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ANSPRACHE VON PAPST PIUS XII.
AN DIE OBEREN UND STUDENTEN DES PÄPSTLICHEN
"COLLEGIUM GERMANICUM ET HUNGARICUM"*

 Thronsaal 
Donnerstag, 12. Oktober 1944

 

Ihr seid gekommen, geliebte Söhne, um Uns an eurer Freude über die glückliche, wenn auch noch nicht ganz abgeschlossene Vollendung des Neubaus eures Kollegs teilnehmen zu lassen, und um für ihn wie für eure ganze Kollegsfamilie den Apostolischen Segen zu erhalten. Wir beglückwünschen euch zu dem neuen Heim, von dem Wir viel Rühmens hören, und bedauern nur, wegen der Ungunst der Zeit nicht der Vollzahl der gegenwärtigen Generation des "Collegium Germanicum-Hungaricum" und nicht einer größeren Gruppe seiner Alt-Alumnen den Willkommemsgruß entbieten zu können.

Der Einzug in euer neues Heim lädt ein zu Rückblick und Ausblick. Rückblickend kann das "Collegium Germanicum et Hungaricum" auf eine lange and stolze Geschichte schauen. Das Hauptverdienst um sein Werden und erstes Aufblühen kommt einem Heiligen zu, dessen Gestalt ganz groß dasteht unter den Erneuerern der Kirche im 16. Jahrhundert, und einem Papst, den wegen seiner überragenden Verdienste um die Rettung der Kirche in deutschen Landen der hl. Petrus Canisius mit richtigem Gefühl den «vere Germanicus Pontifex Maximus» nannte (Beati Petri Canisii S. J. Epist. et Acta, ed. Otto Braunsberger, Bd. VIII S. 147). Euer Kolleg war das Vorbild für die tridentinischen Seminare, die dem Klerus der letzten Jahrhunderte stark sein Gepräge gegeben haben (Vgl. Steinhuber, Geschichte des Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom, 1, 2. Aufl. 1906, S. 58-61). An der Erhaltung und Erneuerung des der Kirche verbliebenen Besitzstandes wie an der Rückgewinnung verlorenen katholischen Bodens von Holland bis Ungarn-Siebenbürgen, von den Alpen bis in die Ostseeländer haben die Söhne eures Hauses ungewöhnlich erfolgreich mitgearbeitet. Wenn man die Annalen des Kollegs durchblättert, ist man erstaunt zu sehen, wie viele hervorragende kirchliche Führer, Bischöfe und Domherren, Lehrer und Erzieher und wahrhaft seeleneifrige Priester es den Heimatländern geschenkt hat.

So ist es ganz natürlich, dass das Werk des hl. Ignatius und Gregors XIII. sich durch die Jahrhunderte der besonderen Gunst Unserer Vorgänger erfreute. Wir verstehen das um so mehr, als Wir in den langen Jahren Unserer Tätigkeit als Apostolischer Nuntius in Deutschland mit dem Leben und Wirken der Katholiken jenseits der Alpen eng vertraut wurden und den segensvollen Beitrag eures Hauses zum religiösen Aufbau dortselbst hochschätzen lernten. Ihr dürft versichert sein, dass Wir seinen Gang in die Zukunft mit sorgender Liebe begleiten und, wo es nötig sein sollte, ihm immer Unsere Hilfe werden angedeihen lassen.

Fassen Wir nun jene Zukunft ins Auge, so glauben Wir sagen zu dürfen, dass ihr jetzt nicht nur in ein neues Heim einzieht; der Krieg und das Kriegsende werden vielmehr wohl für die Gesamtentwicklung eurer Stiftung einen merkbaren Einschnitt bedeuten. Die Wirkungen des gegenwärtigen erschütternden Geschehens werden für alle beteiligten Länder und auch für das kirchliche Leben in ihnen viel zu tiefgehend sein, als dass ein für Mitteleuropa so zentrales kirchliches Institut wie das eure davon unberührt bleiben könnte.

Nach einer Richtung freilich ist eurem Hause der Weg in die Zukunft klar gewiesen: sein Geist wird derselbe sein wie in den vergangenen Jahrhunderten. 

Wir spüren diesen Geist zunächst in der Atmosphäre, die euer tagtägliches Leben erfüllt und die eine der edelsten Gestalten unter den Germanikern des 19. Jahrhunderts, Franz Hettinger, treffend gekennzeichnet hat mit den drei Worten: reges wissenschaftliches Streben, echte Frömmigkeit, aufrichtige Bruderliebe (Aus Welt und Kirche, Freiburg. i. B., 4. Aufl. 1897, S. 14). Diese Dreiheit bezeichnet in der Tat die traditionelle Haltung des jungen Germanikers. Sie hat das Gemeinschaftsleben im Kolleg frisch und gesund erhalten. Sie war der stets fruchtbare Nährboden, aus dem dasselbe edle, fähige, gotterfüllte Priester zog. Echte Frömmigkeit : Vergesst nicht, dass das einzig sichere Zeichen einer solchen der Verzicht auf sich selbst, die Selbstüberwindung ist. Kein Lehrer des geistlichen Lebens hat dies so scharf betont wie der erste heilige Gründer eures Hauses in seinen geistlichen Übungen (Schluss der Zweiten Woche). Die Statuten, die Regeln und die Lebensordnung eures Kollegs stellen denn auch, was Selbstüberwindung angeht, erhebliche Ansprüche an den jungen Mann. Aber haltet das Bewusstsein dafür in euch lebendig, dass gerade darin die Stärke seiner Priesterbildung lag und dass sie darin auch immer liegen wird.

Wir finden den Geist eures Hauses sodann in der Treue zur Kirche. Der hl. Petrus Canisius, der den Anfängen des Kollegs so nahe stand, hat von ihm vor allem Priester erhofft, die fest auf dem Felsen Petri gegründet seien (Epist. et Act. p. 15o). Dieser Wunsch des zweiten Apostels Deutschlands ist in Erfüllung gegangen. Ja, man kann sagen, dass das Sentire cum Ecclesia das Rückgrat, der innere Sinn eurer Stiftung war. Die Männer, die aus ihr hervorgegangen, haben ein nicht geringes Verdienst daran, wenn in ihren Heimatländern trotz der Stürme der Glaubensneuerung die Liebe zur Kirche und die Treue zum Stellvertreter Christi wieder mehr und mehr erstarkten und der katholischen Haltung schliesslich geradezu ihr Gepräge gaben. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn Wir hier das Geheimnis des besonderen Segens erblicken, der auf eurer Stiftung ruhte und dessen sie sich auch in Zukunft immer würdig erweisen möge.

Der Eid, den ihr zu Beginn eurer Kollegszeit ablegt, gesellt der Treue zur Kirche noch eine andere Treuehaltung hinzu, gleichsam als deren Gegenstück oder Ergänzung: die Treue zur Heimat. Der Sache Jesu Christi und der Kirche in eurer Heimat, dem wahren Besten eures eigenen Volkes sollt ihr euer Priesterleben weihen. Auch das gehört zum Geiste eures Hauses und ist ein feinsinniger Ausdruck dafür, wie sehr die Liebe zur Kirche und die Liebe zum Vaterland sich freundschaftlich begegnen und verbinden. Es besteht auch keine Gefahr, dass der Aufenthalt und die priesterliche Erziehung in Rom heimatfremd machen. Wohl aber machen sie weltweit und fügen so der Heimat-liebe ein wertvolles Element seelischen Ausgleichs bei.

Auch der menschlichen und priesterlichen Liebe der Germaniker zum eigenen Volk hat die Geschichte ihre Anerkennung ausgesprochen. Die Annalen eures Hauses sind reich, ja überreich an Namen, die man in ihrer Heimat immer mit Ehren, und oft mit hohen Ehren nennen wird.

Alles dieses wird auch in Zukunft bleiben, eben weil es das Wesen, den Geist, den Ursegen eurer Stiftung bedeutet. Eure Liebe zur Heimat verdient sogar in der gegenwärtigen Stunde eine besondere Betonung: Wo immer eure Wiege gestanden haben mag, wohl alle findet ihr, nach Hause zurückgekehrt, euer Volk in einer erschütternden leiblichen und noch größeren seelischen Not. In solchen Verhältnissen kann nur ein Priester mit einem Herzen voll unerschöpflicher Liebe das rechte, einfache Wort finden und fruchtbringend arbeiten. Möge diese Liebe aus dem Herzen des göttlichen Guten Hirten in reichster Fülle in euer Inneres überströmen!

Das weitere Schicksal eures Hauses legen Wir getrost in Gottes Hände. Wenn seine gütige Vorsehung es gefügt hat, dass ihr den materiellen Kollegsbau trotz des Zusammenwirkens der denkbar ungünstigsten Umstände durchführen konntet, so wagen Wir darin ein glückliches Vorzeichen für den Bestand und die neue Blüte des lebendigen und geistigen Baus eures Instituts zu sehen. Vielleicht entspricht der Unsicherheit und Undurchsichtigkeit des gegenwärtigen Augenblicks ein umso gesicherteres und sonnigeres Wirken eures Hauses in, so wollen Wir hoffen, schon naher Zukunft.

Als Unterpfand dessen erteilen Wir eurem von Uns sehr geschätzten Rektor, seinen Mitarbeitern in der Heranbildung der zukünftigen Priester und Glaubensboten, allen hier Anwesenden, euren Fratres absentes, für die ihr ja täglich betet, sowie der ganzen Familie der aktiven und alten Alumnen des "Collegium Germanicum et Hungaricum", ihren Angehörigen und ihren Heimatländern aus der Fülle des Herzens den Apostolischen Segen.


*Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, VI,
 5. Pontifikatsjahr, 2. März 1944 - 1. März 1945, SS. 169-172
 Tipografia Poliglotta Vaticana

 



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