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BOTSCHAFT VON PAPST BENEDIKT XVI.
AN BISCHOF KARL-HEINZ WIESEMANN
ZUM 950. WEIHEJUBILÄUM DES SALISCHEN KAISER-
UND MARIENDOMS ZU SPEYER

Meinem verehrten Bruder
Bischof Karl-Heinz Wiesemann
Bischof von Speyer

Mit Freude habe ich davon Kenntnis erhalten, daß die Diözese und die Stadt Speyer gegenwärtig das »Salierjahr« begehen und in diesem Rahmen gleich drei Jubiläen feiern: die Krönung des letzten salischen Kaisers Heinrich V. im Jahr 1111 und die damit verbundene Verleihung bedeutsamer Privilegien an die Stadt Speyer, der die Entwicklung dieses Ortes zur freien Reichsstadt ermöglichte, und schließlich ganz besonders den 950. Jahrestag der Domweihe.

Am 4. Oktober 1061 wurde der salische Kaiserdom geweiht, nachdem er schon zuvor als Grablege für den ersten salischen Kaiser Konrad II. eingerichtet worden war. Der Ruhm des markanten viertürmigen Gotteshauses am Rhein ist besonders mit der Person des heiligen Bernhard verbunden, der ein im Dom befindliches Gnadenbild der Muttergottes tief verehrte. Ein reicher Kranz von Legenden rankt sich um Bernhard und dieses Bild. Berühmt sind die Worte des Heiligen, die er in dieser Kathedrale an Unsere Liebe Frau richtete: O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria und die Eingang in die Marienantiphon Salve Regina gefunden haben. Bernhard erkennt in Maria das Vorbild, das sanftmütig und ebenso gottgefällig ist, und das macht sie uns liebenswürdig. Sie entspricht dem Idealbild des gläubigen Israeliten, welches der Prophet Micha so beschreibt: »Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott« (Mi 6,8). Maria ist die sanftmütige, gottgefällige und liebenswerte Jungfrau, weil sie in ihrem Schoß die Sanftmut, die Liebe und das Wohlgefallen Gottes in Person trägt und alle Gnade und Liebe uns Menschen weiterschenken will. Sie ist zur Pforte des Heils geworden, weil sie Pforte für Christus ist, weil sie die ist, der Gott die Gnade schenkte, in ihrem Schoß den Himmel zu tragen, nach dem sich alle Christen als Ziel ihrer Pilgerschaft sehnen. Maria ist zur Pforte des Himmels für die Menschen geworden, weil sie zur Pforte Christi für die Welt wurde.

Zu allen Zeiten haben die Gläubigen Maria als das Urbild der Kirche verstanden. Auch die Kirche ist Pforte für die Menschen und Pforte für Christus. Die romanischen Dome mit ihrem gewaltigen Westwerk sind Sinnbilder für dieses Geheimnis. Die Kirche läßt die Menschen eintreten in die Gemeinschaft der Heiligen, sie enthüllt den Blick auf das himmlische Jerusalem. Zugleich wartet sie auf den Bräutigam und ist mit ihrem ganzen Sein auf sein Kommen ausgerichtet. Das Leben der Kirche besteht darin, sich für das Kommen des Erlösers zu rüsten, der sich zeigt und zeigen wird im Geheimnis der Eucharistie wie auch bei seiner Wiederkunft in Herrlichkeit. Wenn auch der Speyrer Dom in Jahrhunderten die ursprüngliche Gestalt verändert hat, so bleibt doch sein Charakter sichtbar, Pforte zu sein, die es den Menschen möglich macht, gen Osten voranzuschreiten, dem aufgehenden Licht entgegen, Christus, dem Erlöser und Bräutigam, der selbst die Tür zum Vater ist.

Das feierliche Jubiläumsjahr findet mit der Wallfahrtswoche nun seinen Ausklang. Das Zeugnis des Speyrer Doms bleibt weiter gegenwärtig. Es möge euch immer neu dazu anregen, über das Geheimnis der Menschwerdung Gottes nach zudenken und es in eurem Leben fruchtbar zu machen. Gott möge es schenken, daß ihr mehr und mehr »als lebendige Steine zu einem geistigen Haus auferbaut« (1 Petr 2,5) und zusammengehalten werdet durch den Schluß- und Eckstein Jesus Christus (vgl. Apg 4,11; Eph 2,20; 1 Petr 22,7). Ich vertraue euch der Fürbitte der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, der Patronin des Domes und des Bistums Speyer, an und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen.

Aus Castel Gandolfo, am 29. September 2011

 

BENEDICTUS PP. XVI



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