übernimmt Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker, soweit sie gut sind. Bei dieser Übernahme reinigt, kräftigt und hebt sie sie aber auch ... Kraft dieser Katholizität bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so daß das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit zusammenwirken ... Teilkirchen, die sich eigener Überlieferungen erfreuen, unbeschadet des Primats des Stuhls Petri, welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht, die rechtmäßigen Verschiedenheiten schützt und zugleich darüber wacht, daß die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen" (Lumen gentium, Nr. 13).

Die Afrikanisierung umfaßt weite und tiefe Bereiche, die noch nicht hinreichend erforscht sind, etwa den der Sprache, um die christliche Botschaft in einer Weise darzustellen, die den Geist und das Herz der Bürger Zaires wirklich erreicht; oder den der Katechese, der theologischen Reflexion, der geeignetsten Ausdrucksform der Liturgie oder sakralen Kunst, der Gemeinschaftsformen christlichen Lebens.

5. An euch Bischöfen liegt es, den Fortschritt auf diesem Gebiet zu fördern und harmonisch einzuordnen, was durch reifliche Überlegungen, in konzentrierter Aktion und in Einheit mit der Universalkirche und dem HI. Stuhl erfolgen sollte. Die Inkulturierung wird im übrigen für das ganze Volk nur bei fortschreitender Reifung des Glaubens fruchtbar sein können. Denn ihr seid wie ich davon überzeugt, daß dieses Werk, für das ich euch mein ganzes Vertrauen ausspreche, große theologische Klarheit, Unterscheidung der Geister, Weisheit und Klugheit wie auch Zeit braucht.

Gestattet mir, daß ich unter anderen Beispielen an die Erfahrung meiner eigenen Heimat erinnere: in Polen hat sich eine tiefe Verbindung zwischen den Denk- und Lebensformen herausgebildet, die für die Nation und den Katholizismus charakteristisch sind; dieser Prozeß hat Jahrhunderte gebraucht. Trägt man der unterschiedlichen Situation Rechnung, so muß es auch hier in Zaire dem Christentum möglich sein, sich mit dem, was die Tiefe der Seele Zaires ausmacht, zu einer originellen, zugleich afrikanischen und christlichen Kultur zu verbinden.

Was Glaube und Theologie betrifft, so sieht alle Welt, daß wichtige Fragen im Spiel sind: der Inhalt des Glaubens; der Versuch, ihn besser auszudrücken; das Verhältnis von Theologie und Glaube; die Einheit des Glaubens. Mein verehrter Vorgänger Paul VI. hat in der Schlußansprache der Synode von 1974 darauf angespielt (vgl. AAS 66, 1974, S. 636-637; bzw. Wort um Weisung, Bd. 1, 1974, S. 361-370). Und er selbst hatte den Delegierten des Symposions der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars (SCEAM) im September 1975 einige Regeln in Erinnerung gebracht:

a) Wenn der christliche Glaube zur Diskussion steht, muß man sich an "das identische, wesentliche, konstitutive Erbe der Lehre Christi selbst halten, wie sie von der authentischen Überlieferung bekannt und von der einen und wahren Kirche gutgeheißen und gebilligt wird;

b) es ist wichtig, sich einer vertieften Erforschung der kulturellen Überlieferungen der verschiedenen Völker und der dahinterstehenden philosophischen Grundgedanken zu widmen, um die Elemente, die nicht im Widerspruch zur christlichen Religion stehen, und die Beiträge, die sich für die Bereicherung der theologischen Reflexion eignen, aufzuspüren" (AAS 67, 1975, S. 572).

Ich selbst habe im vergangenen Jahr in dem Apostolischen Schreiben über die Katechese die Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, daß sich die Botschaft des Evangeliums nicht einfach und schlechthin von der biblischen Kultur trennen läßt, in der sie sich zuerst ausgeprägt hat, noch ist sie ohne schwerwiegende Verkürzungen von jenen Kulturen zu trennen, in denen sie sich schon im Laufe der Jahrhunderte ausgeprägt hat; andererseits wirkt die Kraft des Evangeliums überall umgestaltend und erneuernd (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 53).

Auf dem Gebiet der Katechese können und müssen Darstellungen geboten werden, die der afrikanischen Seele angemessener sind, wobei auch dem immer intensiveren Kulturaustausch mit der übrigen Welt Rechnung zu tragen ist; es ist nur darüber zu wachen, daß die Arbeiten von einer Equipe unternommen und von den Bischöfen kontrolliert werden, damit die Formulierung fehlerfrei ist und die ganze Lehre geboten wird.

Auf dem Gebiet der heiligen Handlungen und der Liturgie ist durchaus eine Bereicherung möglich (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 37-38), unter der Bedingung, daß die Bedeutung des christlichen Ritus stets voll gewahrt bleibt und der universale, katholische Aspekt der Kirche ("Wahrung der Einheit des römischen Ritus in der Substanz") in Verbundenheit mit den anderen Ortskirchen und in Übereinstimmung mit dem Hl. Stuhl klar und deutlich in Erscheinung tritt.

Im ethischen Bereich gilt es, den ganzen Reichtum der afrikanischen Seele herauszustellen, der hoffnungsvollen Bausteinen für das Christentum gleicht: bereits Paul VI. hat in seiner Botschaft an Afrika vom 29. Oktober 1967 daran erinnert, und ihr kennt besser als irgendwer die geistige Sicht des Lebens, den Sinn für Familie und Kinder, das Gemeinschaftsleben usw. Wie in jeder Kultur gibt es auch andere, weniger günstige Aspekte. Es ist jedoch immer und darauf habt ihr mit Recht hingewiesen eine Umkehr zu vollziehen im Hinblick auf die Person Christi, des einzigen Erlösers, und im Hinblick auf seine Lehre, die die Kirche uns übermittelt: und eben durch diese Umkehr kommt es zur Befreiung, Läuterung, Reinigung und Erhöhung, die zu bringen Christus in die Welt gekommen ist und die er in seinem Ostergeheimnis von Tod und Auferstehung verwirklicht hat. Man muß zugleich die Menschwerdung Christi und seine Erlösung betrachten. Ihr selbst wart bemüht, deutlich zu machen, daß die Berufung auf die Authentizität nicht gestattet, "die Prinzipien der christlichen Moral zu denen der überlieferten in Gegensatz zu stellen" (Schreiben vom 27. Februar 1977). Mit einem Wort, das Evangelium stillt die menschlichen Erwartungen, wobei es aber die Tiefen des Menschlichen anrührt, um es für den Anruf der Gnade und im besonderen für eine vertrauensvollere Annäherung an Gott, für eine umgreifendere, universalere menschliche Brüderlichkeit zu öffnen. Die Authentizität wird den afrikanischen Menschen nicht an seiner Pflicht zur Umkehr hindern. Kurz, es geht darum, wahre, echte Christen und echte Afrikaner zu werden.

6. Bei diesem Werk der Inkulturierung, der Afrikanisierung, das bereits begonnen hat, sowie bei der gesamten Evangelisierungsarbeit werden unterwegs wiederholt Sonderprobleme auftauchen, die diesen oder jenen Brauch ich denke besonders an die schwierigen Eheprobleme , diese oder jene religiöse Handlung, diese oder jene Methode betreffen. Schwierige Fragen, deren Lösung eurer pastoralen Verantwortung, euch Bischöfen im Dialog mit Rom, anvertraut ist. Dieser Verantwortung dürft ihr euch nicht entziehen. Dazu ist vor allem ein vollkommener Zusammenhalt untereinander notwendig. Jede Kirche hat ihre Probleme, aber ich scheue mich nicht zu wiederholen, was ich den polnischen Bischöfen gesagt habe überall ist "diese Einheit Quelle der geistlichen Kraft". Diese Solidarität gilt für alle Bereiche: den der Forschung, den der großen pastoralen Entscheidungen, aber auch für die gegenseitige Hochachtung, ganz gleich welcher Abstammung ihr sein mögt, nicht zu vergessen der Bereich der wechselseitigen Hilfe bei dem vorbildlichen Leben, das von euch gefordert wird und auf brüderliche Ermahnungen angewiesen sein kann.

7. Nicht entgehen darf euch, wie sehr die Solidarität mit der Universalkirche in den Dingen, die gemeinsame Sache sein müssen und besonders die vertrauensvolle Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl notwendig sind für die katholische Authentizität der Kirche in Zaire, für die Kraft und ihren harmonischen Aufstieg. Aber sie sind auch notwendig für die Vitalität und Lebenskraft der Universalkirche, in die ihr das Zeugnis eurer pastoralen Sorge und den Beitrag eures Eifers für die Evangelisierung in für die ganze Kirche wichtigen Fragen einbringen werdet. Das sind die Anforderungen oder vielmehr die Charismen unserer Katholizität (vgl. Lumen gentium, Nr. 13). Gelobt sei Gott, der seiner Kirche diesen lebendigen Austausch und diese Gemeinschaft unter allen Gliedern desselben Leibes, des Leibes Christi, gewährt! Der Heilige Stuhl wird euch von keiner Verantwortung entbinden; und er wird euch helfen, Lösungen zu finden, die eurer Berufung am besten entsprechen. Ich meinerseits bin gewiß, daß eure Sorgen dort mit Verständnis aufgenommen werden.

8. Nun möchte ich auch ein Wort zu einigen konkreten Pastoralproblemen sagen: ich tue das, um meine Teilhabe an eurer Verantwortung zu bekunden.

Ich habe von eurer Einheit als Bischöfe untereinander gesprochen, von eurer kollegialen Mitverantwortung, die ihr in besonders schwierigen Augenblicken bewiesen habt. Ich ermutige euch ebenso, in euren Diözesen die Einheit der lebendigen Kräfte der Evangelisierung und vor allem eurer Priester so gut wie möglich zu fördern. Einige von euch stammen aus Zaire, und das ist für die Zukunft eurer Kirche ein großes Glück. Viele andere, Weltpriester und oft Ordenspriester, sind als Missionare gekommen oder hiergeblieben, um euch zu helfen, wobei sie sich darüber klar sind, daß sie nach und nach und je nach den Möglichkeiten den ersten Platz den einheimischen Seelsorgern einräumen müssen. Ihr wißt alle, daß ihr Dienst für die Evangelisierung, deren l00jähriges Jubiläum wir feiern, von enormer Bedeutung war, daß er wichtig bleibt und zur Zeit gar nicht auf ihn verzichtet werden kann, auch angesichts der Zahl der Gläubigen und der Komplexität der apostolischen Notwendigkeiten. Sie bleiben neben euch der Ausdruck der Universalität und des notwendigen Austausches unter den Kirchen. Mögen alle, ob aus Zaire oder nicht, rund um euch ein Presbyterium bilden! Möge alles unternommen werden, um die Wege der gegenseitigen Wertschätzung, der Brüderlichkeit und Zusammenarbeit zu ebnen und zu vermehren! Möge alles ausgeschlossen werden, was für die einen oder für die anderen Ursache von Leid oder Beiseitestellung werden könnte! Alle seien von Gefühlen der Demut und des gegenseitigen Dienstes durchdrungen! Für Christus! Für das Zeugnis der Kirche! Damit alle sagen können: "Seht, wie sie einander lieben!" Für den Fortschritt der Evangelisierung! Es sind bereits Fortschritte erreicht worden. Ich bin gewiß, daß ihr alles tun werdet, um eine solche Atmosphäre zu schaffen.

Außerdem habt ihr mehrmals alle eure Priester und eure Ordensschwestern zu einer großen Würde der Lebensführung aufgerufen. Ich erwähne einen Abschnitt in der poetischen Form, die ihr ihm gebt: "Euch selbst erneuert als erste. Kleidet euch in Tugenden, nicht in Seide. Haltet den Körper keusch, rein das Gewissen. Ob Nacht oder Tag, widmet euch dem Studium. Zeigt dem Volk eine demütige Würde und verbindet Freundlichkeit mit Ernst" (Schreiben vom 10. Juni 1977). Ja, die radikale Liebe, die die gottgeweihten Seelen dem Herrn gelobt haben, für ihn und für einen eifrigeren Dienst an allen ihren Brüdern und der Verkündigung der kommenden Welt, mit der erforderlichen Zucht des Lebens soll strahlen wie das Licht, sein wie das Salz, um "im Schoß des Gottesvolkes die unverzichtbare Kraft, den Tonus' zu erhalten, der die menschliche Teigmasse aufgehen läßt" (ebd.). Im besonderen müssen die Priester, die Ordensmänner und auch die Ordensfrauen feste Überzeugungen von den positiven und wesentlichen Werten der Keuschheit im Zölibat haben und sehr wachsam bleiben in ihrem Verhalten, um ohne Zweideutigkeit der Verpflichtung treu zu bleiben, die sie für den Herrn und für die Kirche auf sich genommen haben und dem in Afrika wie anderswo als Zeugnis und als Ansporn für das christliche Volk auf dem mühsamen Weg zur Heiligkeit große Bedeutung zukommt. Das alles ist mit Gottes Gnade möglich, vor allem, wenn man sich die geistlichen Mittel und die vielfältigen Bedürfnisse zu Herzen nimmt, die den pastoralen Eifer anspornen. Die Priester brauchen gewiß dringend eure brüderliche Hilfe, eure Nähe, euer persönliches Beispiel, eure Liebe.

9. Die Heiligkeit und der Eifer eurer Priester werden auch die Weckung von Priesterberufen sehr erleichtern, und ich glaube, damit an eine eurer Hauptsorgen zu rühren. Wie soll die Kirche von Zaire der Zukunft entgegensehen, wenn sie nicht über genügend Welt- oder Ordenspriester verfügt, die aus ihrem eigenen Land hervorgegangen sind? Wir müssen dafür beten und zum Gebet dafür anhalten. Wir müssen zum Dienst des Herrn aufrufen, den Familien und den jungen Menschen die Schönheit dieses Dienstes begreiflich machen. Aber das Problem ist auch die Ausbildung dieser Seminaristen oder Novizen: möge ihnen stets die Anwesenheit, das Gespräch und das Beispiel von geistlichen Führern zuteil werden können, die erfahren in der Führung von Seelen sind.

Ich glaube, daß auch unter euch viele weibliche Ordensberufe erwacht sind sowohl in den Reihen der Missionsorden als auch jetzt in den Reihen der unter eurer Sonne entstandenen Institute. Mögen sie dank einer soliden Ausbildung, dank ihrer Hingabe an die apostolischen Werke, dank ihres klaren Zeugnisses eine neue Seite im Leben der Ordensfrauen in der Kirche schreiben! Ich vergesse nicht jene Ordensschwester, die eine so leuchtende Spur hinterlassen hat, daß man von ihrer Seligsprechung spricht: Schwester Anwarite.

10. Ich freue mich auch über all das, was in diesem Land getan wurde, um die Kirche mit Laienkatecheten und Verantwortlichen für kleine Gemeinden zu versorgen. Sie sind die Haupttriebfeder der Evangelisierung, da sie in ständigem, direktem Kontakt mit den Familien, den Kindern, den verschiedenen Gruppen des Gottesvolkes stehen. Diese ganze Entwicklung der Laienarbeit, auf die nicht verzichtet werden kann, muß in enger Gemeinschaft mit den Bischöfen gefördert werden. Ich werde im Laufe meiner Reise Gelegenheit haben, auf dieses Thema noch ausführlicher einzugehen.

Über das Familienleben habe ich heute vormittag schon lange gesprochen. Wie man trotz gewisser Schwierigkeiten junge Menschen und Familien auf den Weg der vollen Verwirklichung des Planes Gottes als Eheleute und Eltern führen kann, während man sich zugleich auf den Reichtum der afrikanischen Seele, auf die 100jährige Erfahrung der Kirche und auf die Gnade stützt das ist ein pastorales Ziel von großer Bedeutung. Seine Erreichung wird für die Kirche ein Segen und für das Land ein Fortschritt ersten Ranges sein.

Eine Sache muß den Eltern, den Seelsorgern und allen, die in der Evangelisierung stehen, am Herzen liegen, nämlich die religiöse Erziehung der Kinder, wie auch der Stand der Schulen und vor allem der gegenwärtige Zustand sein mag: Einführung in das Evangelium in der Familie, gefolgt von einer systematischen Katechese, wie ich sie aufgrund der Bischofssynode in dem Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae dargelegt habe.

11. Ich denke weiter an all das, was die Kirche zur Entwicklung des Landes beiträgt, indem sie das Gewissen der Staatsbürger zum Sinn für Loyalität, Dienstbereitschaft, Arbeitsleistung und Brüderlichkeit erzieht was ihre unmittelbare Aufgabe ist , aber auch auf vielen Ebenen durch Fürsorge für die vielfältigen Bedürfnisse der häufig von Prüfungen heimgesuchten Bevölkerung: im Schulwesen, bei der Gesundheitshilfe und -vorsorge, der Versorgung mit Nahrungsmitteln usw. Es ist ein stellvertretendes Eintreten, das die Nächstenliebe der Kirche auferlegt "Caritas urget nos", "die Liebe drängt uns" und das euer nationaler Gemeinschaftssinn euch normalerweise eingibt.

12. Ihr liebt dieses Land tief. Ich verstehe diese Gefühle. Ihr kennt die Liebe, die ich für das Land hege, aus dem ich komme. Die Einheit eines Vaterlandes festigt sich im übrigen durch Prüfungen und Anstrengungen, an denen auch die Christen Anteil haben, vor allem wenn sie einen beachtlichen Teil der Nation bilden. Euer Dienst an Gott schließt diese Liebe zum Vaterland ein. Er trägt zum Wohl des Vaterlandes bei, wie die staatliche Macht auf ihrer Ebene seinem Wohl verpflichtet ist. Doch euer Dienst unterscheidet sich von letzterem und muß bei allem Respekt für deren Zuständigkeit und Verantwortung auch selbst in voller Freiheit in dem Bereich ausgeübt werden können, für den ihr zuständig seid, also in der Glaubenserziehung, Gewissensbildung und religiösen Praxis, im Leben der christlichen Gemeinden und der Verteidigung der menschlichen Person, ihrer Freiheiten, ihrer Rechte, ihrer Würde. Ich weiß, daß das eure Sorge ist. Und ich wünsche mir, daß daraus ein Friede wächst, der für alle von Vorteil ist.

13. Und noch ein letzter Punkt: um der christlichen Elite zu helfen, sich den Problemen des Glaubens zu stellen, die eine rasche Entwicklung und der Kontakt mit anderen Kulturen, mit anderen Denksystemen unwillkürlich aufwerfen, ist es auf theologischer Ebene wichtig, daß Forschung und Lehre gefördert werden, das heißt, daß die tiefe Verwurzelung in der Überlieferung der gesamten Kirche, die eurer Gemeinschaft ihre Kraft verliehen hat, verbunden wird mit der Reflexion, die eure afrikanische Verwurzelung und die neu aufbrechenden Probleme erfordern. Das soll besagen, daß ich eurer Theologischen Fakultät in Kinshasa meine innigsten Glückwünsche ausspreche für ihr hohes geistiges Niveau, für ihre Treue zur Kirche und für ihre Ausstrahlung in eurem Land und darüber hinaus.

14. Damit lasse ich es für heute bewenden. Aber der Dialog mit dem Nachfolger Petri, mit den Einrichtungen des Hl. Stuhls, mit den anderen Ortskirchen wird immer weitergeführt werden müssen, haben sie doch nur die eine Sorge: eurer Kirche zu helfen, ihren Weg unter den besten Bedingungen fortzusetzen, "ungehindert und mit allem Freimut" (Apg 28, 31). Und ich wünsche mir, daß dieser Antrieb nicht nur euch zustatten kommt, sondern immer mehr missionarischen Charakter annimmt. "Ihr seid eure eigenen Missionare", sagte Paul VI. vor elf Jahren in Kampala. Das hat sich zum Teil bewahrheitet. Aber ich füge hinzu: Trachtet eurerseits, Missionare zu sein nicht nur in diesem Land da, wo man noch auf das Evangelium wartet, sondern auch draußen, besonders in anderen Ländern Afrikas. Eine Kirche, die selbst von ihren beschränkten Mitteln mittielt, wird vom Herrn gesegnet, denn man begegnet immer einem, der ärmer ist als man selbst.

Der Heilige Geist hat euch zu Hirten eures Volkes in dieser bedeutsamen Stunde der christlichen Geschichte von Zaire eingesetzt. Er stärke den Glauben und die Liebe aller derer, die euch anvertraut sind! Und Maria, die Mutter der Kirche, bitte für euch alle. Seid meines Gebetes versichert, wie ich auf das eure zähle. Mit meinem herzlichen Apostolischen Segen.

 

 

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