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EUCHARISTIEFEIER AM HOCHFEST DER GOTTESMUTTER MARIA
XLI. WELTFRIEDENSTAG

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Dienstag, 1. Januar 2008

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir beginnen heute ein neues Jahr, und die christliche Hoffnung nimmt uns an der Hand; wir beginnen es, indem wir für dieses Jahr den Segen Gottes erbitten und auf die Fürsprache der Gottesmutter Maria das Geschenk des Friedens erflehen: für unsere Familien, für unsere Städte, für die ganze Welt. Mit diesem Wunsch grüße ich euch hier Anwesende, angefangen mit den verehrten Botschaftern des beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps, die zu diesem Gottesdienst anläßlich des Weltfriedenstages gekommen sind. Ich grüße meinen Staatssekretär Kardinal Tarcisio Bertone sowie Kardinal Renato Raffaele Martino und alle Mitglieder des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Ich danke ihnen besonders für ihr Bemühen, die Botschaft zum Weltfriedenstag zu verbreiten, die in diesem Jahr unter dem Thema »Die Menschheitsfamilie, eine Gemeinschaft des Friedens« steht.

Der Friede. In der ersten Lesung, die dem Buch Numeri entnommen ist, haben wir die Anrufung gehört: »Der Herr schenke dir Heil« (vgl. 6,26); der Herr schenke jedem von euch, euren Familien, der ganzen Welt Frieden. Wir alle wollen im Frieden leben, aber der wahre Friede, der von den Engeln in der Weihnachtsnacht verkündet wurde, ist keine einfache Errungenschaft des Menschen oder Ergebnis politischer Vereinbarungen; er ist vor allem ein Geschenk Gottes, das es ständig zu erbitten gilt, und zugleich eine Verpflichtung, die geduldig zu erfüllen ist in stetem Gehorsam gegenüber den Geboten des Herrn. In der Botschaft zum heutigen Weltfriedenstag wollte ich in diesem Jahr die enge Verbindung hervorheben, die zwischen der Familie und dem Aufbau des Friedens in der Welt besteht. Die auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründete natürliche Familie ist »die Wiege des Lebens und der Liebe« und »die erste und unersetzliche Erzieherin zum Frieden«. Eben deshalb ist die Familie »die wichtigste ›Agentur‹ des Friedens«, und »die Verneinung oder sogar die Beschränkung der Rechte der Familie bedroht die Grundlagen des Friedens, weil die Wahrheit des Menschen verdunkelt wird« (vgl. Nr. 1–5). Die Menschheit ist eine »große Familie«, und deshalb kann sie nicht umhin – so sie in Frieden leben will –, sich an den Werten zu inspirieren, auf denen die Familiengemeinschaft gründet und auf die sie sich stützt. Das glückliche Zusammentreffen verschiedener Jahrestage ermutigt uns in diesem Jahr zu einer noch größeren Anstrengung, den Frieden in der Welt zu verwirklichen. Vor 60 Jahren, im Jahr 1948, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte veröffentlicht; vor 40 Jahren hat mein verehrter Vorgänger Paul VI. den ersten Weltfriedenstag gefeiert; in diesem Jahr erinnern wir uns auch des 25. Jahrestages der Annahme der Charta der Familienrechte seitens des Heiligen Stuhls. »Gerade im Licht dieser bedeutenden Jahrestage« – ich zitiere hier, was ich am Schluß der Botschaft geschrieben habe – »lade ich jeden einzelnen Menschen ein, sich der gemeinsamen Zugehörigkeit zu der einen Menschheitsfamilie noch klarer bewußt zu werden und sich dafür einzusetzen, daß das Zusammenleben auf der Erde immer mehr diese Überzeugung widerspiegelt, von der die Errichtung eines wahren und dauerhaften Friedens abhängt«.

Jetzt gehen unsere Gedanken natürlich zu Maria, die wir heute als Mutter Gottes verehren. Es war Papst Paul VI., der das Fest der Gottesmutterschaft Marias, das früher auf den 11. Oktober fiel, auf den ersten Januar verlegt hat. Denn vor der Liturgiereform, die dem II. Vatikanischen Konzil folgte, wurde am ersten Tag des Jahres das Gedächtnis der Beschneidung Jesu acht Tage nach seiner Geburt gefeiert – als Zeichen der Unterwerfung unter das Gesetz, das heißt seiner offiziellen Eingliederung in das auserwählte Volk –, und am nachfolgenden Sonntag wurde das Fest des Namens Jesu gefeiert. Von diesen Anlässen finden wir Spuren in den Seiten des Evangeliums, das soeben verkündet wurde, wo der hl. Lukas berichtet, daß das Kind acht Tage nach seiner Geburt beschnitten und ihm der Name Jesus gegeben wurde, »den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde« (Lk 2,21). Das große Marienfest heute bewahrt also darüber hinaus auch einen stark christologischen Inhalt, denn noch vor der Mutter, so könnten wir sagen, betrifft es gerade den Sohn, Jesus, wahrer Gott und wahrer Mensch.

Auf das Geheimnis der Gottesmutterschaft Marias, der Theotokos, bezieht sich der Apostel Paulus im Brief an die Galater. »Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt« (4,4). Wir finden hier das Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Wortes und die Gottesmutterschaft Marias in wenigen Worten zusammengefaßt: Das große Privileg der Jungfrau besteht gerade darin, Mutter des Sohnes zu sein, der Gott ist. Dieses Marienfest nimmt deshalb acht Tage nach dem Geburtsfest den richtigsten und sinnvollsten Platz ein. Denn in der Nacht von Betlehem, als sie »ihren Sohn, den Erstgeborenen«, gebar (Lk 2,7), erfüllten sich die Prophezeiungen über den Messias: »Die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären«, hatte Jesaja vorhergesagt (7,14); »Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären«, sagte der Engel Gabriel zu Maria (Lk 1,31). Und noch ein Engel des Herrn – erzählt der Evangelist Matthäus – erschien Josef im Traum und versicherte ihm: »Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären« (Mt 1,20–21).

Der Titel »Mutter Gottes« ist die Grundlage für alle übrigen Titel, mit denen Maria im Osten und im Westen von Generation zu Generation verehrt wurde und weiter angerufen wird. Auf das Geheimnis ihrer Gottesmutterschaft beziehen sich viele Gesänge und Gebete der christlichen Tradition, wie zum Beispiel eine marianische Antiphon der Weihnachtszeit, das Alma Redemptoris mater, mit dem wir bitten: »Tu quae genuísti, natúra miránte, tuum sanctum Genitórem, Virgo prius ac postérius – Du hast geboren, der Natur zum Staunen, deinen heiligen Schöpfer, Jungfrau vor und nach der Geburt«. Liebe Brüder und Schwestern, wir betrachten heute Maria, die jungfräuliche Mutter des eingeborenen Sohnes des Vaters; lernen wir von ihr, das Kind aufzunehmen, das für uns in Betlehem geboren ist. Wenn wir in dem von ihr geborenen Kind den ewigen Sohn Gottes erkennen und ihn als unseren einzigen Heiland aufnehmen, dürfen wir uns Söhne Gottes nennen und sind es wirklich: Söhne im Sohn. Der Apostel schreibt: »Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen« (Gal 4,4–5).

Der Evangelist Lukas wiederholt mehrmals, daß Maria in Stille nachdachte über diese außerordentlichen Geschehnisse, in die Gott sie einbezogen hatte. Das haben wir auch in dem kurzen Abschnitt des Evangeliums gehört, den uns die Liturgie heute vorlegt. »Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (Lk 2,19). Das griechische Wort, das verwendet wird: symbállousa bedeutet wortwörtlich »zusammensetzen« und läßt an ein großes Geheimnis denken, das nach und nach entdeckt werden muß. Das Kind, das in der Krippe weint und scheinbar allen Kindern der Welt gleicht, ist aber zugleich ganz anders: Es ist der Sohn Gottes, es ist Gott, wahrer Gott und wahrer Mensch. Dieses Geheimnis – die Menschwerdung des göttlichen Wortes und die Gottesmutterschaft Marias – ist groß und mit der menschlichen Vernunft allein nicht leicht zu begreifen.

Aber in der Schule Marias können wir mit dem Herzen das erfassen, was die Augen und der Sinn allein nicht wahrnehmen und fassen können. Denn es handelt sich um ein so großes Geschenk, daß wir es nur im Glauben annehmen können, ohne es ganz zu verstehen. Und auf diesem Glaubensweg kommt uns gerade Maria entgehen, sie stützt und leitet uns. Sie ist Mutter, weil sie Jesus im Fleisch geboren hat; sie ist es, weil sie dem Willen des Vaters ganz zugestimmt hat. Der hl. Augustinus schreibt: »Für sie wäre die Gottesmutterschaft wertlos gewesen, wenn sie nicht Christus im Herzen getragen hätte, mit einem glücklicheren Los als dem, als sie ihn im Fleisch empfing« (De sancta Virginitate, 3,3). Und Maria bewahrte und »setzte« die nachfolgenden Ereignisse »zusammen«, deren Zeugin und Protagonistin sie war, bis zum Kreuzestod und zur Auferstehung ihres Sohnes Jesus.

Liebe Brüder und Schwestern, nur wenn wir alles, was wir erleben, zu einer Einheit zusammensetzen und im Herzen bewahren, können wir in der Nachfolge Marias in das Geheimnis eines Gottes eindringen, der aus Liebe Mensch geworden ist und uns ruft, ihm auf dem Weg der Liebe zu folgen: einer Liebe, die jeden Tag in einen großmütigen Dienst an den Brüdern und Schwestern umzusetzen ist. Möge das neue Jahr, das wir heute zuversichtlich beginnen, eine Zeit sein, in der wir in der Einsicht des Herzens fortschreiten, die die Weisheit der Heiligen ist. Bitten wir deshalb, wie wir in der ersten Lesung gehört haben: »Der Herr lasse sein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig« (vgl. Num 6,24–7) und segne uns. Wir können sicher sein: Wenn wir nicht nachlassen, sein Antlitz zu suchen, wenn wir nicht der Versuchung der Mutlosigkeit und des Zweifels nachgeben, dann bleiben wir trotz der vielen Schwierigkeiten, denen wir begegnen, immer in ihm verankert, dann werden wir die Macht seiner Liebe und seines Erbarmens erfahren. Das zarte Kind, das die Jungfrau heute der Welt zeigt, soll uns zu Friedensstiftern, zu Zeugen für ihn, den Friedensfürst, machen. Amen.

 

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