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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DEN ERSTEN BOTSCHAFTER DER
REPUBLIK ASERBAIDSCHAN
BEIM HL. STUHL, HERRN
ELCHIN OKTYABR OGLU AMIRBAYOV*

Donnerstag, 16. Juni 2005

 

Exzellenz!

Mit besonderer Freude begrüße ich Sie im Vatikan als ersten außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Aserbaidschan beim Heiligen Stuhl. Bei dieser erfreulichen Gelegenheit möchte ich Sie freundlich bitten, Seiner Exzellenz Präsident Alijew und der Regierung und dem Volk Ihres edlen Landes meine herzlichen Grüße zu übermitteln. Versichern Sie einen jeden meiner Dankbarkeit für die guten Wünsche und meiner Gebete für den Frieden und das Wohlergehen der Nation.

Die diplomatischen Beziehungen bilden einen Teil des kirchlichen Sendungsauftrags im Dienst an der internationalen Gemeinschaft. Ihr Engagement in der bürgerlichen Gesellschaft ist in der Überzeugung verankert, daß die Aufgabe des Aufbaus einer gerechteren Welt die übernatürliche Berufung des Menschen anerkennen und beachten muß. Der Heilige Stuhl bemüht sich daher, ein Verständnis des Menschen zu fördern, der »von Gott seine ihm wesenhafte Würde empfängt und mit ihr die Fähigkeit, über jede Gesellschaftsordnung in Richtung der Wahrheit und des Guten hinauszuschreiten« (Enzyklika Centesimus Annus, 38). Auf dieser Grundlage setzt sich die Kirche für die Umsetzung dieser universalen Werte, die die Würde jedes Menschen bewahren und dem Gemeinwohl dienen, in der langen Reihe von Kulturen und Nationen ein, die unsere Welt ausmachen.

Das Volk von Aserbaidschan weiß nur zu gut, daß die Seele einer Nation zerstört wird, wenn die geistliche Dimension der Menschen unterdrückt oder gar geleugnet wird. Während der tragischen Epoche der Einschüchterung in der Geschichte Osteuropas, als die Vorherrschaft der Gewalt das Sagen hatte, bewahrten die seit Jahrhunderten in Ihrem Land vorhandenen monotheistischen Glaubensgemeinschaften eine Hoffnung auf Gerechtigkeit und Freiheit, auf eine Zukunft, in der sich die Herrschaft der Wahrheit durchsetzen würde. Heute nehmen sie sich dies neuerlich vor. Als mein geliebter Vorgänger, Papst Johannes Paul II., im vergangenen November mit religiösen Führern aus Aserbaidschan zusammentraf, die die muslimischen, russischorthodoxen und jüdischen Gemeinschaften vertraten, wies er darauf hin, daß diese Zusammenkunft für die Welt ein Symbol dafür war, wie Toleranz zwischen Glaubensgemeinschaften die Grundlage bereitet für eine umfassendere menschliche, staatliche und soziale Entwicklung in größerer Solidarität.

Während sich Aserbaidschan weiter mit der heiklen Aufgabe der Formung seines nationalen Charakters befaßt, können politische und bürgerliche Autoritäten sich an die Glaubensgemeinschaften wenden für ein entschlossenes Engagement, um die soziale Ordnung in Übereinstimmung mit dem Gemeinwohl zu gestalten. Ein solcher Einsatz verlangt, daß die Religionsfreiheit, die die Einzigartigkeit jeder Glaubensgemeinschaft bewahrt, als ein bürgerliches Grundrecht festgeschrieben und von einem gesunden System von Rechtsnormen geschützt wird, welche die den Religionsgemeinschaften eigenen Gesetze und Pflichten respektieren (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis Humanae, 2). Solche praktische Unterstützung der Religionsfreiheit durch die politischen Führer wird zu einem sicheren Mittel für echten sozialen Fortschritt und Frieden. In dieser Hinsicht anerkenne ich dankbar die Rolle von Präsident Alijew und Ihrer Regierung bei der Förderung des Wiederaufbaus der katholischen Kirche in Baku zusammen mit der Errichtung einer Unterkunft für Bedürftige.

Herr Botschafter, eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung ist seit langem ein Bestreben aller Bürger von Aserbaidschan. Sie ist auch ein Recht, das die entsprechende Pflicht nach sich zieht, je nach eigener Möglichkeit zum echten Fortschritt der Gemeinschaft beizutragen. Die Priorität der Förderung sozialer und kommerzieller Projekte, die für die Schaffung einer gerechteren Gesellschaft geeignet sind, stellt eine schwierige, wenngleich anregende Herausforderung für alle dar, die den Bereich der Wirtschaft lenken und in ihm tätig sind.

Ihr Land hat bereits Schritte in Richtung Sicherung der Grundrechte seiner Bürger und Förderung demokratischer Vorgehensweisen unternommen. Es muß jedoch noch viel erreicht werden. Nur unter Respektierung der unverletzlichen Würde der menschlichen Person und Förderung der entsprechenden individuellen Freiheiten kann eine bürgerliche Gesellschaft aufgebaut werden, die zum Gedeihen aller ihrer Bürger beiträgt. Seien Sie versichert, daß die katholische Kirchengemeinde, auch wenn sie in Aserbaidschan zahlenmäßig nur sehr klein ist, weiter selbstlos zur Förderung der Gerechtigkeit und zum Schutz der Armen beitragen wird.

Exzellenz, Ich vertraue darauf, daß die diplomatische Mission, die Sie heute antreten, die zwischen dem Heiligen Stuhl und Ihrem Land bereits bestehenden fruchtbaren Beziehungen weiter festigen wird. Sie sollen wissen, daß die verschiedenen Ämter der Römischen Kurie bereit sind, Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben beizustehen. Mit meinen aufrichtigen guten Wünschen rufe ich auf Sie, Ihre Familie und alle Menschen in Aserbaidschan den reichen göttlichen Segen herab.


*L'Osservatore Romano n. 25 p. 11.

 

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