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BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN JACQUES DIOUF,
GENERALDIREKTOR DER FAO
ANLÄSSLICH DES WELTERNÄHRUNGSTAGES 2007

 

An Herrn JACQUES DIOUF
Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
der Vereinten Nationen (FAO)

1. In diesem Jahr lädt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die von Ihnen geleitet wird, erneut anläßlich ihres Gründungstages die internationale Gemeinschaft ein, sich mit einer der ernsthaftesten Herausforderungen unserer Zeit zu befassen: die Millionen von Menschen, deren Leben durch den Mangel am täglichen Brot bedroht ist, vom Hunger zu befreien.

Das für diesen Tag gewählte Thema: »Das Recht auf Nahrung« eröffnet gedanklich die Reflexionen, die die internationale Gemeinschaft aus Anlaß der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vornehmen wird und auf die sie sich zur Zeit vorbereitet. Das zeitliche Zusammentreffen beider Ereignisse ist hilfreich, um über die Bedeutung nachzudenken, die das Recht auf Nahrung für die Erlangung anderer Rechte hat, angefangen vor allem beim Grundrecht auf Leben.

Wir müssen feststellen, daß durch die bisher unternommenen Bemühungen die Zahl der Hungernden in der Welt nicht bedeutend geringer geworden zu sein scheint, obwohl alle anerkennen, daß es ein Grundrecht auf Nahrung gibt. Das ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß man dazu neigt, nur oder hauptsächlich aus praktischen oder wirtschaftlichen Erwägungen heraus zu handeln und dabei die Priorität der ethischen Dimension vergißt, »den Hungernden zu essen zu geben«. Diese Priorität berührt das Gefühl des Mitleids und der Solidarität, das den Menschen eigen ist und sie dazu bringt, nicht nur die materiellen Güter miteinander zu teilen, sondern auch die Liebe, derer wir alle bedürfen. In der Tat geben wir zuwenig, wenn wir nur materielle Dinge anbieten.

2. Die zur Verfügung stehenden Daten zeigen, daß die Nichterfüllung des Rechts auf Nahrung nicht nur auf Ursachen natürlicher Art zurückzuführen ist, sondern vor allem auf Situationen, die durch das Verhalten der Menschen hervorgerufen werden und die zu einem allgemeinen Verfall auf sozialer, wirtschaftlicher und menschlicher Ebene führen. Es gibt immer mehr Menschen, die sich aufgrund von Armut oder blutigen Konflikten gezwungen sehen, ihr Zuhause und ihre Angehörigen zu verlassen, um außerhalb des eigenen Landes nach einem Lebensunterhalt zu suchen. Trotz internationaler Vereinbarungen werden viele von ihnen abgewiesen.

Unter den Mitgliedern der Staatengemeinschaft muß daher ein solidarisches Bewußtsein heranreifen, welches das Recht auf Nahrung als universales Recht aller Menschen ohne Unterschiede und Diskriminierungen betrachtet.

3. Das Ziel, den Hunger zu bekämpfen und gleichzeitig auf eine gesunde und ausreichende Ernährung zählen zu können, erfordert auch besondere Methoden und Vorgehensweisen, die eine Nutzung der Ressourcen ermöglichen, bei der das Gut der Schöpfung geachtet wird. Eine Arbeit in dieser Richtung stellt eine Priorität dar. Sie macht es erforderlich, daß man sich nicht nur die Ergebnisse der Wissenschaft, der Forschung und der Technik zunutze macht, sondern auch die Kreisläufe und den Rhythmus der Natur berücksichtigt, die die Menschen in den ländlichen Gebieten kennen. Auch die traditionellen Gebräuche der indigenen Gemeinschaften müssen geschützt und egoistische und ausschließlich wirtschaftliche Motivationen überwunden werden.

Das Recht auf Nahrung hat durch all das, was es mit sich bringt, sowohl in seiner individuellen als auch in seiner gemeinschaftlichen Dimension Auswirkungen, die ganze Völker und Menschengruppen betreffen. Ich denke insbesondere an die Situation der Kinder – der ersten Opfer dieser Tragödie –, die manchmal in ihrer physischen und psychischen Entwicklung behindert und oft zur Zwangsarbeit verpflichtet oder von bewaffneten Gruppen rekrutiert werden, im Austausch gegen einige wenige Lebensmittel. In diesem Zusammenhang setze ich meine Hoffnung auf die Initiativen, die auf multilateraler Ebene unternommen wurden, um die Schulspeisung zu fördern. Durch sie können ganze Gemeinschaften, deren Überleben durch den Hunger bedroht ist, mit größerer Zuversicht ihrer Zukunft entgegensehen.

Dringend erforderlich ist daher ein gemeinsamer und konkreter Einsatz, zu dem alle Mitglieder der Gesellschaft sich sowohl auf persönlicher als auch auf internationaler Ebene verpflichtet fühlen müssen, um die Erfüllung des Rechtes auf Nahrung möglich zu machen. Die Nichterfüllung dieses Rechts ist eine deutliche Verletzung der Würde des Menschen und der Rechte, die sich von ihr ableiten.

4. Die Kenntnisnahme der Probleme der Agrarwelt und der Nahrungsunsicherheit sowie die gezeigte Fähigkeit, Lösungsvorschläge in Form von Plänen und Programmen vorzulegen, sind ein wesentliches Verdienst der FAO und geben Zeugnis von einer hohen Sensibilität gegenüber dem Bestreben derer, die menschlichere Lebensbedingungen fordern.

In diesem Augenblick, in dem es viele Probleme dieser Art gibt – wenngleich auch neue Initiativen erkennbar werden, die dazu beitragen können, das Drama des Hungers zu mildern –, ermutige ich Sie alle zur Fortsetzung Ihrer Arbeit, damit eine Ernährung gewährleistet wird, die den gegenwärtigen Bedürfnissen entspricht, und jede Person, die nach dem Abbild Gottes geschaffen ist, ihrer wirklichen menschlichen Dimension entsprechend wachsen kann.

Die katholische Kirche fühlt sich Ihnen in diesen Bemühungen nahe und möchte durch ihre verschiedenen Einrichtungen auch weiterhin daran mitarbeiten, die Bestrebungen und Hoffnungen der Personen und Völker zu unterstützen, auf die die Tätigkeit der FAO ausgerichtet ist.

Dies sind, Herr Generaldirektor, einige Reflexionen, die ich der Aufmerksamkeit derer unterbreiten möchte, die mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten daran arbeiten, der Menschheitsfamilie eine Zukunft zu bieten, die frei ist vom Drama des Hungers. Gleichzeitig rufe ich auf Sie alle und Ihre Arbeiten den ständigen Segen des Allerhöchsten herab.

Aus dem Vatikan, 4. Oktober 2007

BENEDIKT XVI.

 

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