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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN GEORGES SANTER, BOTSCHAFTER DES
GROßHERZOGTUMS LUXEMBURG BEIM HL. STUHL*

Donnerstag, 16. Dezember 2004

 

Herr Botschafter,

1. Mit großer Freude empfange ich Eure Exzellenz aus diesem feierlichen Anlaß der Übergabe des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Großherzogtums Luxemburg beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden.

Ich danke Ihnen nachdrücklich, Herr Botschafter, für die herzlichen Grußworte, die Sie im Namen Seiner Königlichen Hoheit, Großherzog Henri, an mich gerichtet haben. Ich erinnere mich gerne an seinen kürzlichen Besuch und bin immer empfänglich für seine gewissenhafte Aufmerksamkeit gegenüber dem Heiligen Stuhl. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm als Antwort meine hochachtungsvollen Wünsche für seine Person, die großherzogliche Familie wie auch das ganze luxemburgische Volk übermitteln.

2. In dieser Zeit des Jahres, wo unser Blick auf den Fürst des Friedens gerichtet ist, der kommen wird (vgl. Jes 9,5), spüren wir lebhafter das Drama der Gewalt und des Krieges, das so viele unserer Zeitgenossen bedrückt, und wir empfinden die dringende Notwendigkeit, eine Zukunft des Friedens für alle Menschen zu schaffen.

Die katholische Kirche hat oft daran erinnert, daß der Friede und die Entwicklung sich gegenseitig bedingen. In der Stunde des weltweiten Austauschs haben daher die reicheren Länder eine besondere Verantwortung für den Aufbau des Friedens. Die Länder Europas, die sich ursprünglich vereint haben, um den Rückgriff auf den Krieg abzuwenden und die Bedingungen für einen dauerhaften Frieden zwischen ihnen zu schaffen, bilden heute im Herzen der europäischen Union einen mächtigen politischen und wirtschaftlichen Pol, der auch eine besondere Verpflichtung im Hinblick auf die Entwicklung und den Frieden hat. Weit davon entfernt, nur eine kleine Insel des Friedens und des Wohlstands sein zu wollen, die auf sich selbst beschränkt ist und sich gegen Übergriffe von außen schützt, muß Europa sich weiterhin als offen und beispielhaft zeigen. Tatsächlich wird es seine wirkliche Sendung annehmen, wenn es seine ökonomischen, sozialen, religiösen und kulturellen Reichtümer teilt und die der anderen annimmt. Ich zweifle nicht daran, daß Ihr Land, das in Kürze die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernehmen wird, in diese Richtung arbeitet, indem es insbesondere dazu beitragen wird, daß der Integrationsprozeß, der zur Zeit zwischen dem Westen und dem Osten des europäischen Kontinents im Gange ist, von dem notwendigen Dialog begleitet wird und von der Intensivierung des Austausches zwischen dem Norden und dem Süden unseres Planeten.

3. Ihr Land, Herr Botschafter, ist im heutigen Europa eines der am weitesten entwickelten Länder und seine Bevölkerung erfreut sich eines sehr hohen Lebensstandards. Ihres Reichtums und der daraus entstehenden Verpflichtungen bewußt, erfüllt die luxemburgische Gesellschaft vollkommen ihre Pflicht zur Solidarität mit den ärmsten Ländern, besonders auf dem afrikanischen Kontinent. Ich lade Ihre Landsleute ein, weiter zur Aufnahme der Fremden bereit zu sein, die einen großen Teil der Bevölkerung des Landes ausmachen. Gleicherweise mögen sie sich bemühen, Bande der Gastlichkeit zwischen den verschiedenen Schichten der Gesellschaft zu knüpfen, um das Phänomen der sozialen Ausgrenzung zu vermeiden, das zu häufig auch die am weitesten entwickelten Gesellschaften der Welt von heute beeinträchtigt.

4. Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, daß Ihre Regierung die Absicht hat, die Familien zu unterstützen, indem sie die Hilfsstrukturen für die Kinder verstärkt, und auch entschieden hat, die Programme des Religionsunterrichts in den weiterführenden Schulen beizubehalten. Denn die jungen Generationen müssen von einer soliden Ausbildung profitieren, um sich auf die Übernahme ihrer Verantwortung in der Gesellschaft von morgen vorzubereiten.

Sie brauchen besonders die Motivation durch große Ideale der Freiheit, des Respekts und der Gerechtigkeit zwischen den Personen und den Völkern, und der Würde für alle, welches auch die Ideale der Religion sind. Wenn sie ein klares Bewußtsein von den Werten haben, die ihre Geschichte und ihre Kultur begründen, und aus ihnen neue Energien schöpfen, können die Jugendlichen sich mit einem größeren Vertrauen auf die Zukunft ausrichten und sich für deren Aufbau mit Freigebigkeit und Seelengröße einsetzen. Dann werden sie einen wirklich uneigennützigen Sinn für ihr Leben finden, der größere Freude und Entfaltung für sie bedeutet als die unmittelbare Befriedigung der materiellen Bedürfnisse, in die sie eine rein merkantile Denkweise und eine hedonistische Sicht der Bestimmung des Menschen einschließen will.

Um sie in ihrer ganzheitlichen Entwicklung zu unterstützen, wird eine solche Ausbildung ebenso ihr inneres Leben fördern und ihr Gewissen bilden im Hinblick auf die zu treffenden Entscheidungen, die mit der Würde der Person übereinstimmen.

5. Die Kirche, die keinen Vorteil für sich selbst sucht, hat auch den Auftrag, unsere Gesellschaften an die machtvolle Anforderung eines dem Evangelium entsprechenden Ideals zu erinnern. Deshalb verteidigt sie mit solcher Überzeugung den unveräußerlichen Wert des menschlichen Lebens von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, wie auch die Größe der Ehe zwischen Mann und Frau als Grundlage der Familie und der Gesellschaft. In dieser Eigenschaft erlaubt sie sich, in die Debatten der Gesellschaft einzugreifen, um an das zu erinnern, was der Würde des Menschen dient und was sie dagegen manchmal schwer verletzt. Außerdem will sie die Regierungen einladen, die Wichtigkeit der ökonomischen, politischen und ethischen Entscheidungen zu ermessen, an die sie gebunden sind, um eine immer menschlichere Gesellschaft aufzubauen.

6. Durch Sie, Herr Botschafter, freue ich mich, den Erzbischof von Luxemburg, Fernand Franck, zu grüßen sowie die Priester, Diakone und alle Gläubigen, welche die katholische Gemeinschaft des Großherzogtums bilden. Ich weiß, daß sie von Herzen ein aktive Rolle im Leben des Landes übernehmen und sich bemühen, den christlichen Gemeinschafen ein Gesicht zu verleihen, das alle und vor allem die Kleinen aufnimmt.

7. In dem Augenblick, wo Sie Ihre edle Mission beim Heiligen Stuhl übernehmen, möchte ich Ihnen, Herr Botschafter, meine herzlichen Wünsche aussprechen. Seien Sie versichert, daß Sie bei meinen Mitarbeitern immer herzliche Aufnahme und wohlwollende Hilfe finden werden.

Auf Eure Exzellenz, Ihre Familie und alle Ihre Mitarbeiter wie auch auf das luxemburgische Volk rufe ich von ganzem Herzen den Reichtum des göttlichen Segens herab.


*L'Osservatore Romano n.1 p.8.

 

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