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APOSTOLISCHE REISE NACH RIO DE JANEIRO
ANLÄSSLICH DES WELTTREFFENS DER FAMILIEN (2.-6. OKTOBER 1997)

BEGEGNUNG MIT DEN BISCHÖFEN UND DELEGIERTEN
DES PASTORALTHEOLOGISCHEN KONGRESSES
 

ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.

Kongresszentrum «Rio Centro» (Rio de Janeiro ) - Freitag, 3. Oktober 1997

   

Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt,
liebe Kongreßteilnehmer!

1. Es ist für mich eine große Freude, die Familien zu treffen, die als Vertreter der verschiedenen Nationen an diesem, im Hinblick auf das zweite Welttreffen der Familien veranstalteten pastoraltheologischen Kongreß teilnehmen. Ich begrüße euch alle, ehrwürdige Brüder des Episkopats von Brasilien, von Lateinamerika und aus der ganzen Welt, und ebenso gilt mein Gruß den anwesenden Familien und allen, die durch sie vertreten sind. Ich bitte den Allmächtigen um überströmende Gnaden an Weisheit und Stärke. Sie mögen ein Antrieb sein, erneut mit festem Glauben das Leitwort zu bekräftigen: »Die Familie: Geschenk und Verpflichtung, Hoffnung der Menschheit«. Gern möchte ich nun mit euch zusammen über einige Wege und Erfordernisse der vor euch liegenden apostolischen und pastoralen Arbeit mit den Familien nachdenken.

Einige der Erwägungen waren bereits Gegenstand aufmerksamen Studiums beim pastoraltheologischen Kongreß. Ich lege sie in besonderer Weise euch Bischöfen vor, die ihr als Lehrer des Glaubens und Hirten der Herde berufen seid, der Familienpastoral neuen Schwung zu geben. Ich danke Kardinal Alfonso López Trujillo, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Familie, für seine Grußworte, und ich fordere die Teilnehmer - Delegierte der Bischofskonferenzen, der Bewegungen, Vereinigungen und Gruppen aus aller Welt - auf zu weiterer Vertiefung und eifriger Verbreitung der Früchte dieser Arbeit, die in voller Treue zum kirchlichen Lehramt unternommen wurde.

2. Der Mensch ist der Weg der Kirche. Und die Familie ist der wichtigste Ausdruck dieses Weges. Im Brief an die Familien habe ich geschrieben: »Das göttliche Geheimnis der Fleischwerdung des Wortes steht in enger Beziehung zur menschlichen Familie. Nicht nur zu einer Familie, jener von Nazaret, sondern in gewisser Weise zu jeder Familie, entsprechend der Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Sohn Gottes, der «sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat» (Gaudium et spes, 22). In der Nachfolge Christi, der in die Welt »gekommen« ist, »um zu dienen« (Mt 20, 28), sieht die Kirche den Dienst an der menschlichen Familie als eine ihrer wesentlichen Aufgaben an. In diesem Sinne stellen sowohl der Mensch wie die Familie «den Weg der Kirche» dar« (Gratissimam sane, 2).

Das Evangelium wirft also Licht auf die Würde des Menschen und befreit von allem, was die Sicht vom Menschen und seiner Wahrheit verarmen lassen könnte. In Christus erkennt der Mensch die Größe seiner Berufung als Abbild und Kind Gottes; in Ihm offenbart sich der ursprüngliche Plan Gottes, des Vaters, über den Menschen in seinem vollen Glanz, und in Christus kommt dieser ursprüngliche Plan zu seiner vollen Verwirklichung. Und ebenso tritt die Familie, dieser erste und bevorzugte Ausdruck der menschlichen Gesellschaft, in Christus voll ins Licht; in ihm findet sie die volle Fähigkeit zur Verwirklichung nach den Liebesplänen des Vaters.

»Wenn daher Christus «dem Menschen den Menschen selbst voll kundmacht», tut er das angefangen von der Familie, in die er hineingeboren werden und in der er aufwachsen wollte« (Gratissimam sane, 2). Christus, lumen gentium, das Licht der Völker, erleuchtet die Wege der Menschen, vor allem erhellt er die innigste Lebens- und Liebesgemeinschaft der Eheleute, die notwendige Straßenkreuzung im Leben der Menschen und der Völker, wo ihnen immer Gott entgegenkommt.

Das ist der heilige Sinn und Zweck der Ehe, wie er, trotz der durch die Erbsünde verursachten Schatten, sich irgendwie in allen Kulturen vorfindet und in der Offenbarung eine herausragende Höhe und größten Wert gewinnt: »Wie nämlich Gott einst durch den Bund der Liebe und Treue seinem Volk entgegenkam, so begegnet nun der Erlöser der Menschen und der Bräutigam der Kirche durch das Sakrament der Ehe den christlichen Gatten. Er bleibt fernerhin bei ihnen, damit die Gatten sich in gegenseitiger Hingabe und ständiger Treue lieben, so wie er selbst die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat« (Gaudium et spes, 48).

3. Die Familie ist für den Menschen keine nebensächliche und äußerliche Struktur, die seine Entfaltung und seine innere Dynamik behindert. »Der Mensch ist aus seiner innersten Natur ein gesellschaftliches Wesen; ohne Beziehung zu den andern kann er weder leben noch seine Anlagen zur Entfaltung bringen« (ebd., 12). Weit davon entfernt, ein Hindernis für die Entfaltung und das Wachstum der Person zu sein, ist die Familie vielmehr das bevorzugte Umfeld, um alle persönlichen und sozialen Möglichkeiten, die der Mensch in sich trägt, zum Wachsen zu bringen.

Die auf die Liebe gegründete und durch die Liebe lebendig erhaltene Familie ist der Ort, an dem jeder Mensch berufen ist, jene Liebe zu erfahren, sich zu eigen zu machen und mitzuteilen, ohne die kein Mensch leben kann und ohne die sein Leben ohne Sinn wäre (vgl. Redemptoris missio, 10; Familiaris consortio, 18).

Die Dunkelheiten, die heute das Verständnis vom Menschen umhüllen, verdunkeln in erster Linie und direkt die Wirklichkeit und die Ausdrucksformen, die ihm angeboren sind . Die Person und die Familie erfahren parallel Hochachtung und Anerkennung ihrer Würde, aber auch Angriffe und Versuche zu ihrer Zersetzung. Die Größe und Weisheit Gottes wird sichtbar in seinen Werken. Heute scheint es nun, daß die Feinde Gottes, statt den Urheber der Schöpfung frontal anzugreifen, es vorziehen, ihn in seinen Werken zu treffen. Und der Mensch ist der Gipfel, das Höchste seiner sichtbaren Geschöpfe. »Gloria enim Dei vivens homo, vita autem hominis visio Dei« [Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch; das Leben des Menschen die Gottesschau] (Hl. Irenäus, Adv. haer., 4,20,7; zit. nach: Lektionar, Heft 5, S. 294).

Unter den infolge der zunehmenden Säkularisierung und der vorherrschenden Genußsucht im Herzen des Menschen verdunkelten Wahrheiten, sind es ganz besonders alle jene, die die Familiebetreffen. Um die Familie und das Leben findet heute der grundlegende Kampf um die Würde des Menschen statt. An erster Stelle wird hinsichtlich der ehelichen Gemeinschaft weder das Element der gleichen Würde der Gatten noch das der notwendigen Verschiedenheit und gegenseitigen sexuellen Ergänzung anerkannt und respektiert. Die unveränderte eheliche Treue und die Achtung vor dem Leben in allen Phasen seiner Existenz werden zerrüttet von einer Kultur, die die Transzendenz des nach Gottes Bild geschaffenen Menschen nicht zugibt. Wenn es den zersetzenden Kräften des Bösen gelingt, die Ehe von ihrer Sendung hinsichtlich des menschlichen Lebens zu trennen, greifen sie die Menschheit an und berauben sie einer der wesentlichen Garantien für die Zukunft.

4. Der Papst hat nach Rio de Janeiro kommen wollen, um euch mit offenen Armen zu grüßen, wie Christus, der Erlöser, dessen Standbild von der Höhe des Corcovado aus diese wunderbare Stadt beherrscht. Und er ist gekommen, um euch im Glauben zu bestärken und euch zu unterstützen in eurem Bemühen, für die Werte des Evangeliums Zeugnis zu geben. Darum darf, angesichts der zentralen Probleme der Person und ihrer Berufung, die Pastoraltätigkeit der Kirche sich nicht nur ausschnittsweise auf gewisse Teilbereiche ihres Apostolats beziehen. Es muß eine Pastoraltätigkeit unternommen werden, bei der die zentralen Wahrheiten des Glaubens ihre evangelisierende Kraft in die verschiedenen Lebensbereiche ausstrahlen, besonders in den der Familie. Das ist eine vorrangige Aufgabe, begründet »in der Gewißheit, daß die Evangelisierung in Zukunft großenteils von der Hauskirche abhängen wird« (Familiaris consortio, 65). Aufwachen ist notwendig, und es muß eine gemeinsame Front gebildet werden, gestützt auf die zentralen Wahrheiten der Offenbarung und von ihnen inspiriert, wobei die Person Gesprächspartner und die Familie die treibende Kraft ist.

Daher müssen die Hirten sich immer mehr der Tatsache bewußt sein, daß der Einsatz in der Familienpastoral sorgfältig ausgebildete Personen erfordert, und daß es folglich in den Bischofskonferenzen und den Diözesen entprechend angemessener Strukturen bedarf, die als dynamische Zentren für die Evangelisierung, den Dialog und gemeinsam geplante Unternehmungen dienen, mit gut ausgearbeiteten Projekten und Pastoralplanungen.

Gleichzeitig möchte ich zu allen Bemühungen um Förderung angemessener organisatorischer Strukturen im nationalen wie im internationalen Bereich ermutigen, die die Aufgabe übernehmen, einen konstruktiven Dialog mit den politischen Instanzen anzuknüpfen, von denen zum guten Teil das Los der Familie und ihrer Sendung im Dienst des Lebens abhängt. Die geeigneten Wege finden, um weiterhin der Welt wirksam die grundlegenden Werte des Planes Gottes vorzulegen, heißt, sich dafür einsetzen, daß die Zukunft der Menschheit sichergestellt wird.

Im folgenden wechselte der Papst von der portugiesischen zur spanischen Sprache:

5. Abgesehen von der Notwendigkeit, zu erleuchten und zu klären und die Anwesenheit der Kirche als Sauerteig, Licht und Salz der Erde zu stärken, damit das Leben der Menschen nicht in Unordnung gerät, muß auch den Pastoralprogrammen Vorrang gegeben werden, die die Bildung echt christlicher Familien fördern und in den Ehegatten die hochherzige Bereitschaft mehrt, in ihrem Leben die Wahrheiten Gestalt werden zu lassen, die die Kirche für die menschliche Familie vorlegt.

Die christliche Auffassung von Ehe und Familie verändert nicht die geschöpfliche Wirklichkeit, sondern erhöht noch das, was wesentlich zur ehelichen Gemeinschaft gehört: die Gemeinsamkeit der Gatten, die neues Leben zeugen, die Kinder erziehen und sie in die Gesellschaft eingliedern, und das feste Band der persönlichen Gemeinschaft unter den Familienmitgliedern.

... auf portugiesisch:

6. Heute rufe ich in diesem Kongreßzentrum - dem »Riocentro« - auf euch, Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, Vertreter der verschiedenen Bischofskonferenzen der ganzen Welt, und über die Delegierten des pastoraltheologischen Kongresses und ihre Familiendas Licht und die Glut des Heiligen Geistes herab. An ihn wendet sich die Kirche, auf daß er über alle seine heiligende Gegenwart ausgieße und in der Braut Christi »den missionarischen Eifer erneuere, damit alle zur Erkenntnis Christi gelangen, des wahren Gottessohnes und wahren Menschensohnes« (vgl. Gebet für das erste Jahr der Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2000). Morgen werden wir im Maracanastadion Lebenszeugnisse von Eheleuten aus verschiedenen Ländern hören, gemeinsam mit euch allen, die ihr den unendlichen Reichtum, die Sorgen und Hoffnungen eurer Kirchen und eurer Völker hiergergebracht habt. Das wird den Rahmen zu der Eucharistiefeier am Sonntag auf dem »Aterro do Flamengo« bilden, in der wir im Licht des Glaubens das Geheimnis des lebendigen, vom Himmel herabgekommenen Brotes erleben, das Manna der Familien, die Gott entgegenpilgern!

Ich habe den Wunsch, daß durch die Fürsprache Marias, der heiligsten Jungfrau, die Früchte dieses unseres Treffens bereite Herzen finden mögen, um das Licht des Höchsten mit neuem missionarischem Eifer aufzunehmen im Hinblick auf eine neue Evangelisierung der Familie und der ganzen menschlichen Gesllschaft. Möge der Geist des Vaters und des Sohnes, der auch der Geist der Liebe ist, uns allen den Segen und die Gnade gewähren, die ich den Söhnen und Töchtern der Kirche und der ganzen Menschheitsfamilie übermitteln möchte.

»Dieser Platz, die Stadt Rio de Janeiro, ruft eine Inspiration hervor. Denn man sieht beständig diese göttliche Architektur und auch die menschliche Architektur. Doch die göttliche Architektur herrscht vor, sie ist der menschlichen überlegen. Man sieht aber auch, daß der Mensch ein Architekt ist; der Mensch ist ja das Abbild Gottes. Diese Architektur-Inspiration ist bedeutsam für die Familien, denn auch die Familie als Hauskirche ist eine göttliche und menschliche Architektur. Die Familie bedarf dieser göttlichen und menschlichen Architektur, um zu leben, von Dauer zu sein und in ihrem Heim Gott zu begegnen. Das ist ein abschließender Gedanke, den mir die Architektur eingibt.«

»Dieses Lied ist aus dem Jahr 1980, vom ersten Besuch. Da war der Papst noch viel jünger.«

»Der Herr will gewiß alle Familien der Welt segnen. Ich grüße alle Anwesenden und alle, die ihr vertretet. Bis zum nächsten Mal! Bis morgen! Da komme ich wieder.

Wenn Gott Brasilianer ist, dann ist der Papst «carioca»; aber in Porto Alegre sagen sie, der Papst ist «gaúcho», und auch in Bahia.

Adeus, bis nächstes Mal, bis morgen!«

  



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