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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE MITGLIEDER DES KARDINAL-HÖFFNER-KREISES

Freitag, 20. Oktober 1995

 

Liebe Mitglieder des Kardinal-Höffner-Kreises!

Es ist mir eine besondere Freude, Sie anlässlich Ihres Informationsbesuches in Rom hier im Vatikan begrüßen zu können. Ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen.

Sie haben Ihren Kreis nach dem unvergessenen Kardinal Joseph Höffner benannt und damit bekunden wollen, da Sie in seinem Geist in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eigene Akzente setzen möchten, die sich aus unserem Glauben und aus der katholischen Soziallehre ergeben. Kardinal Höffner war ein Mann des Glaubens und der Wissenschaft. Er hat uns ein beredtes Beispiel treuer und konsequenter Christusnachfolge und hingebenden Dienstes zum Wohl der Menschen in Kirche und Gesellschaft gegeben.

Als Christ wusste der Kardinal, dass unser Leben nicht uns selbst gehört, sondern dem, dessen Namen wir tragen. Er wusste, da wir unser Leben nur empfangen, indem wir es geben. Und er hat vor allem darum gerungen, dass Europa christlich bleibe und es wieder mehr werde.

Dieses geistige Vermächtnis möge Ihnen Weisung und Auftrag sein bei Ihrer verantwortlichen Tätigkeit für Staat und Gesellschaft. Dies gilt vor allem in einer Zeit, in der versucht wird, in der Frage der Verhältnisbestimmung zwischen positiver und negativer Religionsfreiheit das Recht auf negative Religionsfreiheit gleichsam zum Obergrundrecht zu erklären.

In Wirklichkeit geht es vielmehr darum, zu einer praktischen Konkordanz der beiden Aspekte der Religionsfreiheit zu gelangen, wie sie vom geltenden Recht und der Verfassungstradition Ihres Landes her angestrebt werden sollte.

Ihre Verfassungstradition von 1919 und deren Interpretation in der Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg spricht gegen ein Verständnis von religiös-weltanschaulicher Neutralität im Sinne einer negativen Distanzierung des Staates vom Religiösen beziehungsweise von den Religionsgemeinschaften.

Der Staat kann kein indifferentes Neutrum sein, da er von einer bestimmten geschichtlichen Tradition herkommt und in einem konkreten kulturellen Kontext steht. Ihre geltende Verfassungslage wird berücksichtigen müssen, dass das Christentum maßgebender Faktor der Kultur Ihres Landes und damit auch ein grundlegender Bestandteil von Bildung und Erziehung ist.
Ihre Aufgabe wird es sein, das Grundrecht auf Religionsfreiheit als Element des demokratischen Rechtsstaates zu verteidigen sowie den christlichen Wurzeln der politischen und sozialen Ordnung Europas festzuhalten. Im Sinne Kardinal Höffners gilt es, der Kirche den Öffentlichkeitsanspruch sowie ihre Anwaltschaft für das Humanum zu erhalten.

Der Zusammenbruch totalitärer Systeme in Europa erfordert eine gründliche Erneuerung der politischen Handlungsweisen. Ihnen kommt es in Ihrer Stellung zu, mitzuhelfen, dass Europa seine Wurzeln wiederfindet und nach dem Maßstab seiner Ideale und seines Edelmutes seine Zukunft aufbaut. Die Kraft des Evangeliums ist fähig, durch ihr Ferment der Gerechtigkeit und der Liebe in der Wahrheit und der Solidarität die Kulturen unserer Zeit umzugestalten. Der Glaube, der zur Kultur wird, ist Grund zur Hoffnung. Gestärkt in dieser Hoffnung und glücklich, Sie in diesem Sinne engagiert zu sehen, erteile ich Ihnen und Ihren Angehörigen gerne den Apostolischen Segen.

 

© Copyright 1995 - Libreria Editrice Vaticana

 



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