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ANSPRACHE DES PAPSTES JOHANNES PAUL II. 
AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER RUMÄNIENS 
BEIM HEILIGEN STUHL AUS ANLAß DER ÜBERGABE DER BEGLAUBIGUNGSSCHREIBEN

Samstag, 1. Juni 2002

 

Herr Botschafter!

1. Von Herzen entbiete ich Ihnen meinen Willkommensgruß und nehme gerne das Beglaubigungsschreiben entgegen, mit dem Herr Ion Iliescu, der Präsident der Republik Rumänien, Sie als neuen außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter beim Hl. Stuhl akkreditiert. Ich bekunde dem Staatsoberhaupt des Landes, das Sie vertreten, meine Dankbarkeit für die Worte der Hochachtung und Wertschätzung, die er durch Sie an mich hat richten wollen, Worte und Empfindungen, die ich herzlich erwidere.

Die heutige Begegnung erinnert mich an jenen außergewöhnlichen, lange erwarteten Besuch, den ich dem Land Rumänien vom 7. bis 9. Mai 1999 abstattete und von dem in meinem Herzen ein tiefer Widerhall verblieben ist. Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch den verehrten und hochgeschätzten Kardinal Alexandru Todea brüderlich in die Arme schließen, den der Herr vor kurzem in die ewige Herrlichkeit gerufen hat. Die Herzlichkeit, mit der ich damals empfangen wurde, hat mich den lebendigen Glauben eines Volkes erahnen lassen, das sich seit den Anfängen seiner Geschichte an der christlichen Botschaft ausgerichtet und sie zum Leitbild seiner nationalen Identität gemacht hat.;

Nach den traurigen und schmerzhaften Jahren der kommunistischen Gewaltherrschaft hat Rumänien den Weg der Demokratie eingeschlagen. Beredtes Zeugnis für die Reife dieser Wende ist der friedliche Wechsel der Regierungsparteien. Es ist mein inniger Wunsch, daß dieser Weg beharrlich fortgesetzt wird, so daß Rumänien immer deutlicher und entschlossener seine Stimme in Europa und in der Welt hörbar zu machen vermag.

2. Es ist die gemeinsame Überzeugung vieler, daß die Reformen auf demokratischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, die im Land seit einiger Zeit in vollem Gange sind, einen guten Stand erreicht haben und trotz mancher Entbehrungen dennoch zum Wohle aller gute Früchte tragen. Es handelt sich um Anstrengungen, die neben dem angestrebten Fortschritt im Lande selbst auch die aussichtsreiche Eingliederung Rumäniens in die Europäische Union fördern sowie die Integration des Landes in andere regionale und internationale Organisationen betreiben, die dem Land sicherlich helfen werden, in Frieden und Sicherheit zu wachsen.

Auf diesem Weg der Erneuerung bietet die Kirche mittels ihrer Einrichtungen und entsprechend ihrer Befähigung ihren eigenen Beitrag an. Bekannt sind unter anderem die Bemühungen, die die katholische Gemeinschaft im sozialen Bereich sowie auf Ebene des Schul- und Gesundheitswesens unternimmt – neben ihrem schwierigen geistlichen Dienst der Evangelisierung und der Seelsorge. Das Evangelium stellt für das rumänische Volk in vielen seiner historisch bedeutsamen Momente, die im christlichen Glauben ihren beseelenden Ursprung haben, eine wahre Inspirationsquelle dar.

Wie sollte man im Lichte dieser so bedeutsamen geistlichen Ursprünge nicht die Anstrengungen und Aufrufe seitens der Protagonisten des öffentlichen Lebens zu einem Verhalten von strahlender Ehrenhaftigkeit ermutigen? Die Erfüllung der eigenen Pflichten gemäß dem Gebot und dem Geist der Rechtmäßigkeit trägt dazu bei, zu verhindern, daß die Reformen behindert, die Achtung der Rechte aller geschwächt und somit letztlich das Vertrauen in die Verläßlichkeit der staatlichen Institutionen enttäuscht wird. Außerdem, je geeinter und solidarischer die rumänische Nation ist, umso mehr wird sie ihre verschiedenen Glieder schätzen, ohne hierbei eine bestimmte ethnische Gruppe zu bevorzugen, sondern indem sie auf eine Weise handelt, daß alle Staatsbürger sich als wichtiger Bestandteil fühlen.

3. Während meines Besuchs in Rumänien konnte ich mich persönlich von dem guten Willen überzeugen, der die Beziehungen zwischen der orthodoxen Kirche, die die Mehrheit im Lande bildet, und der katholischen Kirche beseelt. Voll Bewunderung erinnere ich mich an die Worte von Seiner Heiligkeit Patriarch Teoctist, eines mir sehr teuren Bruders: In ihnen habe ich das tiefe Wissen um die Verpflichtung vernommen, gemeinsam zu wirken für die Verkündigung des einzigen Evangeliums Christi – der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist – im gegenseitigen Respekt voreinander und in tatkräftiger Zusammenarbeit.

Ich weiß, daß es zahlreiche Initiativen ökumenischer Art gibt und sich in verschiedenen Diözesen ein Klima wahrer Brüderlichkeit entwickelt hat, das getragen ist von gegenseitiger Liebe und Unterstützung. Ich bete, daß sich solche Gelegenheiten vervielfachen mögen, so daß wir vollkommener Christus gehorchen können, der seine Jünger bittet, eins zu sein (Joh 17, 11).

4. Sicherlich mangelt es nicht an Schwierigkeiten, aber durch den Beitrag aller können sie überwunden werden. Es ist mein tiefer Wunsch, daß beispielsweise die Übereinkünfte, die zwischen den Verantwortlichen der orthodoxen Kirche und denen der katholischen Kirche und des Hl. Stuhls hinsichtlich der kirchlichen Strukturen getroffen wurden, in die Tat umgesetzt werden. Anläßlich meines Aufenthaltes in Bukarest sagte ich diesbezüglich: »Das Ende der Verfolgungen hat ihnen die Freiheit wiedergegeben, aber das Problem der kirchlichen Strukturen wartet immer noch auf eine endgültige Lösung. Möge der Dialog der Weg zur Heilung noch offener Wunden und zur Lösung noch bestehender Schwierigkeiten sein« (Ansprache an Patriarch Teoctist und andere Mitglieder des Hl. Synod; in: O.R. dt., Nr. 21, S. 11–12 v. 21.5.1999). Trotz aller gebotenen Umsicht wird es nötig sein, daß sich die gemischte Kommission der tatsächlichen Notwendigkeit bewußt wird, die sich der katholischen Kirche hinsichtlich der Nutzung der kirchlichen Gebäude stellt.

Es ließe sich sicherlich der gegenseitige Respekt und die Zusammenarbeit verstärken, wenn sich die zivilen Behörden der Aufgabe annähmen, nicht nur bei der Suche angemessener Lösungen zu helfen, sondern, dem Gerechtigkeitssinn entsprechend, das konfiszierte Kirchengut zurückzuerstatten, um auf diese Weise der katholischen Kirche zu ermöglichen, daß sie bei der Erfüllung ihrer Mission über diese Güter verfügen kann. Es darf nicht vergessen werden, daß man den Christen umso mehr helfen wird, all ihre Kräfte für das Wohl der ganzen Gesellschaft einzusetzen, je mehr man versucht, die Wunden der Vergangenheit zu heilen, die stets potentielle Anlässe zu Auseinandersetzungen sind.

5. Herr Botschafter, die Kirche bemüht sich in der Ausübung ihrer Mission, den Menschen zur gelungenen Verwirklichung seiner Berufung zu führen. Deshalb wünscht sie, dem Menschen in den verschiedenen Situationen seines Lebens zu begegnen: in der Familie, in der Schule, in der Welt der Arbeit und der Kultur, in den Krankenhäusern und in jedem anderen Bereich seines Lebens. In der Tat ist sie sich bewußt, daß sie jedem Menschen eine Botschaft der Hoffnung und heilige Gaben zu bieten hat.

Auch aus diesem Grund ist es mein sehnlicher Wunsch, daß es der Staat der Kirche ermöglichen wird, einen regelmäßigen Dialog mit den öffentlichen Behörden zu führen mit dem Zweck, Übereinkünfte über die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen des sozialen Lebens zu erzielen. Die Kirche erbittet für sich keine Privilegien oder Immunität. Im Gegenteil, getreu der ihr eigenen Zielrichtung wünscht sie vielmehr, jeder Person im Namen Christi zu dienen, und die Erfüllung ihrer Sendung ist umso dringender, wenn der Mensch leidet oder sich in einer schwierigen Situation befindet. Ich denke hier an die zahlreichen Probleme, die sich aus dem Mangel an Arbeitsplätzen ergeben, an die Auswanderung, an die Zerrüttung der Familien sowie an die Hindernisse, die es den Jugendlichen erschweren, mit Gelassenheit in die Zukunft zu blicken.

6. Herr Botschafter, in dem Augenblick, da Sie nun dieses hohe Amt übernehmen, das Ihnen der Präsident der Republik übertragen hat, möchte ich Sie gerne dessen versichern, daß Sie unter meinen Mitarbeitern stets Personen finden werden, die bereit sind, Ihnen jede für die Erfüllung Ihrer Pflichten notwendige Unterstützung zu geben. Ich wünsche Ihnen von Herzen, daß Sie mit Ihrer Tätigkeit dazu beitragen, das bereits bestehende feste Band zwischen Ihrem Land und dem Hl. Stuhl weiter zu festigen, und erbitte für Sie sowie für das geliebte rumänische Volk den überreichen göttlichen Segen.

 

© Copyright 2002 - Libreria Editrice Vaticana

 



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