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KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

ZUSAMMENFASSUNG DER INSTRUKTION
DIGNITAS PERSONAE ÜBER EINIGE FRAGEN DER BIOETHIK

ZUR INSTRUKTION
DIGNITAS PERSONAE

Zielsetzung

In den vergangenen Jahren haben die biomedizinischen Wissenschaften enorme Fortschritte gemacht, die neue therapeutische Perspektiven eröffnen, aber auch ernsthafte Fragen aufwerfen, die in der Instruktion Donum vitae (22. Februar 1987) nicht ausdrücklich behandelt worden sind. Die neue Instruktion vom 8. September 2008, dem Fest der Geburt der seligen Jungfrau Maria, möchte auf einige neuere Fragen der Bioethik antworten, die in weiten Kreisen der Gesellschaft Erwartungen und Unsicherheiten wecken. Auf diese Weise soll «die Bildung des Gewissens» (Nr. 10) gefördert und zu einer biomedizinischen Forschung ermutigt werden, welche die Würde jedes Menschen und der Fortpflanzung achtet.

Titel

Die Instruktion beginnt mit den Worten Dignitas personae: Die Würde einer Person ist jedem Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zuzuerkennen. «Dieses Grundprinzip, das ein großes „Ja“ zum menschlichen Leben ausdrückt, muss im Mittelpunkt des ethischen Nachdenkens über die biomedizinische Forschung stehen» (Nr. 2).

Bedeutung

Es handelt sich um eine «Instruktion lehrmäßiger Natur» (Nr. 1), die von der Kongregation für die Glaubenslehre herausgegeben und von Papst Benedikt XVI. ausdrücklich approbiert worden ist. Die Instruktion gehört deshalb zu den Dokumenten, die «am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri teilhaben» (Instruktion Donum veritatis, Nr. 18) und von den Gläubigen «mit dem religiösen Gehorsam ihres Geistes» (Instruktion Dignitas personae, Nr. 37) anzunehmen sind.

Vorbereitung

Schon seit mehreren Jahren studiert die Kongregation für die Glaubenslehre neuere biomedizinische Fragen, um die Instruktion Donum vitae fortschreiben zu können. Bei der Untersuchung dieser Fragen «wurde stets darauf geachtet, die wissenschaftlichen Aspekte – unter Zuhilfenahme der Studien der Päpstlichen Akademie für das Leben und einer großen Zahl von Fachleuten – zu berücksichtigen und sie anhand der Prinzipien der christlichen Anthropologie einer Prüfung zu unterziehen. Die Enzykliken Veritatis splendor und Evangelium vitae von Johannes Paul II. sowie andere Stellungnahmen des Lehramtes bieten klare methodische und inhaltliche Hinweise für die Prüfung der untersuchten Probleme» (Nr. 2).

Adressaten

Die Instruktion «richtet sich an die Gläubigen und an alle wahrheitssuchenden Menschen» (Nr. 3). Wenn die Kirche sittliche Prinzipien und Bewertungen für die biomedizinische Erforschung des menschlichen Lebens vorlegt, folgt sie nämlich «dem Licht der Vernunft wie auch des Glaubens. Sie trägt so zur Schaffung einer ganzheitlichen Sichtweise des Menschen und seiner Berufung bei, die all das aufzunehmen vermag, was in den Werken der Menschen und in den verschiedenen kulturellen und religiösen Traditionen, die nicht selten eine große Ehrfurcht vor dem Leben zeigen, an Gutem sichtbar wird» (Nr. 3).

Aufbau

Die Instruktion «umfasst drei Teile: Im ersten Teil werden einige anthropologische, theologische und ethische Aspekte von grundlegender Bedeutung in Erinnerung gerufen; im zweiten Teil kommen neue Probleme bezüglich der Fortpflanzung zur Sprache; im dritten Teil werden einige neue Therapien untersucht, die eine Manipulation des Embryos oder des menschlichen Erbgutes mit sich bringen» (Nr. 3).

 

ERSTER TEIL:

ANTHROPOLOGISCHE, THEOLOGISCHE UND ETHISCHE ASPEKTE
DES MENSCHLICHEN LEBENS UND DER FORTPFLANZUNG

Die zwei Grundprinzipien

«Der Mensch muss von seiner Empfängnis an als Person geachtet und behandelt werden und infolgedessen muss man ihm von diesem Augenblick an die Rechte der Person zuerkennen und darunter vor allem das unverletzliche Recht jedes unschuldigen Menschen auf Leben» (Nr. 4).

«Der Ursprung des menschlichen Lebens hat... seinen authentischen Ort in Ehe und Familie, wo es durch einen Akt gezeugt wird, der die gegenseitige Liebe von Mann und Frau zum Ausdruck bringt. Eine gegenüber dem Ungeborenen wahrhaft verantwortliche Zeugung muss die Frucht der Ehe sein» (Nr. 6).

Glaube und Menschenwürde

«Die Kirche ist davon überzeugt, dass das, was menschlich ist, vom Glauben nicht nur aufgenommen und geachtet, sondern auch gereinigt, erhoben und vervollkommnet wird» (Nr. 7). Gott hat jeden Menschen nach seinem Bild geschaffen; in seinem fleischgewordenen Sohn hat er das Geheimnis des Menschen voll enthüllt; durch den Sohn Gottes können wir Kinder Gottes werden. «Ausgehend vom Ineinander dieser beiden Dimensionen, der menschlichen und der göttlichen, wird der Grund für den unantastbaren Wert des Menschen besser verständlich: Er besitzt eine ewige Bestimmung und ist berufen, die dreifaltige Liebe des lebendigen Gottes zu teilen» (Nr. 8).

Glaube und eheliches Leben

«Diese beiden Dimensionen des Lebens, die natürliche und die übernatürliche, helfen auch besser verstehen, in welchem Sinn die Akte, die den Menschen ins Dasein setzen und durch die sich Mann und Frau einander gegenseitig schenken, ein Abglanz der dreifaltigen Liebe Gottes sind. Gott, der Liebe und Leben ist, hat Mann und Frau die Berufung zu einer besonderen Teilhabe an seinem Geheimnis personaler Gemeinschaft wie auch an seinem Werk als Schöpfer und Vater eingeprägt... Der in der sakramentalen Feier (der Ehe) geschenkte Heilige Geist eröffnet den christlichen Ehegatten die Gabe einer neuen Gemeinschaft der Liebe, die lebendiges und wirkliches Bild jener einzigartigen Einheit ist, welche die Kirche zum unteilbaren mystischen Leib des Herrn Jesus macht» (Nr. 9).

Kirchliches Lehramt und Autonomie der Wissenschaft

«Wenn die Kirche über die ethische Wertigkeit einiger Ergebnisse der neueren Forschungen der Medizin bezüglich des Menschen und seines Ursprungs urteilt, greift sie nicht in den Bereich ein, welcher der medizinischen Wissenschaft als solcher eigen ist, sondern erinnert alle Betroffenen an die ethische und soziale Verantwortung ihres Handelns. Sie ruft ihnen ins Gedächtnis, dass der sittliche Wert der biomedizinischen Wissenschaft abhängt von der unbedingten Achtung, die jedem Menschen in allen Momenten seines Daseins geschuldet ist, sowie vom Schutz der spezifischen Eigenart der personalen Akte, die das Leben weitergeben» (Nr. 10).

 

ZWEITER TEIL:

NEUE PROBLEME
BEZÜGLICH DER FORTPFLANZUNG

Techniken zur Unterstützung der Fruchtbarkeit

Heute werden folgende Techniken zur Behandlung der Unfruchtbarkeit angewandt:

«Techniken der heterologen künstlichen Befruchtung» (Nr. 12): diese sind darauf ausgerichtet, «künstlich eine menschliche Empfängnis herbeizuführen, und zwar ausgehend von Keimzellen, die mindestens von einem Spender stammen, der von den in der Ehe verbundenen Gatten verschieden ist» (Fußnote 22);

«Techniken der homologen künstlichen Befruchtung» (Nr. 12): diese sind darauf ausgerichtet, künstlich eine menschliche Empfängnis herbeizuführen, und zwar ausgehend von den Keimzellen zweier verheirateter Eheleute (vgl. Fußnote 23);

«Techniken, die sich als Hilfe für den ehelichen Akt und für dessen Fruchtbarkeit erweisen» (Nr. 12);

«Eingriffe zur gezielten Entfernung von Hindernissen, die der natürlichen Fruchtbarkeit entgegenstehen» (Nr. 13);

«das Verfahren zur Adoption» (Nr. 13).

Sittlich erlaubt sind alle Techniken, die folgende Güter achten: «das Recht jedes Menschen auf Leben und physische Unversehrtheit»; «die Einheit der Ehe, welche die gegenseitige Achtung des Rechtes der Eheleute einschließt, dass der eine nur durch den anderen Vater oder Mutter wird»; «die eigentlich menschlichen Werte der Geschlechtlichkeit, die erfordern, dass die Zeugung einer menschlichen Person als Frucht des spezifisch ehelichen Aktes der Liebe zwischen den Eheleuten angestrebt werden muss» (Nr. 12).

Zulässig sind also «Techniken, die sich als Hilfe für den ehelichen Akt und für dessen Fruchtbarkeit erweisen... Der medizinische Eingriff achtet die Würde der Personen dann, wenn er darauf abzielt, den ehelichen Akt zu unterstützen, indem er seinen Vollzug erleichtert oder ihm sein Ziel zu erreichen hilft, sobald er in normaler Weise vollzogen worden ist» (Nr. 12).

Erlaubt sind gewiss «die Eingriffe zur gezielten Entfernung von Hindernissen, die der natürlichen Fruchtbarkeit entgegenstehen» (Nr. 13).

Es wäre wünschenswert, «das Verfahren zur Adoption der zahlreichen Waisenkinder... zu unterstützen, zu fördern und... zu erleichtern». Man soll «die Forschungen und Investitionen ermutigen..., die sich mit der Prävention der Sterilität beschäftigen» (Nr. 13).

In-vitro-Befruchtung und willentliche Beseitigung von Embryonen

Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass bei den Techniken der In-vitro-Befruchtung «die Zahl der geopferten Embryonen sehr hoch ist» (Nr. 14): auch in den entwickelteren Zentren beträgt sie mehr als 80% (vgl. Fußnote 27). «Die Embryonen, die im Reagenzglas produziert wurden und Defekte aufweisen, werden direkt ausgeschieden. Immer häufiger sind Fälle, in denen nicht sterile Paare auf künstliche Befruchtungstechniken zurückgreifen und dabei bloß eine genetische Selektion ihrer Kinder anstreben». Von den in vitro produzierten Embryonen «wird eine bestimmte Zahl in den Mutterschoß übertragen, die anderen werden für eventuelle weitere Behandlungen eingefroren». Die Technik der Mehrlingsübertragung, also der Implantation einer «größeren Zahl von Embryonen, in der Voraussicht, dass einige davon verloren gehen ..., bringt faktisch eine bloß instrumentelle Behandlung der Embryonen mit sich» (Nr. 15).

«Dass man bei den Techniken der In-vitro-Befruchtung die hohe Rate an tödlichen Ausgängen stillschweigend hinnimmt, zeigt in beredter Weise, dass der Ersatz des ehelichen Aktes durch eine technische Prozedur... dazu beiträgt, das Bewusstsein der gebührenden Achtung vor jedem Menschen zu schwächen. Die Anerkennung dieser Achtung wird hingegen gefördert durch die Intimität der Verheirateten, die von ehelicher Liebe beseelt ist... In Anbetracht der Instrumentalisierung des Menschen im Embryonalstadium muss man wiederholen: Die Liebe Gottes macht keinen Unterschied zwischen dem neu empfangenen Kind, das sich noch im Leib seiner Mutter befindet, und dem Kleinkind oder dem Jugendlichen oder dem Erwachsenen oder dem alten Menschen. Sie macht keinen Unterschied, weil sie in jedem von ihnen die Spur seines Bildes und der Ähnlichkeit mit ihm sieht... Deshalb hat das Lehramt der Kirche ständig den heiligen und unantastbaren Charakter jedes Menschenlebens von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende verkündet» (Nr. 16).

Die Intracytoplasmatische Sameninjektion (ICSI)

Die Intracytoplasmatische Sameninjektion ist eine Variante der In-vitro-Befruchtung, bei der «die Befruchtung nicht spontan im Reagenzglanz geschieht, sondern durch Injektion einer einzelnen vorher selektierten Samenzelle – oder manchmal durch die Injektion von unreifen Elementen der männlichen Keimbahn – in das Zellplasma der Eizelle» (Fußnote 32).

Diese Technik ist sittlich unerlaubt: «Sie bewirkt eine vollständige Trennung der Fortpflanzung vom ehelichen Akt»; sie wird «außerhalb des Leibes der Eheleute durch Handlungen dritter Personen durchgeführt, deren Kompetenz und technische Leistung den Erfolg des Eingriffs bestimmen; sie vertraut das Leben und die Identität des Embryos der Macht der Mediziner und Biologen an und errichtet eine Herrschaft der Technik über Ursprung und Bestimmung der menschlichen Person» (Nr. 17).

Das Einfrieren von Embryonen

«Um die Eingriffe zur Entnahme von Eizellen nicht zu wiederholen, werden der Frau bei einem einzigen Eingriff mehrere Eizellen entnommen. Hierauf wird ein beträchtlicher Teil der in vitro erzeugten Embryonen eingefroren: entweder für einen zweiten Behandlungszyklus, wenn der erste erfolglos bleibt, oder für den Fall eines weiteren Kinderwunsches der Eltern» (Nr. 18). «Beim Einfrieren, auch Kryokonservierung genannt, werden die Embryonen auf ganz niedrige Temperaturen abgekühlt, um sie lange erhalten zu können» (Fußnote 35).

«Die Kryokonservierung ist unvereinbar mit der Achtung, die den menschlichen Embryonen geschuldet ist: Sie setzt ihre Produktion in vitro voraus und ist mit schwerwiegenden Gefahren des Todes oder der Schädigung ihrer physischen Unversehrtheit verbunden, weil ein hoher Prozentsatz die Prozedur des Einfrierens und Auftauens nicht überlebt. Sie entzieht die Embryonen wenigstens zeitweise der mütterlichen Aufnahme und Austragung und setzt sie der Gefahr weiterer Verletzungen und Manipulationen aus» (Nr. 18).

Im Zusammenhang mit der großen Anzahl von schon bestehenden eingefrorenen Embryonen stellt sich die Frage: Was soll man mit ihnen machen? Alle diesbezüglichen Vorschläge (diese Embryonen für die Forschung verwenden oder für therapeutische Zwecke einsetzen; sie auftauen und, ohne sie zu aktivieren, für die Forschung verwenden, als ob es sich um gewöhnliche Leichen handelte; sie unfruchtbaren Paaren als „Therapie der Unfruchtbarkeit“ zur Verfügung stellen; eine Art „pränatale Adoption“ vornehmen) werfen Probleme unterschiedlicher Art auf. «Alles in allem muss man festhalten, dass die Embryonen, die zu Tausenden verlassen worden sind, eine faktisch irreparable Situation der Ungerechtigkeit schaffen. Deshalb richtete Johannes Paul II. einen Appell an das Gewissen der Verantwortlichen in der Welt der Wissenschaft und in besonderer Weise an die Ärzte, dass die Produktion menschlicher Embryonen eingestellt werde, denn man sieht keinen moralisch erlaubten Ausweg für das menschliche Los tausender und tausender „eingefrorener“ Embryonen, die doch immer Träger der Grundrechte sind und bleiben und deshalb rechtlich wie menschliche Personen zu schützen sind» (Nr. 19).

Das Einfrieren von Eizellen

«Um die schweren ethischen Probleme im Zusammenhang mit der Kryokonservierung von Embryonen zu vermeiden, ist im Kontext der In-vitro-Befruchtungstechniken das Einfrieren von Eizellen vorgeschlagen worden» (Nr. 20).

Die Kryokonservierung von Eizellen, die an sich nicht unsittlich ist und auch in anderen Zusammenhängen vorgeschlagen wurde, muss «im Zusammenhang mit dem Prozess der künstlichen Befruchtung als moralisch unannehmbar betrachtet werden» (Nr. 20).

Die Embryonenreduktion

«Einige Techniken, die bei der künstlichen Befruchtung gebraucht werden, vor allem die Übertragung von mehreren Embryonen in den Mutterschoß, haben zu einer beträchtlichen Erhöhung des Prozentsatzes der Mehrlingsschwangerschaften geführt. Deshalb ist der Gedanke aufgekommen, eine sogenannte Embryonenreduktion vorzunehmen. Sie besteht in einem Eingriff, durch den die Zahl der Embryonen oder Föten im Mutterleib durch ihre direkte Beseitigung vermindert wird» (Nr. 21).

«In ethischer Hinsicht ist die Embryonenreduktion eine vorsätzliche selektive Abtreibung. Es handelt sich dabei nämlich um die absichtliche und direkte Beseitigung von einem oder mehreren unschuldigen Menschen in der Anfangsphase ihres Daseins. Als solche ist sie immer ein schweres sittliches Vergehen» (Nr. 21).

Die Präimplantationsdiagnostik

«Die Präimplantationsdiagnostik ist eine Form der pränatalen Diagnostik, die mit den Techniken der künstlichen Befruchtung verbunden ist und eine genetische Untersuchung der in vitro erzeugten Embryonen vor ihrer Übertragung in den Mutterschoß vorsieht. Sie wird zu dem Zweck durchgeführt, dass man die Sicherheit hat, der Mutter nur Embryonen zu übertragen, die keine Defekte haben oder mit einem bestimmten Geschlecht oder besonderen Merkmalen ausgestattet sind» (Nr. 22).

«Im Unterschied zu anderen Formen der pränatalen Diagnostik... folgt auf die Präimplantationsdiagnostik gewöhnlich die Vernichtung des Embryos, der „verdächtigt“ wird, Gen- oder Chromosomendefekte aufzuweisen oder Träger eines nicht gewollten Geschlechtes oder nicht erwünschter Merkmale zu sein. Deshalb ist die Präimplantationsdiagnostik... faktisch auf eine qualitative Selektion mit der damit zusammenhängenden Beseitigung von Embryonen ausgerichtet, die eine frühabtreibende Praxis darstellt... Wenn man den menschlichen Embryo als bloßes „Labormaterial“ behandelt, kommt es zu einer Veränderung und Diskriminierung auch bezüglich des Begriffs der Menschenwürde... Eine solche Diskriminierung ist unsittlich und müsste deshalb als rechtlich unannehmbar betrachtet werden» (Nr. 22).

Neue Formen der Interzeption und der Kontragestion

Es gibt technische Mittel, die nach einer Befruchtung wirken, also zu einem Zeitpunkt, an dem der Embryo bereits gebildet ist.

«Diese Techniken sind interzeptiv, wenn sie die Einnistung des Embryos in der Gebärmutter verhindern» (Nr. 23), etwa durch «die Spirale» oder «die so genannte „Pille danach“» (Fußnote 42).

Sie sind kontragestiv, wenn sie die Vernichtung des schon eingenisteten Embryos zur Folge haben» (Nr. 23), zum Beispiel durch die «Pille RU 486» (Fußnote 43).

Die Interzeptiva bewirken nicht immer, wenn sie eingenommen werden, eine Abtreibung, auch weil es nicht nach jedem Geschlechtsverkehr zu einer Befruchtung kommt. Man muss jedoch anmerken, «dass bei denen, welche die Einnistung eines möglicherweise empfangenen Embryos verhindern wollen und deshalb solche Mittel wünschen oder verschreiben, im Allgemeinen die Vorsätzlichkeit zur Abtreibung vorhanden ist». Bei der Kontragestion «handelt es sich um die Abtreibung eines bereits eingenisteten Embryos... Deshalb zählt die Anwendung der interzeptiven und der kontragestiven Mittel zur Sünde der Abtreibung und ist in schwerwiegender Weise unsittlich» (Nr. 23).

 

DRITTER TEIL:

NEUE THERAPIEN, DIE EINE MANIPULATION DES EMBRYOS
ODER DES MENSCHLICHEN ERBGUTES MIT SICH BRINGEN

Die Gentherapie

Unter Gentherapie versteht man «die Anwendung genetischer Techniken auf den Menschen mit einer therapeutischen Zielsetzung, das heißt zum Zweck der Heilung von Krankheiten auf genetischer Basis» (Nr. 25).

Die somatische Gentherapie «zielt darauf ab, genetische Defekte auf der Ebene der Körperzellen zu beheben oder zu vermindern» (Nr. 25).

Die Keimbahntherapie «möchte genetische Defekte beheben, die in den Zellen der Keimbahn vorhanden sind, und so bewirken, dass die erreichten therapeutischen Erfolge auf die eventuelle Nachkommenschaft des betreffenden Menschen übertragen werden» (Nr. 25).

In ethischer Hinsicht gelten folgende Prinzipien:

Die somatische Gentherapie ist «prinzipiell sittlich erlaubt... Weil die Gentherapie ernsthafte Risiken für den Patienten mit sich bringen kann, muss der allgemeine ethische Grundsatz befolgt werden, gemäß dem es notwendig ist, vor der Durchführung eines therapeutischen Eingriffs sicherzustellen, dass der behandelte Mensch nicht Risiken für seine Gesundheit oder seine grundlegende Unversehrtheit ausgesetzt ist, die exzessiv oder unverhältnismäßig sind im Vergleich zur Schwere der Pathologie, die geheilt werden soll. Auch die nach Aufklärung erfolgte Zustimmung des Patienten oder seines rechtmäßigen Vertreters ist erforderlich» (Nr. 26).

Bei der Keimbahntherapie sind «die mit jeder Genmanipulation verbundenen Risiken beträchtlich und noch wenig kontrollierbar». Deshalb «ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt sittlich nicht erlaubt, etwas zu tun, das mögliche davon herrührende Schäden auf die Nachkommen überträgt» (Nr. 26).

Bezüglich der Hypothese, die Gentechnik zum Ziel einer vermeintlichen Verbesserung oder Potenzierung der genetischen Ausstattung des Menschen auszuwenden, muss festgestellt werden, dass solche Manipulationen «eine eugenische Mentalität fördern, ein indirektes soziales Stigma gegenüber jenen einführen, die keine besonderen Gaben besitzen, und zugleich Begabungen in den Mittelpunkt stellen, die von bestimmten Kulturen und Gesellschaften geschätzt werden, aber an sich nicht das spezifisch Menschliche ausmachen. Dies widerspräche der grundlegenden Wahrheit der Gleichheit aller Menschen, aus der sich der Grundsatz der Gerechtigkeit ergibt. Die Missachtung dieses Grundsatzes würde auf lange Sicht gesehen das friedliche Zusammenleben unter den Menschen gefährden... Man muss schließlich festhalten, dass der Versuch, einen neuen Menschentyp zu schaffen, eine ideologische Dimension aufweist, gemäß der sich der Mensch anmaßt, den Platz des Schöpfers einzunehmen» (Nr. 27).

Das menschliche Klonen

Unter menschlichem Klonen ist «die asexuelle und agamische Reproduktion des gesamten menschlichen Organismus gemeint, um eine oder mehrere „Kopien“ zu produzieren, die mit dem einzigen Stammelternteil genetisch im Wesentlichen identisch sind» (Nr. 28). Zur Durchführung des menschlichen Klonens werden zwei Techniken vorgeschlagen: a) Die Zwillingsspaltung «besteht in der künstlichen Abspaltung einiger Zellen oder Zellgruppen vom Embryo in den ersten Phasen der Entwicklung und in der anschließenden Übertragung dieser Zellen in den Mutterschoß, um auf künstliche Weise identische Embryonen zu erlangen» (Fußnote 47). b) Die Kernübertragung «besteht darin, dass ein Kern, der einer embryonalen oder somatischen Zelle entnommen worden ist, in eine zuvor entkernte Eizelle eingeführt und hierauf aktiviert wird, so dass sich diese als Embryo entwickeln müsste» (Fußnote 47). Das Klonen wird mit zwei Zielsetzungen verbunden: mit einem reproduktiven Ziel, d.h. um die Geburt eines geklonten Kindes zu erlangen, sowie mit einem therapeutischen Ziel, d.h. zum Zweck des Forschung.

Das Klonen «ist in sich unerlaubt, weil es einen neuen Menschen ohne Verbindung mit dem Akt der gegenseitigen Hingabe von zwei Ehegatten und, noch radikaler, ohne irgendeine Beziehung zur Geschlechtlichkeit ins Leben rufen will. Ein solches Vorgehen öffnet die Tür für Missbräuche und Manipulationen, die schwer gegen die Menschenwürde verstoßen» (Nr. 28).

«Beim Klonen mit einer reproduktiven Zielsetzung würde dem geklonten Menschen ein vorausbestimmtes genetisches Erbgut auferlegt; wie man gesagt hat, wäre er faktisch einer Art biologischer Sklaverei unterworfen, aus der er sich nur schwer befreien könnte. Dass eine Person sich das Recht anmaßt, willkürlich die genetischen Merkmale einer anderen Person zu bestimmen, ist ein schwerer Verstoß gegen dessen Würde und gegen die grundlegende Gleichheit aller Menschen... Jeder von uns begegnet im anderen einem Menschen, der das eigene Dasein und die eigenen Merkmale der Liebe Gottes verdankt. Nur die Liebe zwischen den Ehegatten ist eine Vermittlung dieser Liebe, die dem Plan des Schöpfers und himmlischen Vaters entspricht» (Nr. 29).

Bezüglich des therapeutischen Klonens ist klarzustellen: «Die Herstellung von Embryonen mit der Absicht, sie zu zerstören, auch wenn man dadurch Kranken helfen möchte, ist mit der Menschenwürde vollkommen unvereinbar, weil so ein Mensch im Embryonalzustand zu einem bloßen Mittel wird, das man gebraucht und vernichtet. Es ist in schwerwiegender Weise unmoralisch, ein menschliches Leben für eine therapeutische Zielsetzung zu opfern» (Nr. 30).

Als Alternative zum therapeutischen Klonen haben einige Wissenschaftler neue Techniken entwickelt, von denen behauptet wird, dass man damit Stammzellen embryonaler Art herstellen könnte, ohne echte menschliche Embryonen zu vernichten, zum Beispiel durch die Übertragung eines alterierten Zellkerns (Altered Nuclear Transfer: ANT) oder die assistierte Reprogrammierung einer Eizelle (Oocyte Assisted Reprogramming: OAR). Diesbezüglich müssen aber noch die Zweifel «in Bezug auf den ontologischen Status des so erzeugten „Produktes“» geklärt werden (Nr. 30).

Die therapeutische Verwendung der Stammzellen

«Stammzellen sind undifferenzierte Zellen, die zwei grundlegende Merkmale aufweisen: a) die Fähigkeit, sich lange zu vermehren, ohne sich zu differenzieren; b) die Fähigkeit, Vorläuferzellen hervorzubringen, aus denen sich hoch differenzierte Zellen, wie etwa Nerven-, Muskel- oder Blutzellen, entwickeln. Seit man experimentell festgestellt hat, dass Stammzellen, die in ein beschädigtes Gewebe eingefügt werden, die Zellwiederbevölkerung und die Regeneration dieses Gewebes begünstigen, haben sich für die regenerative Medizin neue Perspektiven eröffnet, die unter den Forschern in aller Welt großes Interesse geweckt haben» (Nr. 31).

Für die ethische Bewertung muss man vor allem die Methoden für die Gewinnung der Stammzellen in Betracht ziehen.

«Als erlaubt sind die Methoden anzusehen, die dem Menschen, dem die Stammzellen entnommen werden, keinen schweren Schaden zufügen. Dies ist gewöhnlich der Fall bei der Entnahme: a) aus Geweben des erwachsenen Organismus; b) aus dem Nabelschnurblut bei der Geburt; c) aus Geweben von Föten, die eines natürlichen Todes gestorben sind» (Nr. 32).

«Die Entnahme von Stammzellen aus dem lebendigen menschlichen Embryo führt... unvermeidlich zu seiner Vernichtung und ist deshalb in schwerwiegender Weise unerlaubt. In diesem Fall stellt sich die Forschung... nicht wirklich in den Dienst der Menschheit. Sie beschreitet nämlich einen Weg über die Vernichtung menschlicher Lebewesen, die dieselbe Würde besitzen wie die anderen Menschen und die Forscher selbst» (Nr. 32).

«Die Verwendung von embryonalen Stammzellen oder daraus entwickelten differenzierten Zellen, die nach der Vernichtung der Embryonen möglicherweise von anderen Forschern geliefert werden oder im Handel erhältlich sind, ist sehr problematisch: Sie bedeutet eine Mitwirkung am Bösen und ruft Ärgernis hervor» (Nr. 32). 

Es ist zudem anzufügen, dass zahlreiche Untersuchungen den adulten Stammzellen positivere Ergebnisse als den embryonalen Stammzellen bescheinigen.

Versuche der Produktion von Hybriden

«Vor kurzem wurden tierische Eizellen zur Reprogrammierung der Kerne von menschlichen Körperzellen verwendet. Mit diesem Verfahren... möchte man embryonale Stammzellen aus den sich bildenden Embryonen gewinnen, ohne menschliche Eizellen verwenden zu müssen» (Nr. 33). «In ethischer Hinsicht stellen solche Prozeduren eine Beleidigung der Menschenwürde dar, weil genetische Elemente von Mensch und Tier vermischt werden und so die spezifische Identität des Menschen beeinträchtigt wird» (Nr. 33).

Die Verwendung von menschlichem „biologischem Material“ unerlaubten Ursprungs

Für die wissenschaftliche Forschung und für die Herstellung von verschiedenen Produkten werden gelegentlich Zelllinien verwendet, die das Resultat einer unrechtmäßigen Handlung gegen das Leben oder die physische Unversehrtheit eines Menschen sind.

Die Durchführung von Versuchen an Embryonen «stellt ein Verbrechen dar gegen ihre Würde als menschliche Geschöpfe, die das Recht auf dieselbe Achtung haben, die dem bereits geborenen Kind und jeder Person geschuldet wird. Die Durchführung von solchen Versuchen stellt immer ein schweres sittliches Vergehen dar» (Nr. 34).

Wenn Forscher „biologisches Material“ unerlaubten Ursprungs verwenden, das außerhalb ihrer Forschungszentren produziert wurde oder auf dem Markt erhältlich ist, muss immer «die moralische Forderung bestehen bleiben, dass dabei keine Beihilfe zu einer gewollten Abtreibung stattgefunden hat und dass die Gefahr des Ärgernisses vermieden wird. In diesem Zusammenhang ist das Kriterium der Unabhängigkeit, das von einigen Ethikkommissionen formuliert wurde, unzureichend. Dieses Kriterium besagt, dass die Verwendung von „biologischem Material“ unerlaubten Ursprungs immer dann ethisch zulässig wäre, wenn es eine klare Trennung gäbe zwischen jenen, die auf der einen Seite die Embryonen herstellen, einfrieren und töten, und den Forschern, die andererseits wissenschaftliche Experimente damit durchführen». Es ist klarzustellen, «dass die Verpflichtung zur Ablehnung eines derartigen „biologischen Materials“... von der Verpflichtung herrührt, sich bei der Ausübung der eigenen Forschungstätigkeit von einem schwer ungerechten gesetzlichen Rahmen abzugrenzen und klar den Wert des menschlichen Lebens zu bezeugen. Darum ist das oben genannte Kriterium der Unabhängigkeit notwendig, kann aber in ethischer Sicht nicht ausreichend sein» (Nr. 35).

«Natürlich gibt es innerhalb dieses allgemeinen Rahmens differenzierte Verantwortlichkeiten. Aus gewichtigen Gründen könnte die Verwendung des genannten „biologischen Materials“ sittlich angemessen und gerechtfertigt sein. So dürfen zum Beispiel Eltern wegen der Gefahr für die Gesundheit der Kinder die Verwendung von Impfstoffen gestatten, bei deren Vorbereitung Zelllinien unerlaubten Ursprungs verwenden wurden, wobei jedoch alle verpflichtet sind, dagegen Einspruch zu erheben und zu fordern, dass die Gesundheitssysteme andere Arten von Impfstoffen zur Verfügung stellen. Man muss auch beachten, dass in Betrieben, die Zelllinien ungerechten Ursprungs verwenden, jene, die keine Entscheidungsvollmacht haben, nicht dieselbe Verantwortung tragen wie jene, die über die Ausrichtung der Produktion entscheiden» (Nr. 35).

 
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