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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II. 
BEI DER SONDERAUDIENZ FÜR DIE PILGERGRUPPEN
ZUR SELIGSPRECHUNG VOM 3. SEPTEMBER

Montag, 4. September 2000

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Mit großer Freude begegne ich euch von neuem am Tag nach der feierlichen Seligsprechung der Päpste Pius IX. und Johannes XXIII., des Bischofs Tommaso Reggio, des Priesters Guillaume- Joseph Chaminade und des Benediktiners Columba Marmion.

Mein herzlicher Gruß geht an euch alle, die ihr euch den neuen Seligen durch besondere Zuneigung und Verehrung verbunden fühlt, und ich bedanke mich für eure Anwesenheit und aktive Teilnahme. In besonderer Weise grüße ich Angelo Kardinal Sodano, meinen Kardinalstaatssekretär, der zuvor die heilige Messe zu Ehren der neuen Seligen gefeiert hat. Zudem begrüße ich die hier anwesenden Kardinäle und Bischöfe sowie die weiteren Autoritäten des religiösen und öffentlichen Lebens.

2. Am gestrigen Tag wurden den Gläubigen zwei Päpste zur Verehrung vorgestellt, die die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte entscheidend geprägt haben: Pius IX., der das Schiff Petri inmitten heftiger Stürme über beinahe zweiunddreißig Jahre hindurch gesteuert hat, und Johannes XXIII., der während seines kurzen Pontifikats ein ökumenisches Konzil einberufen hat, das in der Kirchengeschichte von außerordentlicher Bedeutung ist.

Pius IX. wurde von den Menschen wegen seiner väterlichen Güte sehr geschätzt: er liebte es, wie ein einfacher Priester zu predigen, in Kirchen und Krankenhäusern die Sakramente zu spenden und dem römischen Volk auf den Straßen der Stadt zu begegnen. Doch die Welt verstand ihn nicht immer: auf die anfänglichen »Hosannarufe« folgten bald Beschuldigungen, Angriffe und Verleumdungen. Er selbst ließ es jedoch im Umgang mit seinen Feinden nie an Nachsicht ermangeln. Sein Geist der Armut, sein Glaube an Gott und seine ergebungsvolle Annahme der Vorsehung, vereint mit einem ausgeprägten Sinn für Humor, halfen ihm dabei, auch die schwierigsten Momente zu überwinden. »Meine Politik«, so pflegte er zu sagen, »lautet: Vater unser im Himmel«. Hierdurch wollte er zum Ausdruck bringen, daß er sich in den Entscheidungen des Lebens und beim Regieren von Gott führen ließ, dem er vollkommenes Vertrauen entgegenbrachte. Auch zeichnete er sich durch eine kindliche Hingabe an die Jungfrau Maria aus, deren Dogma von der Unbefleckten Empfängnis er verkündete.

Ebenso liegt es mir am Herzen, daran zu erinnern, daß Pius IX. dem Heiligen Land einzigartige Aufmerksamkeit schenkte und dort das Lateinische Patriarchat von Jerusalem wiedererrichten wollte. Zu dessen Unterstützung hat er dem Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem eine neue Ordnung gegeben. Während ich voller Freude und Dankbarkeit an die Heiligen Stätten denke, die ich im Verlauf meiner vor kurzem unternommenen Pilgerfahrt ins Heilige Land aufgesucht habe, möchte ich die Delegation unter der Leitung des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Michel Sabbah, grüßen und allen erneut meine tiefempfundene geistliche Nähe zum Ausdruck bringen. Mein besonderer Gruß geht an die Bischöfe und Gläubigen, die aus den Marken, insbesondere aus Senigallia und Imola, hierhergekommen sind.

3. Unter den Verehrern des neuen Seligen Pius IX. ragt einer seiner Nachfolger, Papst Johannes XXIII., besonders heraus. Er wünschte sich – wie er selbst schriftlich vermerkt hatte – ihn zur Ehre der Altäre erhoben zu sehen. Papst Johannes verband mit den christlichen Tugenden eine tiefe Kenntnis des Menschseins in seinen Licht- und Schattenseiten. Seine über lange Zeit gepflegte Leidenschaft für die Geschichte kam ihm hierbei sehr zu Hilfe.

Die grundlegenden Eigenschaften seiner Persönlichkeit erwarb Angelo Giuseppe Roncalli in der Familie. »Jene wenigen Dinge, die ich von euch gelernt habe« – so schrieb er an seine Eltern – »sind noch immer die wertvollsten und wichtigsten. Sie geben mir Halt und schenken den vielen Dingen, die ich später gelernt habe, Leben und Wärme.« Je weiter er im Leben und in der Heiligkeit voranschritt, umso mehr konnte er alle durch seine gelehrte Einfachheit für sich gewinnen.

In der berühmten Enzyklika Pacem in terris schlug er den Gläubigen wie auch den Nichtglaubenden das Evangelium als den Weg vor, auf dem man zum fundamentalen Gut des Friedens gelangt: Er war nämlich davon überzeugt, daß sich der Heilige Geist jedem Menschen guten Willens auf gewisse Weise zu erkennen gibt. Angesichts von Prüfungen ließ er sich nicht in Verwirrung stürzen, sondern er verstand es, stets voller Optimismus auf die verschiedenen Wechselfälle des menschlichen Daseins zu schauen. »Die Sorge um die Gegenwart genügt. Es ist nicht nötig, Phantasie und Sorge auf Zukunftsgebäude zu verwenden« (Giornale dell’Anima – Geistliches Tagebuch, Freiburg, 11. Aufl. 1964, S. 337), so schrieb er 1961 in seinem Geistlichen Tagebuch.

Besonders möchte ich alle jene grüßen, die aus Bergamo und Venedig hierhergekommen sind, begleitet von Kardinal Cé und Bischof Amadei. Mein Wunsch ist, daß das Vorbild von Papst Johannes euch ermutigen möge, immer auf den Herrn zu vertrauen, der seine Kinder auf den Wegen der Geschichte führt.

4. Nun wende ich mich an euch, Gläubige aus Genua, Ventimiglia und aus ganz Ligurien, sowie an die Schwestern von der hl. Martha, um an die lichtreiche Gestalt des Bischofs Tommaso Reggio zu erinnern. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war er als Erzieher in den Priesterseminaren von Genua und Chiavari sowie als Journalist tätig, wobei er mit der Herausgabe der ersten katholischen Zeitung Genuas betraut war. Doch die Vorsehung hatte bestimmt, daß er Oberhirte werden sollte, und so wurde er in die Leitung der Diözese berufen.

Er führte ein außergewöhnlich arbeitsames Leben, doch das Geheimnis seiner zahlreichen Aktivitäten lag stets in seiner tiefen Gemeinschaft mit Gott: »Ich bin Geistlicher« – schrieb er –, »doch es ist geboten, ein Heiliger zu sein… Daher muß man alles daran setzen, heilig zu werden. Koste es, was es wolle, man muß es erreichen… «. Dieses Ideal der Heiligkeit schlug er allen Gläubigen vor: Laien, Priestern, Personen des geweihten Lebens und in besonderer Weise seinen Schwestern. Heute, als Seliger, macht er uns diesen Vorschlag von neuem, wobei er uns vom Himmel aus seine Fürsprache anbietet.

5. Herzlich grüße ich euch alle, die ihr zur Seligsprechung von Pater Guillaume-Joseph Chaminade nach Rom gekommen seid, besonders all jene aus dem Südwesten Frankreichs, wo er seine Ausbildung erfuhr und sein pastorales und missionarisches Leben begann. Einen besonderen Gruß richte ich an die Mitglieder der Ordenskongregationen und der gesamten Familie der Marianisten. Liebe Jugendliche, ihr habt in Pater Chaminade ein Vorbild in der christlichen Lebensführung, die zu einem erfüllten Dasein und zum von Gott verheißenen Glück führt.

Ihr alle, Priester, Ordensmänner- und frauen, die ihr nach dem Charisma von Pater Chaminade lebt, bringt eure Tatkraft in die Kirche ein und seid in der Welt der Sauerteig des Reiches Gottes! Die Persönlichkeit und das Handeln des neuen Seligen, der in allem das Werk Gottes tun wollte, lädt alle Gläubigen zu einer ernsthaften katechetischen Bildung ein, um ihr geistliches Leben entwickeln und festigen zu können und um immer tiefer in die Begegnung mit Christus eintreten zu können. Dies soll besonders durch ein Leben aus den Sakramenten geschehen, das im Schoße der christlichen Gemeinschaft geführt wird. Das Vorbild des neuen Seligen möge euch stets auf Maria blicken lassen, die Mutter der Christen und die Mutter der Jünger ihres Sohnes!

6. Meinen herzlichen Gruß richte ich an all jene, die sich anläßlich der Seligsprechung von Dom Columba Marmion nach Rom begeben haben, insbesondere an die Mitglieder und Freunde der großen benediktinischen Familie, die aus Irland, Belgien und anderen Ländern hierhergekommen sind. Meine Gedanken gehen auch zu den Ordensmänner der Abtei von Maredsous, der Pater Columba als Abt vorstand und wo er sein Amt als geistlicher Leiter ausübte im Dienst an seiner Gemeinschaft und – durch seine Schriften – auch im Dienst an zahlreichen Priestern, Ordensleuten und Laien.

Meinen herzlichen Willkommensgruß weite ich auf die englischsprachigen Pilger aus, die zur Seligsprechung von Dom Columba Marmion hierhergekommen sind.

Diese Seligsprechung lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den besonderen Stellenwert, der dem monastischen Leben in der Kirche zukommt. Irland, das Geburtsland Marmions, hat diesbezüglich eine lange und reiche Tradition. Im benediktinischen Geiste fest verwurzelt, war der sel. Columba, als kontemplativer Mensch und Apostel, ein außergewöhnlicher Lehrer im inneren Leben, das auf der Meditation des Wortes Gottes, der Feier der Liturgie und dem persönlichen Gebet gründet. Der sel. Columba Marmion möge uns alle dabei unterstützen, unser christliches Leben immer intensiver zu führen und zu einem immer tieferen Verständnis von unserer Zugehörigkeit zur Kirche, dem mystischen Leib Christi, zu gelangen. Gott segne euch alle!

7. Liebe Brüder und Schwestern! Das Große Jubiläumsjahr lädt uns alle zu einer Pilgerfahrt zu Christus ein. Zu jener Pilgerfahrt, die die neuen Seligen unter großem Einsatz und Mühen unternommen haben, indem sie das »enge Tor« durchschritten haben, das Christus ist. Eben deswegen sind sie nun seiner Herrlichkeit teilhaftig geworden. Von ihrem Beispiel geleitet und von ihrer Fürsprache unterstützt, sollen auch wir unsere Schritte hin zur himmlischen Heimat lenken.

Hierzu rufe ich auf euch alle den mütterlichen Schutz der allerseligsten Maria und der neuen Seligen herab und segne euch von Herzen.

 

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