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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE RÖMISCHE STADTVERWALTUNG
AUF DEM KAPITOL

 

 

Verehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Vertreter der römischen Stadtverwaltung auf dem Kapitol,
meine Damen und Herren!

1. Ich freue mich, Sie aus Anlaß des traditionellen Treffens am Beginn des neuen Jahres zu empfangen, und entbiete jeder und jedem von Ihnen meine herzlichsten Wünsche für die anspruchsvolle Aufgabe, die Ihnen übertragen ist. Ich begrüße den Herrn Bürgermeister, die Mitglieder der Stadtregierung und des Stadtrats und alle, die auf verschiedene Weise in der Kapitolinischen Verwaltung ihren Dienst leisten.

Ihre heutige Anwesenheit im Haus des Papstes bringt mir den Besuch in Erinnerung, den ich im vergangenen Jahr am 15. Januar auf dem Kapitol abzustatten die Freude hatte. Nochmals Dank für diesen denkwürdigen Tag, den auch Sie, Herr Bürgermeister, soeben erwähnt haben. In Ihren freundlichen Worten im Namen aller Anwesenden haben Sie unter anderem auch auf die Absichten und Pläne der Kommunalverwaltung hingewiesen, besonders hinsichtlich einer entsprechenden Vorbereitung des Großen Jubiläums, dieses außerordentlichen geistlichen und sozialen Ereignisses.

2. Es sind jetzt nur noch wenige Monate bis zur feierlichen Eröffnung der Heiligen Pforte, die uns in die Jubiläumsfeierlichkeiten des Jahres Zweitausend einführen wird. Es ist ein Treffen von epochaler Bedeutung und geht die gesamte Menschheit an. In Rom wird das Ereignis seinen Hauptschnittpunkt und seine vorzügliche Verwirklichung finden. Seit längerer Zeit hat die Kirche der Stadt Rom einen Weg intensiver geistlicher Vorbereitung begonnen nach den Hinweisen, die ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente gegeben habe. Die Stadtmission, die vor etwa zwei Jahren begonnen hat, zielt darauf hin, das Jubiläum, das für Glaubende und für Nichtglaubende von großer Bedeutung ist, intensiv zu leben. Darum will sie sich an jeden Menschen richten, überallhin vordringen und mit allen kulturellen, sozialen und Arbeitsbereichen der Stadt ins Gespräch kommen. Nachdem sie sich in den vergangenen Jahren an die Familien gewandt hat, ist es in diesem Jahr ihr Ziel, besonders dorthin zu gehen, wo die Menschen leben und arbeiten.

Gerade für diesen neuen Abschnitt der Stadtmission habe ich einen Brief an die Brüder und Schwestern, die in Rom arbeiten, geschrieben. Gern biete ich Ihnen bei dieser festlichen und familiären Gelegenheit ein Exemplar davon an. Ich möchte mit dieser Geste sozusagen vorwegnehmen, was die Missionare in den kommenden Monaten mehr oder weniger überall tun werden. Ich vertraue darauf, daß, wie die Familien, so auch die Lebens- und Arbeitsbereiche Roms gleich und gern die Türen dem Herrn öffnen werden, der an das Herz eines jeden klopft: Die gute Nachricht Christi ist auch und besonders das »Evangelium der Arbeit«, das unserem täglichen Tun moralische Kraft und neue Vitalität einflößt.

3. Während, wie Sie, Herr Bürgermeister, so passend hervorgehoben haben, in jeder Pfarre die geistige Vorbereitung auf Hochtouren läuft, ist Rom dabei, sich auf der praktischen und organisatorischen Ebene für das Jubiläumsereignis bereit zu machen. Sie haben die zahlreichen Bauarbeiten erwähnt, die im Gang sind und von denen einige in enger Zusammenarbeit zwischen den zivilen Institutionen und dem Hl. Stuhl durchgeführt werden. Ich spreche meine Wertschätzung allen aus, die mit Eifer dabei am Werk sind. Ich bin mir der Schwierigkeiten bewußt, die täglich überwunden und gelöst werden müssen, um alles gut zu Ende zu bringen. Ich hoffe, daß die offenen Baustellen sowie jene, die baldigst noch in Angriff genommen werden, zur rechten Zeit ihre Arbeit vollenden können, damit für das Heilige Jahr ein Umfeld bereitet ist, das eine würdige Feier des Ereignisses begünstigt, zum Nutzen der Pilger und auch der Einwohner der Stadt.

Wie sollte man sodann nicht auch die bleibenden Vorteile vor Augen haben, die sich für die Stadt Rom aus diesen erneuerten Strukturen ergeben werden? Dank dieses Kräfteaufwands wird sie dann noch besser imstande sein, die universale Sendung zu erfüllen, die die Vorsehung ihr übertragen hat und die über die Frist des Jubiläums weit hinausgeht. Darum ist es wichtig, daß Rom anläßlich des Jubiläums auf neue und schöpferische Weise wiederum sein traditionelles Gesicht als offene, gastfreundliche Stadt zeigt, in der eine erhabene und ewige geistige Botschaft und die neuesten Aufnahme-, Organisations- und Kommunikationsformen harmonisch und konstruktiv miteinander leben.

Diese Zielsetzungen können sicherlich leicht von allen geteilt werden, wenn auch jeder im Bereich der eigenen Zuständigkeiten und Verantwortungen bleibt. Damit sie aber tatsächlich verwirklicht werden können, ist von seiten aller ein Geist tatkräftiger Zusammenarbeit vonnöten.

4. Der Herr Bürgermeister hat in seinen Worten die Schwierigkeiten und Probleme unterstrichen, die die Entwicklung dieser unserer Stadt hemmen. Auch ich möchte auf einige Sorgen zurückkommen, die mir besonders am Herzen liegen.

Vor allem denke ich an die Situation der Familien und ihre konkreten Lebensaussichten. Wie in anderen Großstädten findet leider auch hier, aufgrund der Anonymität und der Vereinsamung, in die tatsächlich viele Familien geraten, die familiäre Bindung immer weniger Stütze im gesamten Sozialgeflecht. Es ist wichtig, die Familien dann, wenn sie solchen manchmal ernsten und besorgniserregenden Schwierigkeiten gegenüberstehen, nicht allein zu lassen.

Darum hat die Kirche von Rom sich dafür entschieden, der Familienpastoral Priorität zuzuerkennen und die Aufmerksamkeit nicht auf die zu beschränken, die am kirchlichen Leben teilnehmen, sondern ihre Tätigkeit auf alle auszuweiten. Ich bitte Sie, denen unmittelbare Verantwortlichkeiten in der Stadtverwaltung zukommen, sich sehr dafür einzusetzen, daß besonders für die jungen, sich eben erst bildenden Familien konkrete Bedingungen für ein gesundes Familienleben gesichert werden, angefangen mit der Bereitstellung von Wohnungen und Initiativen zur Stütze der Familien sowie für die Kindererziehung. Lassen Sie es sich besonders angelegen sein, daß es in den Wohnvierteln nicht an Strukturen zur Aufnahme von Kleinkindern, an Schulen und Sozialdiensten fehlt.

5. Ein anderer Gedanke, der mich ständig beschäftigt, sind die Jugendlichen. Sie sind die Zukunft der Gesellschaft. Ihnen müssen wir unsere konkrete Aufmerksamkeit widmen. Wir müssen Vertrauen in sie setzen und ihnen helfen, auf sich selbst und auf das Leben zu vertrauen. Darum müssen all jene Initiativen ermutigt werden, die in der Stadt darauf ausgerichtet sind, den Jugendlichen genügend Räume anzubieten, um jenem großen Schatz an Neuheit, an Hoffnung und an Gutem, den sie in sich tragen, Ausdruck zu geben.

Eines der großen Ereignisse, die im Lauf des kommenden Jubiläumsjahres vorgesehen sind, ist der Welttag der Jugend, zu dem Jungen und Mädchen aus allen Teilen Italiens, Europas und der Welt in Rom zusammenkommen werden. Gewiß werden sie bei ihren römischen Altersgenossen gern Aufnahme finden, aber die ganze Stadt ist eingeladen, sich in Bewegung zu setzen für diese außergewöhnliche Begegnung der Jugendlichen mit dem christlichen Rom und dem Rom, das die Lehrmeisterin der Zivilisation ist.

6. Von der Jugend sprechen heißt natürlich auch, den Blick auf die Zukunft der Stadt richten, eine Zukunft, die bereits zur Wirklichkeit wird in der zunehmenden Präsenz der Immigranten, von denen viele Jugendliche sind. Die Einwanderung ist eine ernste Herausforderung, die aber auch eine große günstige Gelegenheit darstellen kann. In einem Rom, das in Italien mit seiner Immigrantenzahl und den damit verbundenen verwickelten Problemen an erster Stelle steht, bemüht sich die Kirche, denen zu helfen, die in Not sind, ohne Unterschied nach Kultur und Religion. Zu diesem Zweck erneuert sie ihre Verfügbarkeit zu konstruktiver Zusammenarbeit mit den zivilen Einrichtungen. Das Ziel ist, sich nicht damit zu begnügen, den ersten Bedürfnissen dieser unserer Brüder und Schwestern abzuhelfen, sondern ihnen für eine festere Eingliederung im sozialen Leben und im Arbeitsbereich behilflich zu sein. Das erfordert natürlich von seiten der Immigranten die Beachtung der Regeln des bürgerlichen Zusammenlebens und braucht naturgemäß angemessene Zeiten und Formen.

Im Blick auf das Jubiläum wird die Art und Weise, in der man diese Aufnahme zu praktizieren versteht, dazu beitragen, das zivile und geistliche Gesicht vom Rom des dritten Jahrtausends zu entwerfen.

7. Herr Bürgermeister, meine Herren der römischen Stadtverwaltung!

Die Probleme, auf die ich im Hinblick auf die Familie, die Jugendlichen und die Immigranten hingewiesen habe, sind einfach Beispiele, wenn auch stark evokative, einer allgemeineren Anfrage, die aus der Stadt aufsteigt: nämlich eines Ansuchens um hohe, ideale Perspektiven und um eine tiefe geistige Erneuerung.

Die Kirche reicht allen die Hand, die auf religiösem und kulturellem Gebiet dazu beitragen, daß Rom zu einer Heimat der Brüderlichkeit und des Friedens wird, und die einen Plan gemeinsamer und miteinander geteilter Ideale verfolgen.

Rom, die Wärterin der Gräber der Apostel Petrus und Paulus, bewahrt die berühmtesten Gedenkstätten und Reliquien der Christenheit und beherbergt den Sitz des Nachfolgers Petri. In der Gegenüberstellung mit anderen Kulturen und religiösen Traditionen ist Rom heute noch stärker dazu angetrieben, sein christliches Gesicht zu zeigen und von jenen Werten Zeugnis zu geben, die aus dem Evangelium stammen und den Weg seiner jahrtausendealten Kultur belebt haben.

Das barmherzige Antlitz des himmlischen Vaters möge über dieser unserer Stadt strahlen und alle erleuchten, die ihr Schicksal lenken. Diesen Wunsch erneuere ich von Herzen, und ich vertraue Ihrer aller Pläne und Hoffnungen sowie die Ihrer Familien und Mitarbeiter Maria, der »Salus Populi Romani«, an. Möge mein herzlicher Gruß durch Sie zur ganzen Bevölkerung Roms gelangen, die in meinem täglichen Gebet ihren Platz hat und der ich von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen erteile.

Aus dem Vatikan, 6. Februar 1999

 

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