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PASTORALBESUCH IN LIECHTENSTEIN

BEGEGNUNG PAPST JOHANNES PAULS II.
MIT KRANKEN IN DER ST. FLORINSKIRCHE

Vaduz (Liechtenstein)
Sonntag, 8. September 1985

 

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

1. ”Stabat Mater dolorosa... - Christi Mutter stand mit Schmerzen / bei dem Kreuz und weint’ von Herzen / als ihr lieber Sohn da hing“.

Diese ernsten Worte der Sequenz beim Gedächtnis der Schmerzen Mariens sind soeben im Lied erklungen und hallen in unseren Herzen nach. Der eindrucksvolle Klang der Melodie und die dichterische Gestalt der Worte wollen uns hinführen zu jenem großen Geheimnis, vom dem der hl. Johannes im Evangelium kündet: ”Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich“ .

”Siehe, deine Mutter“, spricht der gekreuzigte Herr auch zu uns. So spricht er am heutigen Geburtsfest Mariens durch mich, seinen demütigen Diener auf dem Stuhle Petri, besonders zu euch, den kranken, behinderten und betagten Menschen, denen ich mich überall sehr verbunden fühle: hier in diesem Gotteshaus, im Spital, in den Heimen und in euren Häusern draußen im Land: Ihr selbst habt das leidvolle Antlitz und die schmerzenden Wunden des gekreuzigten Heilands erkannt. Ihr blickt fragend auf zum Kreuz an dem sein geschundener und entstellter Leib hängt. Ihr schaut mit Maria auf jenes Marterholz, das wir erst mit den Augen des Glaubens als ”süßes Holz“ – ”dulce lignum“ – und als ”Baum des Lebens“ – ”arbor vitae“ – erkennen können. Ich bin als Bote der Frohen Botschaft Christi zu euch gekommen, um euch zu helfen, mit diesen Augen des Glaubens auch auf euer eigenes Los zu schauen. Mit dem Jünger Johannes nehmt Maria, die Mutter des Herrn, auch als eure Mutter an und laßt euch durch sie die Augen des Glaubens öffnen! Mit ihrer Hilfe tragt ihr die Beschwerden eurer Krankheit, eurer Behinderung und eures Alters leichter.

2. Maria steht an eurer Seite, weil sie selber mit ihrem göttlichen Sohn gelitten hat entsprechend jener Verheißung, die der greise Simeon ihr im Tempel von Jerusalem gemacht hatte: ”Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“. Das Bild der Schmerzensmuter ist uns allen vertraut und tief ins Herz eingeprägt: Der tote Leib des göttlichen Sohnes liegt auf dem Schoß seiner trauernden Mutter, aus dem er hervorgegangen ist. Marias mütterliches Herz ist vom Schmerz durchbohrt; denn niemand steht dem Sohn so nahe wie die eigene Mutter. Der himmlische Vater aber, der den Menschen auch in der äußersten Bedrängnis nicht verläßt, hat der Mutter Jesu die Kraft geschenkt, unter dem Kreuz auszuharren und das Leiden ihres Sohnes zu teilen.

Die besondere Verehrung der Sieben Schmerzen Mariens kann auch für euch eine Kraftquelle sein, um die Lasten eures eigenen Lebens gläubig anzunehmen und sie durch Gebet und Betrachtung bewußt mit dem Leiden und Sterben des Herrn zu verbinden. Durch das geduldige Ertragen der täglichen Last und Mühe heiligt ihr euch selber und zugleich die Kirche und die Welt. Um Christi willen angenommenes Leid ist immer heilbringendes Leid. Ihr wißt, was der hl. Paulus – selbst einer, der viele Leiden und Widerwärtigkeiten zu ertragen hatte – sagt, um diese heilbringende Kraft des Leidens zu erklären: ”Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“. Ja, so müssen wir als gläubige Christen versuchen, den Sinn und die Würde des menschlichen Leidens zu verstehen und zu leben.

3. Krankheit, Behinderung und Beschwerden des Alters sind für den gläubigen Christen niemals nur tragisches Geschick, das es resigniert hinzunehmen gilt, sondern sind immer auch Anruf und Aufgabe der göttlichen Vorsehung. Sie sind Anruf Gottes an die Mitmenschen, den Leidenden mit liebender Fürsorge Hilfe und Geborgenheit zu schenken, ihre Gebrechen mit allen Mitteln der ärztlichen Kunst zu lindern und nach Möglichkeit auch zu heilen.

Sie sind Aufgabe für die Kranken und Behinderten, in ihrer konkreten Lebenslage ihre christliche Berufung zu leben und darin ihr persönliches Heil zu wirken. Vor allem da, wo die menschliche Heilkunst versagt, kann uns nur noch der christliche Glaube den Weg zum dunklen Geheimnis des Leidens erhellen. Die Frohe Botschaft Christi kann zwar das Ausleger Gebrechen nicht beheben, aber sie kann es erträglicher machen, indem sie uns einen Zugang zu seinem tieferen Sinn und Verständnis eröffnet. In dem von Gottes Vorsehung zugelassenen oder auch zugedachten Leid begegnen wir letztlich dem unergründlichen Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi selbst. Es ist sein Ruf in eine ganz besondere Art der Nachfolge, in die Kreuzesnachfolge. Es ist letztlich Christus selber, der dazu einlädt, das Gebrechen, das Leid, die Hilflosigkeit als sein Joch, als einen Weg auf seinen Spuren anzunehmen. Allein die gläubige Annahme kann jegliches menschliche Leid zuinnerst verwandeln. Es wird zur persönlichen Teilnahme am erlösenden Sühneleiden Christi, der im leidenden Menschen seine eigene Passion fortsetzt.

4. Liebe kranke, behinderte und betagte Brüder und Schwestern! Ich bete mit euch um die Kraft, daß ihr eure Leiden und Gebrechen im Geiste Christi, des leidenden, sich opfernden und auferstandenen Erlösers, anzunehmen vermögt. Nur so werden euch eure Gebrechen nicht erdrücken, sondern im Gegenteil zu einer Quelle von Kraft und Zuversicht für euch werden. Opfert alle Bedrängnisse und Widerwärtigkeiten mit Christus auf für das Heil der Welt. Sucht den Sinn eures Schmerzes in der Heiligung eures eigenen Lebens, eurer Familien und Gemeinschaften, in denen ihr mit der liebevollen Hilfe eurer Angehörigen und Nächsten lebt. Seid dankbar für die Geduld und Ausdauer, die Gott euch Tag für Tag neu schenkt. Seid dankbar für jeden Dienst, den gute Mitmenschen euch erweisen.

Mit euch zusammen danke ich von Herzen allen Ärzten, Schwestern, Pflegerinnen und Pflegern, die an den kranken und hilfsbedürftigen Menschen in diesem Lande mit Treue und Hingabe ihren Dienst verrichten. Sie sollen wissen, daß alle Hilfe und Liebe, die sie jenen erweisen, letztlich Christus erwiesen werden. ”Ich war krank, und ihr habt mich besucht“, sagt Christus und fährt fort: ”Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Bruder getan habt, das habt ihr mir getan.“ 

Für euch, liebe Brüder und Schwestern, möchte ich schließlich noch als Einladung die Worte hinzufügen, die ich am Schluß meines Apostolischen Schreibens über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens angeführt habe: ”Zusammen mit Maria, der Mutter Christi, die unter dem Kreuz stand, halten wir an allen Kreuzen des heutigen Menschen inne. Wir rufen alle Heiligen an, die im Laufe der Jahrhunderte auf besondere Weise an den Leiden Christi teilgehabt haben. Wir bitten sie um ihren Beistand.“ Gott segne euch, er stärke und beschütze euch!

5. In herzlicher Verbundenheit grüße ich sodann auch die anderen Teilnehmer dieser Begegnung: euch, meine Mitbrüder im priesterlichen Dienst hier im Dekanat Liechtenstein; euch, liebe Ordensleute, die ihr dem Ruf des Herrn zu einem Leben nach den evangelischen Räten gefolgt seid; euch, die Gläubigen im Laienstand, die ihr aufgrund eurer Tauf- und Firmgnade in verschiedenen pastoralen Bereichen dieses Landes mitarbeitet.

In euch grüße ich die bestimmenden Kräfte, die tragenden Glieder im Leben der Ortskirche. Von eurer geistigen Vielfalt, von eurem Ernst und Einsatz in den jeweiligen Aufgabenbereichen hängt weitgehend das religiöse Leben in euren Gemeinden ab. Ich danke euch, daß ihr euch mit eurer persönlichen Berufung so hochherzig für die Mitarbeit im Reiche Gottes zur Verfügung stellt. Zugleich ermutige ich euch im Namen Jesu Christi in eurem vielfältigen Wirken zum natürlichen und übernatürlichen Wohl der euch anvertrauten Menschen und Einrichtungen.

Eure schwierige, aber zugleich beglückende Aufgabe ist es, in Gemeinschaft mit eurem Bischof und unter seiner Leitung als Priester, Ordensleute und mitverantwortliche Laien hier in eurem Land lebendige Kirche Christi aufzubauen. Deshalb ist es eure erste und vornehmste Pflicht, den Menschen den Weg zu Christus zu zeigen und eure besten Kräfte für den ”Aufbruch zum Leben“ in Christus einzusetzen, sei es im Gottesdienst, in der Verkündigung, in der Katechese für alle Lebensalter, in der Diakonie oder in der Solidarität mit den Menschen und Völkern in Not.

6. Christus, der durch euch seine Heilssendung in euren Gemeinden fortsetzen will, bedarf zur Verkündigung seiner Frohen Botschaft vor allem eurer Worte, zur Weitergabe seiner übernatürlichen Heilsgüter eurer Hände und eurer Füße, um den verirrten Schafen nachzugehen. Stellt euch deshalb, liebe Brüder und Schwestern, seinem Heilswirken in eurer Mitte mit Leib und Seele vorbehaltlos zur Verfügung, wie es Maria, die Mutter unseres Herrn, durch ihr Fiat getan hat: ”Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort.“ Mit ihrem gehorsamen Ja, das sie nie zurückgenommen hat, sondern in immer tieferer Gemeinschaft mit ihrem Sohn bis hin zum Kreuz gelebt hat, ist Maria zum großen Vorbild für unseren Glauben und unseren Dienst geworden.

Maria, die Mutter der Kirche, ist auch euch in eurem kirchlichen Dienst in einer besonderen Weise zur Seite gegeben. Euer Einsatz für Christus und die Kirche wird nur dann vollkommen und für das Heil der Menschen wirklich fruchtbar sein, wenn ihr ihren mahnenden Rat befolgt: ”Das er euch sagt, das tut!“ Tut es zunächst und vor allem in eurem eigenen Leben zu eurer persönlichen vollen Bekehrung und Heiligung. Tut es in Treue zu den übernommenen Verpflichtungen. Tut es in eurem täglichen Dienst unter den Menschen. Tut, was er euch sagt! Denn es ist ja schließlich Christus selbst, der durch euch in der Welt von heute sein Heil wirken möchte und es durch den Auftrag der Kirche auch tatsächlich wirkt. Möge durch euer gläubiges Lebensbeispiel und durch euren treuen Dienst als Priester, Ordensleute und Laien sein Reich hier im Dekanat Liechtenstein immer mehr Wirklichkeit werden.

Zugleich lade ich auch euch, liebe kranke, behinderte und betagte Mitchristen, noch einmal von Herzen dazu ein, das Wirken der Kirche hier und in aller Welt stets durch euer ergeben ertragenes Leiden, durch euer Gebet und Opfer nach Kräften zu unterstützen. Der Papst selbst vertraut in seinem obersten Hirtendienst sehr auf eure tatkräftige Mithilfe. Betet vor allem auch dafür, daß der Herr immer genügend Arbeiter in seine Ernte sende, auf daß sein Name überall würdig gepriesen werde. Gelobt sei Jesus Christus!

 

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