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GEDENKTAG UNSERER LIEBEN FRAU IN LOURDES
XVIII. WELTTAG DER KRANKEN

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Petersdom
Donnerstag, 11. Februar 2010

(Video)
Bilder von der Feier

 

 

Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Die Evangelien bezeugen in den knappen Schilderungen des kurzen, aber reichhaltigen öffentlichen Lebens Jesu, daß er das Wort Gottes verkündet und Kranke geheilt hat, was ein besonderes Zeichen für die Nähe des Gottesreiches ist. Matthäus zum Beispiel schreibt: »Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden« (Mt 4,23; vgl. 9,35). Die Kirche, der die Aufgabe anvertraut ist, im Raum und in der Zeit die Sendung Christi fortzuführen, darf diese beiden grundlegenden Werke nicht unbeachtet lassen: die Evangelisierung und die Sorge für die Kranken an Leib und Seele. Denn Gott will den ganzen Menschen heilen, und im Evangelium ist die Genesung des Leibes Zeichen einer tieferliegenden Heilung: der Vergebung der Sünden (vgl. Mk 2,1–12). Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß Maria, Mutter und Vorbild der Kirche, als »Salus infirmorum – Heil der Kranken« angerufen und verehrt wird. Als erste und vollkommene Jüngerin ihres Sohnes hat sie, während sie die Kirche auf ihrem Weg begleitet, immer eine besondere Fürsorge für die Kranken gezeigt. Davon legen die Tausenden von Menschen Zeugnis ab, die die Marienwallfahrtsorte aufsuchen, um die Mutter Christi anzurufen, und die in ihr Kraft und Trost finden. Das im Evangelium berichtete Ereignis der Heimsuchung (vgl. Lk 1,39–56) zeigt uns, wie die Jungfrau Maria nach der Verkündigung die empfangene Gabe nicht für sich behielt, sondern sich sofort aufmachte, um ihrer betagten Kusine Elisabet zu helfen, die seit sechs Monaten Johannes in ihrem Schoß trug. In der Hilfe, die Maria dieser Verwandten leistet, die in fortgerücktem Alter die schwierige Situation einer Schwangerschaft erlebt, sehen wir eine Vorwegnahme aller Aktivität der Kirche zur Unterstützung des der Fürsorge bedürftigen Lebens.

Der Päpstliche Rat für die Pastoral im Krankendienst, der vor 25 Jahren vom ehrwürdigen Diener Gottes Papst Johannes Paul II. eingerichtet wurde, ist zweifellos ein besonderer Ausdruck dieser Fürsorge. Meine Gedanken richten sich mit dankbarer Anerkennung an Kardinal Fiorenzo Angelini, den ersten Präsidenten des Dikasteriums und seit jeher begeisterter Animator dieses Bereichs der kirchlichen Aktivität, wie auch an Kardinal Javier Lozano Barragán, der bis vor einigen Monaten diesem Dienst Beständigkeit und Wachstum verliehen hat. Von Herzen begrüße ich dann den derzeitigen Präsidenten, Erzbischof Zygmunt Zimowski, der dieses wichtige und bedeutsame Erbe übernommen hat. In meinen Gruß schließe ich alle Offizialen und das gesamte Personal ein, das in diesem Vierteljahrhundert in lobenswerter Weise mit dieser Einrichtung des Heiligen Stuhls zusammengearbeitet hat. Darüberhinaus möchte ich die Vereinigungen und Einrichtungen begrüßen, die die Organisation des Welttags der Kranken übernehmen, insbesondere »Unitalsi« und die »Opera Romana Pellegrinaggi«. Mein herzlichster Willkommensgruß gilt natürlich euch, liebe Kranke! Danke, daß ihr gekommen seid und vor allem Danke für euer Gebet, das durch das Opfer eurer Mühen und Leiden bereichert wird. Mein Gruß gilt schließlich auch den Kranken und freiwilligen Helfern, die in Lourdes, Fatima, Tschenstochau und den anderen Marienwallfahrtsorten mit uns verbunden sind, sowie allen, die besonders in den Pflegeheimen oder zu Hause diese Feier über Radio oder Fernsehen verfolgen. Gott, der Herr, der beständig über seine Kinder wacht, schenke allen Trost und Ermutigung.

Zwei Hauptthemen stellt uns der heutige Wortgottesdienst vor Augen: Das erste Thema ist marianisch und verbindet das Evangelium mit der ersten, dem Schlußkapitel des Buches Jesaja entnommenen Lesung wie auch mit dem Antwortpsalm aus dem Lobgesang auf Judith. Das zweite Thema, das wir im Abschnitt aus dem Jakobusbrief finden, ist das Gebet der Kirche für die Kranken und insbesondere das für sie bestimmte Sakrament. Am Gedenktag der Erscheinungen in Lourdes – einem von Maria bevorzugten Ort, um ihre mütterliche Sorge für die Kranken zu offenbaren –, gibt es in der Liturgie treffenderweise Anklänge an das Magnifikat, den Gesang der Jungfrau, der die Wunder Gottes in der Heilsgeschichte preist: Die Demütigen und die Bedürftigen wie auch alle, die Gott fürchten, erfahren seine Barmherzigkeit, die das irdische Schicksal der Menschen umkehrt und so die Heiligkeit des Schöpfers und Erlösers zeigt. Das Magnifikat ist nicht der Gesang derer, denen das Glück winkt, die immer »Rückenwind« haben. Es ist eher das Danklied derer, die die Tragödien des Lebens kennen, aber auf das erlösende Handeln Gottes vertrauen. Es ist ein Gesang, der Ausdruck des im Schicksal geprüften Glaubens von Generationen von Männern und Frauen ist, welche ihre Hoffnung auf Gott gesetzt haben und sich wie Maria persönlich dafür einsetzen, den Brüdern und Schwestern in Not Hilfe zu bringen. Im Magnifikat hören wir die Stimme von vielen Heiligen der Nächstenliebe, Männern und Frauen. Insbesondere denke ich an diejenigen, die ihr Leben den Kranken und Leidenden gewidmet haben, wie Camillo de Lellis und Johannes von Gott, Damian de Veuster und Benedetto Menni. Wer den Leidenden lange Zeit nahe ist, kennt Angst und Tränen, aber auch das Wunder der Freude, die die Frucht der Liebe ist.

Die Mütterlichkeit der Kirche ist Abglanz der fürsorglichen Liebe Gottes, von der der Prophet Jesaja sagt: »Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost« (Jes 66,13). Eine Mütterlichkeit, die ohne Worte spricht, die in den Herzen Trost bewirkt, eine innere Freude, eine Freude, die paradoxerweise mit Schmerz und Leid zusammen existieren kann. Wie Maria bewahrt die Kirche in ihrem Inneren die Dramen des Menschen und den Trost Gottes, sie hält sie zusammen auf dem Pilgerweg der Geschichte. Durch die Jahrhunderte macht die Kirche die Zeichen der Liebe Gottes sichtbar, die weiterhin Großes an den demütigen und einfachen Menschen tut. Sind das angenommene und aufgeopferte Leiden, das echte und unentgeltliche Teilen nicht Wunder der Liebe? Der Mut, ohne Waffen dem Übel entgegenzutreten – wie Judith –, nur mit der Kraft des Glaubens an den Herrn und der Hoffnung auf ihn, ist das nicht ein Wunder, das die Gnade Gottes beständig in vielen Personen bewirkt, die Zeit und Energie einsetzen, um den Leidenden zu helfen? Deshalb leben wir in einer Freude, die das Leid nicht vergißt, ja es vielmehr versteht. So sind die Kranken und alle Leidenden in der Kirche nicht nur Empfänger von Aufmerksamkeit und Sorge, sondern zunächst und vor allem Protagonisten der Pilgerschaft des Glaubens und der Hoffnung, Zeugen der Wunder der Liebe, der österlichen Freude, die vom Kreuz und der Auferstehung Christi ausgeht.

Im eben verkündeten Abschnitt des Jakobusbriefes lädt der Apostel ein, beharrlich das nahe bevorstehende Kommen des Herrn zu erwarten, und gibt in diesem Zusammenhang eine besondere Ermahnung hinsichtlich der Kranken. Dieser Zusammenhang ist sehr interessant, denn er spiegelt das Handeln Jesu wider, der durch die Krankenheilungen die Nähe des Gottesreiches anzeigte. Die Krankheit wird aus der Perspektive der Endzeit gesehen, mit einem typisch christlichen Realismus der Hoffnung. »Ist einer von euch bedrückt? Dann soll er beten. Ist einer fröhlich? Dann soll er ein Loblied singen« (Jak 5,13). Wir hören ähnliche Worte beim hl. Paulus, wenn er einlädt, alles in Beziehung zur radikalen Neuheit Christi zu leben, zu seinem Tod und seiner Auferstehung (vgl. 1 Kor 7,29–31). »Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten« (Jak 5,14–15). Hier wird das fortdauernde Wirken Christi in seiner Kirche sichtbar: Er ist es immer noch, der durch die Priester handelt; es ist sein Heiliger Geist, der durch das sakramentale Zeichen des Öls wirkt; an ihn wendet sich der Glaube, der im Gebet Ausdruck findet; und wie es bei den von Jesus Geheilten geschah, kann man zu jedem Kranken sagen: Dein Glaube, gestützt vom Glauben deiner Brüder und Schwestern, hat dich gerettet.

Diesem Text, der die Grundlage und die Praxis des Sakraments der Krankensalbung enthält, ist zugleich eine bestimmte Sichtweise der Rolle der Kranken in der Kirche zu entnehmen: eine aktive Rolle, da sie sozusagen das gläubige Gebet »herausfordern«. »Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde, die Priester, zu sich.« In diesem Priester-Jahr möchte ich die Beziehung zwischen den Kranken und den Priestern unterstreichen, eine Art Bündnis, eine Art evangeliumsgemäßer »Hilfestellung«. Beide haben eine Aufgabe: Der Kranke soll die Priester »rufen«, und diese müssen antworten, um die Erfahrung der Krankheit in die Gegenwart und das Handeln des Auferstandenen und seines Heiligen Geistes zu stellen. Und hier können wir die ganze Bedeutung der Krankenpastoral erkennen, deren Wert tatsächlich unermeßlich ist wegen der großen Wohltat für die Kranken und die Priester in erster Linie, aber auch für die Familienangehörigen, die Bekannten, die Gemeinde und auf unbekannten und geheimnisvollen Wegen für die ganze Kirche und die Welt. Denn wenn das Wort Gottes von Heilung, Heil, Gesundheit des Kranken spricht, versteht es diese Begriffe in einem ganzheitlichen Sinn, ohne je Leib und Seele zu trennen: Ein durch das Gebet Jesu mittels der Kirche geheilter Kranker ist eine Freude auf der Erde und im Himmel, es ist die Erstlingsfrucht des ewigen Lebens.

Liebe Freunde, ich habe in der Enzyklika Spe salvi geschrieben: »Das Maß der Humanität bestimmt sich ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für den einzelnen wie für die Gesellschaft« (Nr. 38). Durch die Einrichtung eines der Pastoral im Krankendienst gewidmeten Dikasteriums wollte der Heilige Stuhl einen eigenen Beitrag leisten, auch um eine Welt zu fördern, die immer mehr fähig ist, den Kranken als Person anzunehmen und zu pflegen. Er wollte ihnen helfen, die Erfahrung der Krankheit in menschlicher Weise zu leben, nicht indem man sie verleugnet, sondern indem man ihr einen Sinn gibt. Ich möchte diese Betrachtungen mit einem Gedanken des ehrwürdigen Dieners Gottes Papst Johannes Paul II. beenden, den er mit seinem eigenen Leben bezeugt hat. Im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris hat er gesagt: »Christus hat zugleich den Menschen gelehrt, durch das Leiden Gutes zu wirken und dem Gutes zu tun, der leidet. In diesem doppelten Aspekt hat er den Sinn des Leidens bis zum letzten enthüllt« (Nr. 30). Die Jungfrau Maria helfe uns, diese Sendung vollkommen zu erfüllen.

 

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