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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE PÄPSTLICHE FAKULTÄT FÜR ERZIEHUNGSWISSENSCHAFTEN "AUXILIUM"

Freitag, 19. Mai 2000

 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Euch alle heiße ich herzlich willkommen. Ihr seid hier zusammengetroffen, um dem Nachfolger Petri zu begegnen und um nochmals eurer Gemeinschaft mit ihm und eurer vollkommenen Treue zur Kirche Ausdruck zu verleihen.

Insbesondere begrüße ich die Vize-Großkanzlerin Mutter Antonia Colombo, Generalsuperiorin der Töchter Mariens, der Hilfe der Christen [Mariahilfschwestern, FMA], und ich danke ihr für ihre herzlichen Worte. Des weiteren grüße ich alle Mitglieder der Päpstlichen Fakultät für Erziehungswissenschaften »Auxilium« – die Rektorin, die akademischen Behörden, die Dozenten, Studenten und das für die Technik verantwortliche Personal sowie die Aushilfskräfte.

In dieser von der Vorsehung geschenkten Zeit des Großen Jubiläums seid ihr zum Lobe der Kirche und in besonderer Dankbarkeit dem himmlischen Vater gegenüber aus Anlaß des dreißigjährigen Bestehens eurer Fakultät zusammengekommen. Es handelt sich also um eine noch recht junge Fakultät, die sich mit Enthusiasmus dafür einsetzt, ihren eigenen Beitrag im Bereich der Erziehung zu leisten. Dies ist von dem Bewußtsein bestimmt, auf diese Weise beizutragen, eine hoffnungsvolle Zukunft für alle zu verwirklichen.

Vielen Dank dafür, daß ihre eure konkrete Aufmerksamkeit einem ganz besonders herausragenden Bereich schenkt, der speziell in unseren Tagen in der Seelsorge sehr dringlich geworden ist, nämlich die ganzheitliche Erziehung des Menschen.

2. Ihr seid im Bereich der Forschung tätig und arbeitet mit anderen Institutionen zusammen, die besonderen Möglichkeiten eures Menschseins aufzuwerten. Ihr wollt euch zusammen mit der Kirche dafür einsetzen, daß im Namen Christi und mit der Hilfe Mariens, der Mutter und Erzieherin des Gottessohnes, eine »Kultur des Lebens« gefördert wird.

Meine Einladung anläßlich des dreißigjährigen Bestehens eurer Fakultät lautet, weiterhin euren Glauben an die differenzierten und zu Beziehungen fähigen Anlagen des Menschen als Mann und Frau zu erhalten und dabei nicht die gemeinsame transzendente Dimension aus dem Blick zu verlieren. Wenn ihr so handelt, arbeitet ihr immer mehr für das Leben und die Mission der Kirche zusammen, deren Hauptweg innerhalb der Geschichte der Mensch, und zwar der lebendige Mensch ist.

Macht euch die Anforderungen der Evangelisierung zu eigen in diesem kulturellen Augenblick, den wir erleben, und zwar besonders jene Anforderungen, die das menschliche Leben, die Person, die Familie, den Frieden und die Solidarität unter den Völkern betreffen. Bietet den Jugendlichen dieser Generation eine Kultur, die das menschliche Leben von dem Moment an achtet, in dem es ins Dasein tritt, damit sie mit Liebe und professioneller Kompetenz besonders dort für das Leben wirken, wo es bedroht wird. Die Achtung des Lebens und der Person bringt auch eine besondere Achtung der Familie »als Wiege des Lebens und der Liebe« mit sich, »in der der Mensch ›geboren‹ wird und ›wächst‹« (Christifideles laici, 40). Und es ist ja auch tatsächlich die Familie – insofern sie nämlich »Hauskirche« ist – in Analogie zur Kirche und durch die Teilhabe an deren Mission in die Welt und in die Geschichte hineingestellt, um eine wahre Zivilisation der Liebe zu errichten (vgl. Familiaris consortio, 48). Wenn wir uns nicht dafür einsetzen, das Leben, die Person und die Familie zu fördern, wird es schwierig sein, den Frieden innerhalb der Gemeinschaften und unter den Völkern zu verwirklichen.

3. Das Jubiläumsjahr, das wir erleben, ruft eindringlich die Botschaft des Lebens und der Hoffnung in die Welt hinaus, denn in Jesus haben wir alle »Gnade über Gnade« (Joh 1,16) empfangen. Und Jesus, Gottessohn und Menschensohn zugleich, ist das eigentliche Kriterium für die Beurteilung der zeitlichen Wirklichkeit und jedes Vorhabens, das sich zum Ziel setzt, das Leben der Menschen immer menschlicher zu machen (vgl. Incarnationis mysterium, 1).

Eure Fakultät läßt sich vom christlichen Humanismus und von der Pädagogik des hl. Johannes Bosco inspirieren. Sie betrachtet den Menschen nach dem Plan des Schöpfergottes und macht sich zur Förderin eines Menschenbildes, in dem Mann und Frau in der christlichen Lebensanschauung verwurzelt sind. Bei eurer Forschung und euren akademischen Initiativen habt ihr den Blick fest auf Jesus Christus gerichtet. In ihm ist jeder Weg zum Menschen, in seiner Heiligkeit und Würde als »Abbild Gottes« (Gen 1,27) betrachtet, auch gleichzeitig ein Weg zum Vater und zu seiner Liebe (vgl. Dives in misericordia, 1). Der Mensch als Mann und Frau ist Abbild Gottes, und zwar nicht nur als ein mit Intelligenz begabtes, f reies Wesen, sondern auch als ein auf zwischenmenschliche Beziehungen angelegtes Wesen, das in der Gemeinschaft und im Geschenk seiner selbst die Wahrheit und Fülle der eigenen Verwirklichung findet.

4. Den kulturellen Umschwung, den wir gerade erleben, ist für die ganze Kirche, besonders aber für eure Fakultät für Erziehungswissenschaften, ein eindringlicher Appell, mit neuen kulturellen Denkmodellen »das Evangelium des Lebens und der Person« zu vertiefen. Angesichts der Bedrohungen des Lebens, und zwar sowohl jener täglichen als auch der »wissenschaftlich und systematisch geplante[n] Bedrohungen« (Evangelium vitae, 17), die selbst die Bedeutung des demokratischen Zusammenlebens aufs Spiel setzen, ist es notwendig, weise und erleuchtete Erziehungsvorschläge sowie kreative und allseits anerkannte Projekte in die Tat umzusetzen. Dieser Einsatz ruft auch das erzieherische Voraushandeln auf den Plan, für das uns der hl. Johannes Bosco und die hl. Maria Domenica Mazzarello auf prophetische Weise den Weg gewiesen haben. Die ständige Gefahr unserer heutigen Welt ist das Abhandenkommen des Sinnes für Gott und die daraus resultierende Unfähigkeit, die Spuren seiner Gegenwart in der Schöpfung und der Geschichte zu finden. Eine solche Gefahr kann aber auch dadurch abgewendet werden, daß man die tiefe und innere menschliche Dimension ganzheitlicher und aus der Perspektive des Evangeliums erleuchteter Erziehung wieder entdeckt und fördert.

Dies wird eine Grenze der Hoffnung sein, die sich der Menschheit im neuen Jahrtausend öffnen wird. Der unaufhaltbare technische Fortschritt braucht einen Seelenhalt, den nur die Pflege erzieherischer Innerlichkeit anbieten kann.

5. Liebe Brüder und Schwestern! Die Kirche erwartet von euch einen besonderen Beitrag in diesem Sinne, denn ihr seid eine Fakultät, welche die Probleme im Bereich der Erziehung unter Anwendung einer interdisziplinären Vorgehensweise aufnimmt und so der Komplexität und der Verzweigtheit gerecht wird. Außerdem betreibt ihr eure Studien und Forschungen mit einer besonderen Ausrichtung auf die Frau. »Bei der kulturellen Wende zu Gunsten des Lebens haben die Frauen einen einzigartigen und vielleicht entscheidenden Denk- und Handlungsspielraum: Sie sind es, die einen ›neuen Feminismus‹ fördern müssen, der, ohne in die Versuchung zu verfallen, ›Männlichkeits‹-Vorbildern nachzujagen, durch den Einsatz zur Überwindung jeder Form von Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung den echten weiblichen Geist in allen Ausdrucksformen des bürgerlichen Zusammenlebens zu erkennen und zu bekunden versteht« (Evangelium vitae, 99).

Die Herausforderung, zu der ihr als Dozenten und Studenten berufen seid, ist ja gerade die, der anthropologischen Sicht der Person als Mann und Frau nach dem göttlichen Plan Gestalt zu verleihen und sie in adäquate und wissenschaftlich gültige pädagogische Kategorien zu übersetzen. Der kulturelle Vorschlag, auf den eure Reflexion durch einen respektvollen und kritischen Dialog mit den Humanwissenschaften ausgerichtet ist, möge weiterhin im ordentlichen Lehramt der Kirche verwurzelt bleiben und in Maria, der »ersten Gläubigen, die das Leben in seiner Fülle aufgenommen hat«, eine Mutter und Lehrerin finden. In ihrer Schule ist es möglich, das Leben lieben zu lernen und es, auch wenn wir uns dafür aufopfern und vielleicht zu Helden werden müssen, fördern und verteidigen zu lernen. Maria, die Mutter des Lebens, hat eine innige Verbindung zur Welt des Lebens und zum »Evangelium des Lebens«, zu dessen Verkündigung Jesus gekommen ist. Durch ihre Präsenz, die uns Hilfe und Führung zugleich ist, möge sie fortfahren, euren Weg zu beseelen und zu segnen!

Von Herzen ermutige ich euch, eure Arbeit fortzusetzen, und erteile allen meinen besonderen Segen, den ich auch gerne auf all die ausdehne, die an eurer Fakultät für Erziehungswissenschaften studieren.

 

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